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»Sie sollen nach Hause kommen«

Cuban Five: Vier Kubaner sitzen seit über 15 Jahren in den USA im Gefängnis, weil sie Anschläge gegen ihr Land verhindert haben. Ein Gespräch mit Adriana Pérez.

Ariana Pérez ist Chemieingenieurin und seit 1988 mit Gerardo Hernández Nordelo verheiratet. Dieser ist seit über 15 Jahren in den USA inhaftiert, weil er zusammen mit seinen Genossen antikommunistische Terrororganisationen in Miami unterwandert hatte, um Anschläge auf Kuba zu verhindern.

In den vergangenen Tagen haben mehrere Staatschefs die jüngste UN-Generalversammlung in New York genutzt, um die Freilassung der nach der Heimkehr von René González noch vier seit 15 Jahren in den USA inhaftierten Kubaner zu fordern. Einer von diesen ist Ihr Ehemann Gerardo Hernández. Wie fühlen Sie sich, wenn so hochrangige Persönlichkeiten vor dem Forum der Weltgemeinschaft von Ihren Angehörigen sprechen?

Neben den Präsidenten, die offen für die fünf aufgetreten sind, gibt es viele Staatschefs, die zumindest privat für ihre Freilassung eintreten und sich entsprechend an die US-Administration gewandt haben. Aber Präsidenten wie Evo Morales zu hören, die öffentlich ihre Stimme für die fünf erheben, macht uns natürlich Hoffnung und zeigt uns, daß die Arbeit der fünf einen Nutzen für Lateinamerika und die Welt gehabt hat. Die meisten Präsidenten Lateinamerikas haben in diesem Sinne Position bezogen, und ich hatte die Ehre, bei einem Besuch in Bolivien mit Evo Morales zusammentreffen zu dürfen. Auch andere Angehörige sind von Präsidenten empfangen worden, zum Beispiel von Daniel Ortega in Nicaragua. Hugo Chávez war führend an der Kampagne für die fünf beteiligt. Auch in Afrika gibt es eine starke Bewegung, denn drei der fünf – Fernando González, Gerardo und René González – waren in den 80er Jahren selbst in Afrika.

Trotzdem sitzen sie bis auf René, der im vergangenen April nach Kuba zurückkehren konnte, noch immer im Gefängnis. Am 12. September jährte sich ihre Inhaftierung zum 15. Mal …

Diese 15 Jahre Haft waren für sie und für uns alle ein großes Opfer, aber zu sehen, daß dieses selbstlose Handeln der fünf nicht umsonst war, erfüllt uns mit Befriedigung. Wenn durch ihr Handeln nur ein Menschenleben gerettet wurde, hat es sich gelohnt. Sie haben ihr Herz und ihr Leben eingesetzt, um das Lebensrecht eines jeden Bürgers zu verteidigen. Und für uns als ihre Partnerinnen bedeutet das, daß wir Männer von höchstem Wert unterstützen, außergewöhnliche Männer, die nicht nur die Unterstützung ihrer Angehörigen verdienen. Gerardo hat mir zum zehnten Jahrestag seiner Inhaftierung – vor fünf Jahren – geschrieben, es brauche eine Million Geschworene, um ihn aus dem Gefängnis zu bekommen. Ich glaube, wir haben inzwischen weit mehr als eine Million Geschworene, und niemals hätten wir uns vorstellen können, daß die Solidaritätsbewegung so stark werden würde.

Wie ist die derzeitige Lage der vier noch inhaftierten Männer und speziell die Ihres Ehemannes?

Die Lage von Gerardo ist die schwierigste, weil er eine Haftstrafe zweimal lebenslänglich plus 15 Jahren Gefängnis verbüßen muß. Das einzige juristische Verfahren, das momentan in seiner Sache läuft, ist unser »Habeas Corpus«-Antrag. Durch diesen kann ein Urteil aufgehoben werden, wenn neue Beweise vorliegen oder nachgewiesen wird, daß die Staatsanwaltschaft mit böser Absicht gehandelt oder die Verteidigung Fehler gemacht hat. Als neue Beweise haben wir eingebracht, daß die US-Regierung Journalisten in Miami bezahlt hat, um durch eine Medienkampagne vor, während und nach dem Prozeß eine feindliche Stimmung gegen die fünf Genossen zu schaffen und dadurch Einfluß auf die Meinung der Geschworenen zu nehmen. Das ist ihnen damals gelungen, die Jury stand so unter Druck, daß sie keine andere Möglichkeit als einen Schuldspruch sah, obwohl Beweise für die Unschuld der fünf vorlagen.

Das Problem des »Habeas Corpus« ist, daß die Entscheidung vom selben Gericht in Miami und derselben Richterin gefällt werden muß, die damals das Urteil gesprochen hat. Da fällt es uns schwer, Vertrauen in diesen juristischen Prozeß zu haben. Zudem gibt es keinen Zeitrahmen, in dem eine Entscheidung über unseren Antrag gefällt werden muß. Die Richterin kann sich alle Zeit nehmen, die sie will, bevor sie eine Entscheidung trifft, und tatsächlich sind schon mehr als zwei Jahre vergangen, seit wir den Antrag eingebracht haben. Speziell für Gerardo ist der »Habeas Corpus« auch wichtig, weil eine Strafreduzierung zumindest die Folge hätte, daß er in eine normale Haftanstalt verlegt werden kann. Mit seinem jetzigen Strafmaß muß er in einem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten werden, in dem die Vorschriften sehr viel rigoroser sind als anderswo. Er ist besonderen Einschränkungen im Briefverkehr und in seinen Kommunikationsmöglichkeiten unterworfen.

