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Gekaufte Opposition
Mit Prämien ermuntern US-Dienste Internetnutzer in Kuba zur Veröffentlichung von Tweets mit systemfeindlichen Inhalten. Das eigens zu diesem Zweck geschaffene Projekt »ExpresArte« hat bereits 24 Wettbewerbe ausgeschrieben. Der letzte zum Thema oppositionelle Kunst und Kultur wurde im September beendet. Für den jeweils »besten« Beitrag wird der Gewinner mit 250 konvertiblen Pesos (CUC) oder 250 US-Dollar belohnt. Auf den ersten Blick scheint dieser Preis für eine Kurznachricht »leicht verdientes Geld« zu sein, analysierte der russische Fernsehsender RT am Montag das US-finanzierte Projekt zur »Förderung der Zivilgesellschaft«. Bei genauerer Betrachtung hätten die Teilnehmer bei ihren Beiträgen allerdings nicht soviel Freiheit, wie die Veranstalter behaupten. Prämiert wurden bisher nur extreme, gegen das kubanische Gesellschaftsmodell gerichtete Positionen. Offenbar, so der RT-Kommentar, »kann man die Freiheit der Meinungsäußerung kaufen und verkaufen«.
Das Projekt »ExpresArte« ist eine Erfindung der CIA-Vorfeldorganisation USAID, der staatlichen Behörde für Internationale Entwicklung. Es wurde Ende 2011 entwickelt und wendet sich über das mit Unterstützung der US-Dienste NED und CIA in Madrid produzierte Online-Portal Diario de Cuba an Internetnutzer auf der Antilleninsel. Die dortigen Blogger, Studenten und jungen Künstler werden zu Wettbewerben mit dem Titel »Tweets der Freiheit« »eingeladen«. Zu den vorgegebenen Themen gehörten bisher unter anderem die Situation von Frauen und Jugendlichen, die Lage der Afrokubaner, Menschenrechte, Reisefreiheit sowie die Versorgungs- und Einkommenssituation. Beworben werden die jeweiligen Wettbewerbe auch vom staatlichen US-Propagandasender Radio- und TV-Martí, dem von der US-Interessenvertretung (SINA) in Havanna organisierten Internetportal Hablemos Press, der US-Auftragsbloggerin Yoani Sánchez und zahlreichen weiteren Contra-Aktivisten.
Im September lautete das Motto: »Wie sich die Kubaner über ihre Kultur ausdrücken«. Damit, erklärt der Kunstkenner, Galerist und Ex-Agent der kubanischen Sicherheit, Frank Vásquez, »sollten vor allem junge Künstler angesprochen werden, deren Werke sich als oppositionelle Kultur ausschlachten lassen«. Über den Wettbewerb kämen die Veranstalter zu allererst an die Daten von Interessierten. Vásquez, der fünf Jahre lang eine Galerie in Chicago leitete, kennt die Methoden, mit denen die darauf spezialisierten US-Dienste junge Leute und Künstler für sich gewinnen, aus eigener Erfahrung. »Sie sorgen dafür, daß du dich gut fühlst und glaubst, deine Träume verwirklichen zu können. Mich haben sie zum Beispiel in die USA gebracht, mir ermöglicht, eine Galerie zu leiten, Kurse zu besuchen und Karriere zu machen. Im Gegenzug folgten dann später ihre Forderungen an mich«, berichtet der Ex-Agent.
Die Geschichte habe gezeigt, daß Kultur und Kunst großen Einfluß auf die politische Entwicklung einer Nation haben können, meint auch Raúl Antonio Capote, der sich von 2005 bis 2011 im Auftrag der kubanischen Sicherheit als CIA-Agent Pablo unter anderem um die Rekrutierung von akademischem Nachwuchs für die Konterrevolution kümmerte. »Die heute gegen Kuba angewandten Methoden des Kulturkampfes sind in den früheren sozialistischen Staaten Osteuropas erfolgreich erprobt worden«, weiß Capote. Das Schwierigste an dieser Art Krieg sei es, so der Geheimdienst-Experte, die beabsichtigten Manipulationen zu erkennen. »Viele Künstler bemerken überhaupt nicht, daß sie sich vom Gegner einspannen lassen.«
Auch deshalb informierte der Internetspezialist und Universitätsprofessor Luis Ernesto Ruiz Martínez kürzlich in seinen Blog Visión desde Cuba über die Hintergründe von »ExpresArte« und warnte vor dessen Methoden. Offenbar mit Erfolg. Er kenne einige talentierte Kollegen, die sich für Geld haben einbinden lassen, zitiert RT den jungen Maler Rafael Villares. Die meisten Künstler aber würden sich und ihrem Land treu bleiben. Kubanische Blogger fordern die USA derweil zur Einstellung der Subversion auf. Statt ihr Geld für den Aufbau einer Opposition in Kuba zu vergeuden, schrieb Internetaktivist Humberto Cardoso im Portal Cubadebate, sollten »die Gringos« es lieber für die Lösung der akuten Probleme in ihrer Gesellschaft ausgeben, wo Zigtausende unter Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger und Rassismus litten.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 05.10.2013