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»Das ist geradezu eine Aufforderung, sie zu töten«

Gespräch. Angela Davis und Lennox Hinds. Über die Abstempelung Assata Shakurs als Terroristin, deren Verhaftung vor 40 Jahren und Rassismus im FBI.

Assata Shakur
Angela Davis (Aufnahme aus den 1970ern)
Foto: jW-Archiv


Die im kubanischen Exil lebende afroamerikanische Revolutionärin Assata Shakur (Archivfoto) wurde Anfang Mai exakt 40 Jahre nach ihrer ursprünglichen Verhaftung auf die FBI-Liste der zehn meistgesuchten Terroristen gesetzt (siehe jW vom 4. Mai). Angela Davis und Lennox Hinds erklärten seinerzeit auf »Democracy Now!« die Hintergründe.

Juan González: Wir befassen uns heute näher mit dem Fall von Assata Shakur, einer legendären Figur der Black Panther Party und der Black Liberation Army. Am 2. Mai 2013 wurde sie als erste Frau auf die Liste der zehn »Most Wanted Terrorists« der US-Bundespolizei FBI gesetzt, und der US-Bundesstaat New Jersey verdoppelte die auf ihre Ergreifung ausgesetzte Belohnung auf zwei Millionen US-Dollar.

Amy Goodman: Dazu sprechen wir hier in New York mit Lennox Hinds, Assata Shakurs langjährigem Verteidiger seit 1973. Er ist Professor für Strafrecht an der Rutgers University. Und in Chicago ist uns die weltbekannte Autorin, Aktivistin und Wissenschaftlerin Angela Davis zugeschaltet, die als Professorin an der University of California in Santa Cruz gelehrt hat. Das FBI haben wir auch eingeladen, aber unsere Anfrage blieb unbeantwortet. Lennox Hinds, was bedeutet es, daß Assata Shakur als erste Frau auf diese FBI-Liste der »meistgesuchten Terroristen« gesetzt wurde?


Lennox Hinds: Ich sehe darin einen hinterhältigen Akt, den der Bundesstaat New Jersey und dessen Staatspolizei vorangetrieben haben. Wie seit Jahrzehnten bekannt ist, fordert die Staatspolizei von der kubanischen Regierung, Assata Shakur an die USA auszuliefern. Es gibt aber kein Auslieferungsabkommen zwischen Kuba und den USA. In Übereinstimmung mit dem Völkerrecht – darin vor allem der Flüchtlingskonvention – hat die kubanische Regierung Assata Shakur politisches Asyl gewährt. So etwas geschieht dann, wenn eine Person die berechtigte Sorge hat, bei ihrer Rückkehr in das Land, aus dem sie fortgegangen ist, wegen ihrer politischen Überzeugungen und/oder ihrer Ethnie oder Religion verfolgt oder angeklagt zu werden.

Das alles ist nichts Neues. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Personen den USA den Rücken gekehrt haben und ins Ausland gegangen sind, auch zu Verbündeten der USA, und daß diese Länder sich geweigert haben, die Flüchtlinge auszuliefern. Zum Beispiel Frankreich in den 1970er Jahren im Fall von Black Panthers, die ein Flugzeug nach Algerien entführt hatten und dann in Frankreich Asyl suchten. Zwischen Frankreich und den USA besteht ein Auslieferungsabkommen. Beide Länder haben 1963 das Abkommen von Tokio, 1970 die Haager Konvention und 1973 das Montrealer Übereinkommen unterzeichnet. Dies sind alles internationale Abkommen, mit denen sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, Personen, die Flugzeuge entführt haben, entweder auszuliefern oder selbst vor Gericht zu stellen. Nachdem Frankreich sich damals eine unabhängige Meinung über die Black Panthers gebildet hatte, weigerte sich die Justiz des Landes, sie an die USA auszuliefern, weil man die Einschätzung hatte, daß ihnen politische und rassistische Repressalien drohten (siehe jW-Schwerpunkt vom 6. Oktober 2011 – d.Red.). Deshalb befindet sich Kuba mit seiner Position im Fall Assata Shakur in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.