Inzwischen lasten 15 Jahre auf ihnen und auf uns, ihren Angehörigen. Sie mußten natürlich den schwersten Teil aushalten: Isolationshaft, Einschränkungen bei der Kommunikation und Familienbesuchen, Einsamkeit und psychologische Folter. Es ist grausam, wenn Angehörige von einem gehen und man selbst nicht bei ihnen sein und sie begleiten kann – und selbst nicht trauern darf, weil sie in allen Bereichen vorsichtig sein müssen. Das belastet die Psyche eines Menschen zutiefst. Zu sehen, wie die Kinder herangewachsen sind, während der Vater nicht bei ihnen sein konnte. Für Fernando und seine Frau ist es zudem unmöglich, noch eigene Kinder zu bekommen. Im Fall von Gerardo und mir besteht diese Möglichkeit noch, und wir warten noch auf eine Antwort der US-Regierung auf unsere Petition, es uns zu ermöglichen, daß ich schwanger werde, damit wir Eltern werden können.

Aber die vier sind optimistisch und haben in ihrer Kraft nicht nachgelassen. Die Heimkehr von René, die uns viel Arbeit gekostet hat und erst stattfinden konnte, nachdem er seine Strafe verbüßt hatte, öffnet uns trotz allem die Tür zu einer größeren Hoffnung darauf, daß wir eines Tages auch die anderen vier Genossen wieder bei uns in Kuba haben werden. René ist selbst weiter sehr aktiv in der Solidaritätskampagne für die vier Genossen. Wir hätten uns damals nie vorstellen können, daß sie nach 15 Jahren tatsächlich immer noch im Gefängnis sitzen müssen.

Auch Fernando hat seine Haftstrafe von 17 Jahren und neun Monaten bald abgesessen …

Fernando muß am 27. Februar aus dem Gefängnis entlassen werden. Es ist aber zu befürchten, daß sie auch seine Freilassung einschränken werden, denn er hat – wie zwei andere Genossen – für seine Tätigkeit eine falsche Identität benutzt, und deshalb wird er, wenn er seine Haftstrafe verbüßt haben wird, als »illegaler Ausländer« ohne gültige Papiere gelten. Das könnte zu einem Verfahren vor der Einwanderungsbehörde führen, das ebenfalls bis zu einem Jahr dauern und seine Heimkehr auf unbestimmte Zeit verzögern kann. Deshalb setzen wir uns derzeit dafür ein, daß Fernando schnell nach Hause zurückkehren kann, zumal seine Gesundheit angegriffen ist. Dann hätten wir zwei der fünf bei uns, um den Kampf für die drei, die dann noch fehlen, fortzusetzen.

Wir wenden uns vor allem an die Bevölkerung der USA, die am meisten Druck auf die Behörden ausüben kann, damit die Administration von Barack Obama eine humanitäre Entscheidung trifft und endlich eine abschließende Lösung findet. Es tut weh, sich vorstellen zu müssen, daß Antonio und Ramón ihre Haftstrafen bis 2017 und 2024 absitzen müssen, und noch schwerer fällt es mir, mir auszumalen, daß Gerardo im Gefängnis sterben muß, weil es keine Lösung für ihn gibt.

Sehr wichtig sind auch Aktivitäten wie die des Schauspielers Dany Glover, der Gerardo regelmäßig im Gefängnis besucht. Das ist auch eine Botschaft an die Angestellten und Insassen der Gefängnisse, daß die vier Genossen besonderen Schutz verdienen. Sie haben nichts mit den meisten zu tun, die dort ansonsten inhaftiert sind. Sie sind gebildete Männer, die kein Verbrechen begangen haben, auch wenn die US-Regierung etwas anderes behauptet. Die Staatsanwaltschaft hat in der Verhandlung nicht alle Beweise vorgelegt, die sie hatten. Dadurch wurde Gerardo für den Abschuß von zwei Flugzeugen der Organisation »Brothers to the Rescue« durch die kubanische Luftabwehr verantwortlich gemacht, mit dem er nachweislich nichts zu tun hatte. Die Dimensionen und Auswirkungen des Falls machen klar, daß es für sie nur eine politische Lösung geben kann.

Die US-Behörden weigern sich jedoch, Ihnen auch nur einen Besuch bei Ihrem Ehemann zu erlauben …

Die US-Behörden verweigern mir nach wie vor eine Reise in die USA, um meinen Mann zu besuchen. Das Argument ist immer, daß ich ein Sicherheitsrisiko sei. Wir fordern aber weiter ein Visum für mich, nachdem Olga – die René ebenfalls nicht besuchen durfte – ihren Mann jetzt bei sich zu Hause hat. Solange es keine endgültige Lösung des Falls gibt, fordern wir zumindest die Möglichkeit zu regelmäßigen Besuchen. Aber wichtiger als alle Visafragen ist, daß sie endlich nach Hause kommen können.

Adriana Pérez in Frankfurt am Main: Heute, Freitag, 17.00 Uhr, Gespräch im DGB-Haus (Wilhelm-Leuschner-Str. 69–77); Samstag, 15.30 Uhr, öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Mitgliederversammlung des Netzwerks Cuba, Haus der Jugend (Deutschherrnufer 12), 18 Uhr Demonstration »Freiheit für die Cuban Five«, Auftakt am gleichen Ort, 20 Uhr Abendveranstaltung im Club Voltaire, Kleine Hochstraße 5

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Interview: André Scheer
junge Welt, 04.10.2013