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Akt des Staatsterrorismus
Organisation Amerikanischer Staaten verurteilt Verletzung der Immunität des bolivianischen Präsidenten Evo Morales durch Italien, Frankreich, Spanien und Portugal.
Nach mehr als achtstündiger Debatte hat die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington die Verletzung der Immunität des bolivianischen Präsidenten Evo Morales verurteilt. Italien, Frankreich, Spanien und Portugal, die Morales am 2. Juli den Überflug verweigert hatten, wurden zur Aufklärung der Hintergründe des Vorfalls und einer Entschuldigung aufgefordert.
Damit hat sich nach der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) und der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) auch der dritte Staatenbund der Region gegen die europäischen Länder positioniert. Die am Dienstag beschlossene Resolution hat besonderes Gewicht, weil die OAS seit ihrer Gründung im Jahr 1948 von den USA dominiert wird und lange Zeit als Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen in Latein- und Südamerika galt.
Die USA und Kanada hatten auch am Dienstag versucht, eine Resolution zur Verurteilung der »schwerwiegenden Beleidigung«, um die OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza die Teilnehmer gebeten hatte, zu verhindern. Am Ende stimmten 32 der 34 aktiven OAS-Mitglieder für die Resolution, Kanada und die USA dagegen. Kuba, das 1962 auf Druck der USA ausgeschlossen und 2009 durch Mehrheitsbeschluß wieder aufgenommen worden war, beteiligt sich nicht aktiv an der Arbeit der OAS, die von Havanna als »anachronistisch« und als US-Anhängsel bezeichnet wird.
Insulza hatte die Sondersitzung des Ständigen Rats der OAS einberufen, nachdem der bolivianische Präsident Evo Morales Anfang Juli zu einer Notlandung und einem 13stündigen Aufenthalt in Wien gezwungen worden war, weil vier europäische Länder ihren Luftraum gesperrt hatten. Die Europäer begründeten die Aktion mit der Behauptung, sie seien darüber informiert worden, daß sich der von den USA gesuchte ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Morales’ Flugzeug befinde. »Dieser Vorgang darf nicht wie irgendein Zwischenfall behandelt werden«, sagte der OAS-Generalsekretär zu Beginn der Sitzung. Daß das Überflugverbot gleichzeitig von vier Ländern verhängt worden sei, könne »kein Zufall gewesen sein«, betonte Insulza und forderte alle OAS-Mitglieder auf, den Vorfall »energisch zu verurteilen«.
Die Vertreter Italiens, Frankreichs, Spaniens und Portugals, die bei der OAS Beobachterstatus haben, wiesen die Vorwürfe als »ungerecht und falsch« zurück. Wie die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina meldet, bestritten die Europäer in der OAS-Sitzung, die Lufträume über ihren Territorien für das Flugzeug mit Evo Morales gesperrt zu haben. Ihre Länder hätten keine Verletzung internationaler Rechtsnormen begangen und deshalb lehnten sie eine Entschuldigung ab. Zum Abschluß baten sie darum, den Fall nicht »aufzubauschen« und »überzubewerten«. Ähnlich hatte sich zuvor aus Madrid bereits der spanische Außenminister José Manuel Garcia-Margallo, Mitglied der postfranquistischen Volkspartei, zu Wort gemeldet. Evo Morales habe die Situation in Wien nicht richtig verstanden, sagte der Repräsentant der früheren Kolonialmacht, deshalb habe Spanien kein Problem damit, sich zu entschuldigen, wenn es mit Bolivien irgendein »Mißverständnis« gäbe.
Der bolivianische OAS-Vertreter Carlos Romero wies die Erklärungen als »Ausdruck der Arroganz« der europäischen Regierungen zurück. Die Mißachtung der Souveränität seines Landes und der Immunität des Präsidenten sei ein Vorgang ohne Beispiel. Kommunikationsministerin Amanda Dávilla hatte am Dienstag vor der Presse in der bolivianischen Hauptstadt La Paz darauf hingewiesen, daß die vier Länder, die nach ihren Informationen auf Druck der USA gehandelt hätten, alle Mitglieder der NATO seien und bezeichnete das Überflugverbot als einen Akt von »Staatsterrorismus«.
In der achtstündigen Sitzung erklärten zahlreiche Redner die Solidarität ihrer Regierungen mit Bolivien. Brasilien betonte, daß sich der Angriff auf Evo Morales gegen alle Länder Lateinamerikas richte und verlangte Maßnahmen, die derartige Rechtsverletzungen in Zukunft verhinderten.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 11.07.2013