Nun zu Ihrer Frage, warum Assata Shakur als Terroristin abgestempelt wird. Wenn wir uns die Definition von Terrorismus ansehen, dann ist das der Einsatz von Gewalt oder deren Androhung gegen eine Zivilbevölkerung zur Durchsetzung politischer Ziele. Was ist nun im Fall von Assata Shakur passiert? Diese Frau war eine politische Aktivistin. Sie stand im Fadenkreuz von J. Edgar Hoover und seiner Bundespolizei FBI im Rahmen eines Programms, das COINTELPRO genannt wurde (»Counter Intelligence Program«, ein verdecktes Antisubversionsprogramm; siehe jW-Thema vom 15. Februar 2012 – d.Red.). Dieses Programm wurde in den 1970er Jahren aufgedeckt durch Senator Frank Church (Demokraten). Er hatte den Vorsitz im Sonderausschuß des US-Senats über die Aktivitäten der Geheimdienste inne. Dieser Ausschuß kam zu dem Schluß, daß das FBI sowohl legale als auch mehrheitlich illegale Methoden anwendete, um – mit den Worten des FBI – »schwarze Haßgruppen zu diskreditieren und den Aufstieg eines schwarzen Messias zu verhindern«. Davor hatte das FBI die größte Angst, es sollte keinen »Mau-Mau-Aufstand« in den USA geben, wie es das FBI nannte. Sie bezogen sich damit auf die frühere afrikanische Befreiungsbewegung in Kenia. Das FBI richtete seine Kampagne nicht nur gegen die Black Panther Party, sondern auch gegen die Southern Christian Leadership Conference (SCLC), Martin Luther King, Harry Belafonte, Eartha Kitt und jeden, der den Kampf um die Bürgerrechte unterstützte und den das FBI als gefährlich einstufte.

In diesem Kontext müssen wir uns genauer ansehen, was sich 1973 auf der New Jersey Turnpike (eine Mautautobahn – d.Red.) ereignete. Assata Shakur, die das FBI unter ihrem Sklavennamen Joanne Chesimard führt, stand auf der Fahndungsliste des FBI und wurde in einer Verkehrskontrolle auf der Autobahn gestoppt. Daß sie angeblich eine »kaltblütige Killerin« gewesen sein soll, wird durch keinen forensischen Beweis gestützt. Der Prozeß hat gezeigt, daß vielmehr sie das Opfer war. Auf sie wurde geschossen, ihr wurde in den Rücken geschossen. Die Kugel trat vorn an der Schulter wieder aus und zerstörte ihr Schlüsselbein. Sie hätte überhaupt keine Waffe auf jemanden richten können. Und sie wurde getroffen, als sie die Hände erhoben hatte. Da ist nicht das Fünkchen eines Beweises, daß sie eine Waffe in der Hand hielt. Es wurden auch keine Schmauchspuren auf ihren Händen oder ihrer Kleidung gefunden. Die Behauptung, sie habe einem Polizisten die Waffe abgenommen und damit auf ihn geschossen, ihn quasi kaltblütig hingerichtet, ist nicht nur falsch, sondern sie dient der Hetze gegen Assata Shakur.

Juan González: Mr. Hinds, die ganze Sache ist jetzt 40 Jahre her – und plötzlich wird Assata Shakur als Terroristin gebrandmarkt, und es wird so getan, als wäre sie noch heute eine Bedrohung für die US-Regierung. Können Sie uns das erklären?

Lennox Hinds: Wir müssen das im Kontext dessen betrachten, was gerade in Boston passiert ist. Unter dem Eindruck des Massakers, das dort angerichtet wurde, wollen FBI und Staatspolizei die öffentliche Meinung gegen Assata aufbringen und sie zur »Terroristin« machen, obwohl das, wofür sie verurteilt wurde, nichts mit Terrorismus zu tun hatte. Wenn man sich die Beweise ansieht, dann ist sie wegen Beihilfe und Begünstigung verurteilt worden, weil sie während des Schußwechsels anwesend war.

