Nachrichten aus und über Kuba
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Asylparadies für Terroristen
Der ehemalige kubanische Aufklärer René Gonzáles hat am Wochenende vor der kubanischen Nationalversammlung in Havanna die „Verlogenheit und Doppelmoral“ der US-Regierung in der Auseinandersetzung um Terror und Asyl angeprangert. Während die USA mit illegalen Methoden versuchten, die Asylzusage souveräner Staaten für den früheren Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden zu kriminalisieren, lebten zur gleichen Zeit eine Reihe international gesuchter Terroristen unbehelligt zwischen Alaska und Florida. Gonzáles war zusammen mit vier Mitstreitern in einem von internationalen Beobachtern als unfair kritisierten Prozeß im Jahr 2001 zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden, weil sie Terrorpläne exilkubanischer Contras ausgekundschaftet und den US-Behörden gemeldet hatten. Im april konnte er nach 13jähriger Haft und weiteren 18 Monaten Zwangsaufenthalt in den USA nach Kuba zurückkehren. Die restlichen vier der Cuban Five sitzen noch immer in Haft. Viele Schwerverbrecher, kritisierte Gonzáles jetzt, dürften sich in den USA frei bewegen und würden unter den Augen der US-Behörden terroristische Aktionen planen und von dort aus durchführen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des britischen Staatssenders BBC mit dem Titel „Die von den USA beschützten Terroristen“ bestätigt seine Anschuldigung.
Der Journalist William Márquez, BBC-Korrespondent in Washington, belegt die Behauptung mit konkreten Beispielen. Der international bekannteste Fall ist der des ehemaligen CIA-Agenten Luis Posada Carrlies, der im Jahr 1976 ein kubanisches Verkehrsflugzeug mit einer Bombe zum Absturz brachte. Bei dem Terroranschlag waren 73 Menschen getötet worden. In Venezuela wurde Posada Carriles später inhaftiert, 1985 aber unter Mitwirkung des CIA aus dem Gefängnis befreit. 1997 organisierte er Bombenattentate in kubanischen Hotels, bei denen ein italienischer Tourist sein Leben verlor. Seit 2004 lebt der Terrorist unbehelligt in Miami. Auslieferungsgesuche aus Kuba und Venezuela werden von den USA abgelehnt. Andere Länder halten der US-Regierung ebenfalls den Schutz von Terroristen vor. Die BBC nennt als Beispiel den tschetschenischen Separatistenführer Ilyas Akhmadov, den Rußland unter anderem die Organisation von Ausbildungslagern für Terroristen und die Vorbereitung bewaffneter Aufstände vorwirft. Nachdem er sich in die USA abgesetzt hat, lebt Akhmadov heute in Washington. Rußland hatte seine Auslieferung vergeblich beantragt.
Besonderen Anlaß über die scheinheiligen Attacken Washingtons empört zu sein, haben Bolivien, Ecuador und Venezuela, die wegen ihres Asylangebots an Edward Snowden in den letzten Tagen ins Sperrfeuer der USA und der internationalen Rechtspresse geraten sind. Gegen Boliviens Expräsident Gonzalo Sáchez de Lozada und 13 frühere Minister seiner Regierung wurde im Februar 2005 anklage wegen Völkermordes erhoben. Ihnen wird unter anderem der Mord an mindestens 60 Arbeitern vorgeworfen, die gegen den Verkauf von Erdgas unter Marktwert an einen US-Ölkonzern protestiert hatten. Sánchez de Lozada, der noch immer als reichster Mann Boliviens gilt, genießt in den USA politisches Asyl und lebt heute unbehelligt in Maryland. Sein ebenfalls wegen Völkermordes verurteilter Ex-Verteidigungsminister Carlos Sánchez Berain geht in Washington spazieren. Einen Auslieferungsantrag Boliviens lehnt die dortige Regierung ab.
Auch der frühere Präsident Ecuadors, Jamil Mahuad, gegen den der Generalstaatsanwalt des Landes 2008 ein Verfahren wegen Mißbrauchs öffentlicher Gelder einleitete, entzog sich dem Prozeß und hält jetzt hoch bezahlte Vorträge an US-amerikanischen Universitäten. Der in Ecuador gesuchte Geheimdienstchef Mario Pazmiño Silva, der zugleich für die CIA spionierte und Staatsgeheimnisse verriet, sowie der ebenfalls im Geheimdienst tätige CIA-Agent Gustavo Lemus, der von 1984 bis 1988 Chef einer auf Folter spezialisierten Abteilung war, müssen nicht fürchten, sich jemals für ihre Taten verantworten zu müssen. Pazmiño Silva pflegt heute seine alten CIA-Bekanntschaften und Lemus beeiligt sich von Miami aus an Contra-Aktivitäten gegen progressive Regierungen in der Region. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen-
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 09.07.2013