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Rum und Piraterie vor der WTO

Langjähriger Streit zwischen den USA, Kuba und der EU um das Spirituosenlabel »Havana Club« eskaliert.

Seit Jahren streiten sich die USA, Kuba und die EU um die Verwendung des Namens »Havana Club«. Nun hat sich die WTO eingeschaltet.

Die USA kommen wegen eines Markenstreits mit der EU und Kuba vor der Welthandelsorganisation (WTO) in Bedrängnis. Vergangene Woche war ein seit über zehn Jahren währender Streit eskaliert, weil die US-Justizbehörden ein Urteil der WTO aus dem Jahr 2002 bis heute nicht umgesetzt haben. Der Disput dreht sich um die Verwendung des Markennamens »Havana Club« für eine weltweit vertriebene Rumsorte aus Kuba. Ein US-Gesetz von 1998 verhindert nicht nur die Nutzung des Namens durch kubanische Unternehmen in den USA. Im Mai 2012 hatte der Oberste US-Gerichtshof den Namen »Havana Club« zudem dem Unternehmen Bacardí zugesprochen, einem der Hauptkonkurrenten des kubanischen Vertreibers.

Die EU geriet in den Streit, weil es sich bei der in Kuba und Luxemburg ansässigen Firma Havana Club Holdings um ein Mischunternehmen mit dem französischen Unternehmen Pernod Ricard handelt. Die Firma ist seit 1993 für den internationalen Vertrieb der Rum-Marke zuständig, die 1976 in den USA angemeldet worden war.

Der Rechtsstreit begann, nachdem in den USA 1998 ein neues Gesetz erlassen worden war. Dieses unterbindet die Erneuerung kubanischer Handelsmarken, sofern sie - wie der ursprünglich kubanische Bacardí-Konzern - von Enteignungen und Nationalisierungen nach der Revolution 1959 betroffen waren. Weil »Havanna Club« erstmals 1935 benutzt worden war, erhebt Bacardí Anspruch auf den Namen und registrierte ihn 1994 parallel zum kubanischen Produkt in den USA. Durch jahrelange Lobbyarbeit hatte die Firma das US-Gesetz erwirkt. 1999 klagte die EU vor der WTO gegen die Bestimmung und bekam 2002 Recht.

Dennoch blieb die Verurteilung der einseitigen Markenübernahme durch die USA und Bacardí bislang ohne Folgen. Seit über zehn Jahren verschleppen die US-Justizbehörden die Nachbesserung des Gesetzes zugunsten des euro-kubanischen Joint Ventures. Die Spannungen haben noch einmal zugenommen, seit der Oberste US-Gerichtshof das Patent der Havana Club Holding im vergangenen Mai nicht verlängerte. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der unveränderten Gültigkeit des Gesetzes von 1998.

Bei der Aussprache vor der Schlichtungsstelle der WTO platzte den EU-Handelsdiplomaten nun der Kragen. Sie verwiesen nach Angaben anwesender Funktionäre auf eine mehrfache Fristverlängerung für die USA. Inzwischen ist allen Beteiligten klar, dass die US-Behörden die Umsetzung des WTO-Urteils aus dem Jahr 2002 offenbar vorsätzlich verzögern. Der Grund dafür ist politisch: An jedem Tag, an dem Bacardí sein Havana-Club-Plagiat vertreibt, entsteht ein wirtschaftlicher Schaden für das euro-kubanische Mischunternehmen. Während US-Diplomaten vor der Welthandelsorganisation auf den langwierigen Rechtsweg verweisen, klagte die Vertreterin Kubas, Nancy Marigal, bereits vergangenes Jahr einen »Akt der Piraterie« durch die US-Justiz an. Unterstützt wird die EU als Klägerin nicht nur von Kuba: Auch China und zahlreiche lateinamerikanische Staaten haben an der Urteilsverschleppung durch die USA mehrfach harsche Kritik geübt.

Der Streit hat eine starke politische Komponente, die nicht nur mit der Verstaatlichung der Bacardí-Besitztümer auf Kuba zusammenhängt. Der Konzern unterhielt nach der Revolution 1960 enge Kontakte zum rechtsgerichteten kubanischen Exil in den USA. Mehreren führenden Mitgliedern wurden seither wiederholt Kontakte zu antikubanischen Terrorgruppen nachgesagt. Bacardí hat seit 1990 zudem Lobbyarbeit für mehrere Blockadegesetze der USA gegen Kuba betrieben. Kuba-Solidaritätsgruppen riefen deswegen mehrfach zum Boykott der Bacardí-Produkte auf.

Neues Deutschland
Harald Neuber
Neues Deutschland, 03.07.2013