Amy Goodman: Lassen Sie mich die Presseerklärung des FBI vorlesen, und dann können Sie darauf reagieren. Es heißt dort: »Am 2. Mai 1973 wurden Chesimard und zwei Komplizen von zwei Polizisten wegen eines Verkehrsdelikts auf dem New Jersey Turnpike angehalten. Zu diesem Zeitpunkt wurde Chesimard – Mitglied einer revolutionären Aktivistenorganisation, bekannt als die Black Liberation Army – wegen ihrer Beteiligung an verschiedenen Straftaten, u.a. wegen Bankraubes, gesucht. Chesimard und ihre Komplizen eröffneten das Feuer auf die Beamten. Einer wurde verletzt, aber sein Partner, der Polizeibeamte Foerster, war aus nächster Nähe erschossen worden. Einer von Chesimards Komplizen wurde bei dem Schußwechsel getötet, und der andere wurde festgenommen und befindet sich immer noch in Haft. Chesimard flüchtete, wurde aber ergriffen.«

Lennox Hinds: Der Chef der Staatspolizei hat eine eigene Erklärung herausgegeben, in der er behauptet, Assata Shakur habe dem Beamten Foerster die Waffe abgenommen und ihn erschossen, während er am Boden lag. Der Prozeß hat das in keiner Weise bestätigt, sie war im Gegenteil nicht in der Lage, ihre Hände zu heben, geschweige denn, eine Waffe abzufeuern.

Zu ihrer Frage, was der Grund dafür ist, diese Unterstellung heute zu verbreiten. Wir müssen uns erinnern, daß die damalige Gouverneurin von New Jersey, Christie Todd Whitman, vor etwas mehr als zehn Jahren eine Belohung von einer Million US-Dollar auf die Ergreifung von Assata Shakur aussetzte. Diese Summe wurde jetzt verdoppelt. Assata Shakur auf die Liste der zehn Meistgesuchten des FBI zu setzen, soll die Öffentlichkeit gegen sie aufhetzen und sie zur Terroristin stempeln, obwohl nichts von dem, was sie gemacht haben soll, etwas mit Terrorismus zu tun hat. Tatsächlich wurde sie in allen Fällen, in denen sie in New York angeklagt worden war, freigesprochen oder die Klagen wurden vom Gericht abgewiesen, eine nach der anderen.

Amy Goodman: Angela Davis, was sagen Sie zu den Meldungen, daß Assata Shakur als erste Frau auf die FBI-Liste gesetzte wurde?

Angela Davis: Zunächst war es ein sehr großer Schock zu hören, daß Assata Shakur als erste Frau auf die FBI-Liste der »meistgesuchten Terroristen« gesetzt wurde, und dann noch mitzubekommen, daß die Belohnung um eine weitere Million US-Dollar erhöht wurde. In diesem Schritt zeigt sich mir die reine Logik des Terrorismus. Ich kann mir nicht helfen, aber für mich sieht es so aus, als ginge es darum, Menschen Angst einzujagen, die sich heute an gesellschaftlichen Kämpfen beteiligen. Vierzig Jahre kommen einem so vor, als wäre das vor sehr langer Zeit gewesen, vier Jahrzehnte eben. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, drehen sich unsere Kämpfe jedoch immer noch um dieselben Themen: Polizeigewalt, Gesundheitsversorgung, Bildung, die Lage der Gefangenen usw. Deshalb ist das für mich weniger ein Angriff auf Assata, auch wenn sie es verdient hätte, wieder nach Hause zurückkehren zu können. Sie hätte es verdient, ihr Leben nach ihren Vorstellungen leben zu können, in Frieden und Gerechtigkeit. Es ist schon erstaunlich, daß sie im Jahr 2013, in dem sie nach wie vor politisches Asyl in Kuba genießt, immer noch von den US-Behörden verfolgt wird. Und die Erhöhung des auf sie ausgesetzten Kopfgeldes ist geradezu eine Einladung an alle, illegal nach Kuba einzureisen, sie zu kidnappen und in die USA zurückzubringen, oder sie zu erschießen. Deshalb war es für mich so unglaublich schockierend, davon zu erfahren.

