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Washingtons Willkür
Weltweiter Aktionstag für die Freilassung der »Cuban Five«: Ermittlungen gegen exilkubanische Terrorgruppen in den USA mit langjährigen Haftstrafen beantwortet.
Mit phantasievollen Aktionen machen Aktivisten am heutigen Donnerstag weltweit für die Freilassung der in den USA inhaftierten »Cuban Five« mobil. Als Höhepunkt in Deutschland will eine Gruppe Unterstützer die Zugspitze, den höchsten Gipfel des Landes, besteigen. In mehreren Städten der BRD sowie in der Schweiz und in Österreich sind weitere Solidaritätsaktionen geplant.
Die Besteigung des mit 2962 Metern höchsten Bergs Deutschlands ist der vermutlich spektakulärste Teil einer breitangelegten Solidaritätswoche, die den Fall der in den USA gefangen gehaltenen Kubaner in der Öffentlichkeit publik machen soll. Das gleiche Ziel verfolgen die Initiatoren weiterer Aktionen. In Hamburg ruft ein »Bündnis für die Befreiung der 5« zu einer Kundgebung (18 Uhr vor dem US-Konsulat, Alsterufer 27) auf. Auch in Düsseldorf (17 Uhr vor dem US-Konsulat, Willi-Becker-Allee 10) und in Frankfurt am Main (18 Uhr, Zeil – Brockhaus-Brunnen) sind Protestaktionen geplant.
Im Nachbarland Schweiz organisiert die »Vereinigung Schweiz–Cuba« heute eine ganztägige Mahnwache auf dem Casinoplatz im Zentrum der Altstadt von Bern, etwa einen Kilometer von der dortigen US-Botschaft entfernt, die von den Eidgenossen als vermutlich größte CIA-Zentrale Europas bezeichnet wird. In Österreich wollen Aktivisten – in Anlehnung an die Aktion ihrer deutschen Genossen – am Samstag den 2995 Meter hohen Dachstein-Gipfel besteigen und dort ein riesiges Transparent entfalten. Auch in anderen europäischen Ländern sind vielfältige Aktionen geplant. In Havanna hatte die Vorsitzende des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft, Kenia Serrano, in der Fernsehsendung »Runder Tisch« Ende vergangener Woche darüber informiert, daß weltweit in mindestens 42 Ländern Aktionen für die Befreiung der politischen Häftlinge aus den US-Gefängnissen und ihre Rückkehr nach Kuba durchgeführt werden. Überall gehe es immer auch darum, das von den privaten Medienkonzernen global verschwiegene Unrecht beim Namen zu nennen.
Der Fall der »Cuban Five« gehört zu den Themen, die in den Konzernmedien entweder gar nicht oder nur in verkürzter Form und meist auch verfälscht, Erwähnung finden. Am 12. September 1998 waren in Miami fünf kubanische Informanten verhaftet worden, die verdeckt in dort aktiven exilkubanischen Terrorgruppen ermittelt hatten, um weitere Anschläge gegen Menschen und Einrichtungen in ihrer Heimat zu verhindern. Seit dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 hatten Mitglieder derartiger militanter Gruppierungen bei Hunderten von Attentaten gegen staatliche Einrichtungen, Flugzeuge, Geschäfte und Hotels auf der sozialistischen Karibikinsel mehr als 3400 Kubaner und ausländische Besucher getötet. Mit ihrem Einsatz hatten die Aufklärer Fernando Gonzáles, René Gonzáles, Antonio Guerrero, Gerardo Hernández und Ramón Labañino rund 170 weitere Anschläge verhindern und zahlreiche Menschenleben retten können. In ihrer Heimat werden sie dafür als Nationalhelden verehrt.
In den USA waren sie – nachdem sie ihre Erkenntnisse den dortigen Ermittlungsbehörden mitgeteilt hatten – vor genau 15 Jahren verhaftet und 2001 als »Spione« in Schauprozessen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die terroristischen Gewalttäter blieben dagegen ungeschoren und können sich heute nicht nur in den Straßen Miamis frei bewegen, sondern auch weiterhin Anschläge vorbereiten. Unabhängige internationale Beobachter hatten sowohl die Prozesse gegen die »Cuban Five« als auch die jeweiligen Strafen als politisch motivierte Willkürakte kritisiert. So wurde beispielsweise der heute 48jährige Gerardo Hernández zu einer Haftstrafe von zweimal lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt.
Von den fünf am 12. September 1998 verhafteten Männern aus Kuba ist bisher nur René González – nach Verbüßung des größten Teils seiner Strafe – aus der Haft entlassen worden. Nachdem er Anfang Mai die US-Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte, lebt er wieder in seiner kubanischen Heimat und setzt sich von dort für die Befreiung seiner vier Freunde und Genossen ein. González appellierte an die Unterstützer in aller Welt, die von den Konzernmedien errichtete »Mauer des Schweigens« einzureißen und den Menschen zu erklären, »daß wir so handeln und unser Land schützen mußten, weil die USA ein Staat sind, der Terroristen beherbergt, sie agieren läßt und sie dabei sogar noch unterstützt.« Nach 15 Jahren sei es an der Zeit, das Unrecht zu beenden. »Wenn der Friedensnobelpreisträger Barack Obama und die US-Regierung bei ihrer bisherigen Haltung bleiben, muß Gerardo im Gefängnis sterben«, sagte René Gonzáles am vergangenen Donnerstag im kubanischen Fernsehen.
Mit ihren heutigen Aktionen in Deutschland, Europa und der Welt wollen die Unterstützer der »Cuban Five« deshalb den vier noch in den USA inhaftierten Kubanern eine unüberhörbare Stimme verleihen. Und sie wollen deutlich machen, daß bereits vor Bradley Manning und Edward Snowden Menschen nur deshalb verfolgt, eingekerkert und mißhandelt wurden, weil sie Verbrechen, die im Auftrag oder mit Wissen von US-Diensten begangen wurden, bekannt gemacht haben.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 12.09.2013