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15 Jahre Bangen um die »Cuban Five«
Adriana Pérez wirbt für die Freilassung ihres Mannes Gerardo Hernández und seiner Gefährten.
Adriana Pérez ist die Ehefrau von Gerardo Hernández, eines der fünf Kubaner, die 2001 in den USA als Mitglieder eines in Florida wirkenden Agentennetzwerks zu langjähriger Haft verurteilt wurden. Die »Cuban Five« hatten im Auftrag Havannas Informationen über exilkubanische Gruppen gesammelt, um Terroranschläge auf der Insel zu verhindern. Mit Adriana Pérez, die derzeit in Europa um Unterstützung für die Forderung nach Freilassung der vier noch Inhaftierten wirbt, sprach für »nd« Andreas Knobloch.
nd: Wie lange haben Sie Gerardo Hernández nicht gesehen?
Pérez: Seit er inhaftiert ist (seit 1998 - d. Red.), verweigert mir die Regierung der USA ein Einreisevisum. Seine Schwester, seine Nichte, einige Freunde der Solidaritätsbewegung haben glücklicherweise die Möglichkeit zu Besuchen gehabt. Allerdings gelten dafür verschiedene Auflagen: Die Besucher werden die ganze Zeit überwacht, physischer Kontakt wird nicht erlaubt, man darf nichts mitbringen und die Zeit ist sehr begrenzt.
Warum dürfen Sie ihn nicht besuchen?
Die Regierung der USA hat argumentiert, ich wäre ein »Nationales Sicherheitsrisiko«, ich könnte meinen Aufenthalt in den USA nutzen, um mich mit terroristischen Organisationen zu treffen oder ich könnte Mitglied des kubanischen Geheimdienstes sein oder eine potenzielle Immigrantin. Die Argumente wechselten. Im Jahre 2002 hatte ich schon ein Visum, das aber wieder aufgehoben wurde, als ich versuchte, in die USA einzureisen: Ich würde die Bedingungen für eine Einreise nicht erfüllen. Seither wurden alle meine Gesuche rundweg abgelehnt.
Haben Sie wenigstens schriftlich oder telefonisch Kontakt zu Ihrem Mann?
In den letzten zwei Jahren wurde ihm die Möglichkeit zu postalischem Kontakt eingeräumt. Aber es ist ein beschränkter Zugang, für den er zudem bezahlen muss. Von der sehr geringen Bezahlung für die Arbeit im Gefängnis muss er alle Ausgaben bestreiten: für Körperpflege, einen Teil der Lebensmittel, Schreibmittel, Telefonate. Die Kommunikation wird natürlich überwacht, oft verzögert sich die Übergabe von Briefen um mehrere Monate. Hinzu kommen kurze Telefonate. Aber die beschränkte Gesprächszeit müssen wir uns mit dem Anwalt und anderen teilen.
Können Sie etwas zur Stimmung der Gefangenen sagen?
Gerardo und seine Kameraden versuchen, ihren Mut, ihren Optimismus, ihre Zuversicht zu behalten. Jeden Tag bekommen sie Zeichen der Unterstützung. Sie sind in Haft wegen des Versuchs, etwas Gutes zu tun und aus politischen Gründen sind sie zu derart langen Strafen verurteilt worden.
Wie haben Sie die Festnahme erlebt und später den Prozess?
Ich habe immer in Kuba gelebt. Gerardo war bereits einige Jahre im Ausland, für mich aus Gründen des Studiums und der Ausbildung. Seine Festnahme war ein Schlag, wie wenn alle Türen geschlossen werden und du allein zurückbleibst. Alle Träume von Zusammenleben, von Mutter- und Vaterschaft, alles wurde damit beendet. Die Festnahme in Miami, die richterliche Vorführung ohne Anwalt, die straffen Verhöre, die Androhung der Todesstrafe, die Versuche, unsere Leute zur Aufgabe ihrer Prinzipien zu bewegen, die Medienkampagne, mit der ein Klima der Feindseligkeit geschaffen wurde - all das gab uns eine Idee davon, was auf uns zukommen würde. Wir wussten, dass wir keine Gerechtigkeit erwarten durften. Später, 2006, haben wir erfahren, dass die Medienkampagne von der Regierung finanziert worden war, um die Gerichtsentscheidung zu beeinflussen. Deshalb können wir auch von der anstehenden Haftprüfung nicht viel erwarten, denn da entscheidet dasselbe Gericht.
Wie wirkt sich die Haft auf Sie und die Familie aus?
Auf die vergangenen 15 Jahre zurückzuschauen, tut sehr weh; darauf zu schauen, was vor uns liegt, ist aber genauso schmerzhaft. Wir versuchen, uns nicht der Traurigkeit, dem Wehklagen, der Hoffnungslosigkeit hinzugeben, aber das ist nicht einfach. Gerardo ist zu zweimal lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt worden, er bräuchte drei Leben, um seine Strafe abzusitzen, aber niemand hat mehr als ein Leben. Er soll also im Gefängnis sterben. Ich weigere mich aber zu glauben, dass so etwas passieren könnte. Daher versuchen wir weiterzumachen, auch wenn es Momente gibt, in denen du nicht weißt, wie du dich aufrichten, wie du den Tag angehen sollst, denn mit jedem Interview, jeder Aktivität wird die Wunde wieder bloß gelegt, die nicht heilen will.
Was halten sie von einem Gefangenaustausch, etwa mit dem in Kuba inhaftierten USA-Bürger Alan Gross?
Die Tätigkeit der Fünf rechtfertigt nicht die Behandlung und die Strafe, denen sie ausgesetzt sind. Eine andere Lösung, beispielsweise die Ausweisung, wäre möglich gewesen. Aber aufgrund des Drucks des Exils, das großes wirtschaftliches und politisches Gewicht in den USA hat, ist das Ganze zu einem Politikum geworden.
Wir befürworten jede Entscheidung, die eine Rückkehr unserer Angehörigen begünstigt. Wir wissen auch, was die Trennung und die Gefängnishaft für die Familie von Alan Gross bedeuten. Kuba ist bereit, eine Lösung zu finden, aber weder unsere Regierung noch die Familien sind zu einer einseitigen Geste bereit, denn die Fünf haben bereits 15 Jahre abgesessen. Zudem existieren genügend Beweise, dass diese Männer in einem Prozess voller Unregelmäßigkeiten und Manipulationen verurteilt wurden. Die Entscheidung liegt in den Händen der Regierung Barack Obamas, sowohl für die vier, die noch in den USA einsitzen, als auch für Alan Gross.
Neues Deutschland, 07.10.2013