Juan González: Angela Davis, es ist wohl eine Sache zu sagen: »Wir haben hier den Fall einer Person, nach der immer noch gefahndet wird.« Und eine andere, daß diese Person immer noch eine Bedrohung für die USA darstellt, wenn es aus den letzten 30, 40 Jahren keinerlei Hinweise darauf gibt, daß Assata Shakur sich in irgendeiner Bewegung oder Organisation engagiert hat, deren Aktionen gegen die US-Regierung gerichtet waren, oder?

Angela Davis: Es hat immer den krassen Unterschied gegeben zwischen dem geschützten Bereich der freien Meinungsäußerung – also dem Eintreten für Revolution und radikale Veränderung – einerseits und dem, wie das FBI den Gebrauch dieses Grundrechts als »Terrorismus« darstellt. Sicherlich tritt Assata wie die meisten von uns weiterhin für radikale Veränderungen in diesem Land ein. Auch ich sage weiterhin, daß wir eine revolutionäre Veränderung brauchen. Deswegen sehe ich hinter dem Angriff auf Assata die Logik des Terrorismus, weil es offensichtlich darum geht, gerade heute jungen Leuten Angst einzujagen, die sich an dem radikalen Aktivismus beteiligen könnten, der zu einer Veränderung führt.

Aber Sie haben völlig Recht, Assata ist keine Bedrohung. Hier geht es um eine Hetzkampagne. Sie ist unschuldig, und viele von uns haben sich die Beweise gegen sie genau angesehen. Wenn man sie also als eine Person darstellt, die weiterhin eine Bedrohung für die US-Regierung sein soll, dann sehe ich darin das Bemühen, Furcht zu erzeugen in den Herzen junger Leute, die aktiv an den Kämpfen teilnehmen könnten, für die Assata Shakur historisch steht und die heute noch aktuell sind. Der Kampf gegen die Polizeigewalt geht beispielsweise weiter. Bedenken Sie nur, wie viele Menschen in den letzten Jahren von der Polizei umgebracht wurden. Ich denke dabei an Kimani Gray aus New York, an Alan Blueford und Oscar Grant, beide aus Oakland. Ich denke an die etwa 63 Menschen, die allein im letzten Jahr von der Polizei in Chicago getötet wurden.

Amy Goodman: Lennox Hinds, wenn jemand auf die FBI-Liste der »meistgesuchten Terroristen« gesetzt wird, was ist dann von der US-Regierung zu erwarten? Könnte sie ihre Spezialkräfte irgendwo eindringen lassen, wie es beispielsweise in Pakistan mit Osama bin Laden geschehen ist?

Lennox Hinds: Angela hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Assata Shakur auf die Liste zu setzen ist eine offene Einladung, nicht nur im Hinblick auf die US-Regierung, sondern für jedermann in Kuba und anderswo, das Recht in die eigene Hand zu nehmen und Assata nicht nur zu ergreifen und zurück in die USA zu bringen, sondern sie zu töten. Das ist geradezu eine Aufforderung. Kuba wird von den USA beschuldigt, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. Und wenn wir uns dann die Rolle der USA und der US-Regierung gegenüber Kuba ansehen, stellen wir fest, daß die US-Regierung und die CIA Personen ermuntert, trainiert und ausgesandt haben, um nicht nur die kubanische Wirtschaft zu sabotieren, indem Touristen getötet, Bomben in Restaurants und Hotels gelegt wurden, sondern auch um Fidel Castro zu ermorden. Darunter sind Individuen, die zugegeben haben, im Oktober 1976 eine kubanische Verkehrsmaschine durch einen Bombenanschlag zum Absturz gebracht zu haben. Ich spreche hier von Luís Posada Carriles. Dieser Mann, trainiert von der CIA, hat das offen zugegeben, und die USA gewähren ihm Unterschlupf. Als er in den USA ausfindig gemacht wurde, hat die US-Justiz ihn dann wegen dieser Verbrechen belangt? Nein. Sie haben ihn unter einem Vorwand nur dafür angeklagt, daß er gegenüber dem FBI gelogen haben soll. Und von diesem Vorwurf wurde er freigesprochen.

Amy Goodman: Lennox Hinds, wegen der Haftbedingungen, denen Assata Shakur nach ihrer Verhaftung unterworfen war, sind Sie vor Gericht gezogen. Beschreiben Sie bitte, was mit ihr nach der Verhaftung geschah. Sie war dem Tod damals doch sehr nah, oder?

Lennox Hinds: Ja, sie war dem Tod sehr nah. Sie war an ihr Krankenbett gefesselt. Nachdem es ihr besser ging, wurde sie in ein Männergefängnis verlegt. Sie stand unter 24stündiger Dauerbeobachtung durch männliche Wärter, die sie in dieser Zeit bei all ihren persönlichen Verrichtungen beobachteten und überwachten. Wir zogen vor ein Bundesgericht und klagten gegen ihre Haftbedingungen, unter denen sie dort zwei Jahre lang isoliert war. Wir hatten Erfolg mit unserer Klage. Das Justizvollzugsamt von Middlesex County wurde dadurch gezwungen, sie in ein Frauengefängnis zu verlegen.

Amy Goodman: Angela Davis, können Sie uns etwas über ihre eigenen Erfahrungen erzählen, die Sie ungefähr zu der Zeit durchliefen, als auch Assata Shakur verfolgt wurde?

Angela Davis: Ja, das stimmt. Und ich finde es wirklich sehr interessant, daß das FBI sich damals ganz besonders auf schwarze Frauen konzentrierte, weil sie befürchteten, daß die Bewegung weiterhin wachsen und sich entwickeln würde und daß daran schwarze Frauen und ihre Führerschaft einen wesentlichen Anteil hätten. Ich wurde als Ziel ausgemacht, als ideologisches Ziel, auf die gleiche Weise, wie Assata Shakur die »Glucke« der Black Liberation Army genannt wurde. Die Art, wie sie dargestellt wurde, wurde zu einer Einladung für Rassisten und jeden, der damit einverstanden war, wie sich der Staat mit seiner repressiven Haltung vor allem auf sie einschoß und voller Haß und mit einer Hetzkampagne gegen sie vorging.

Es überrascht mich wirklich, daß es heute zu einer Zeit, in der sich die Enkel der Aktivisten der späten 1960er und frühen 1970er Jahren in ähnlichen Bewegungen engagieren, Bemühungen gibt, erneut diese jungen Leute zu terrorisieren, indem man so eine wichtige Führungsfigur wie Assata Shakur als Terroristin hinstellt. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich auch sehr überrascht war nach den Bombenanschlägen auf den Boston-Marathon, als es noch vor der Benennung der Tsarnaev-Brüder als mutmaßliche Täter den Versuch gab, den Bombenleger in der Fahndung entweder als einen »schwarzen Mann« oder einen »dunkelhäutigen Mann mit Kapuze« zu beschreiben. Diese Rassifizierung von dem, was als »Terrorismus« dargestellt wird, ist der Versuch, den alten Rassismus mit den Methoden der Unterdrückung des 21. Jahrhunderts in Einklang zu bringen.

Und ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Daß nämlich zur selben Zeit, als Assata Shakur als erste Frau auf die Liste der zehn »meistgesuchten Terroristen« gesetzt wird, die »Cuban Five« als kubanische Bürger, die versucht haben, terroristische Angriffe auf ihr Heimatland zu verhindern, immer noch in Gefängnissen der USA festgehalten werden.

Amy Goodman: Zum Schluß noch die Frage an Sie, Lennox Hinds, als Assata Shakurs Anwalt: Können Sie irgend etwas dagegen tun, daß sie als »Terroristin« auf die Liste gesetzt wurde? Kann man dagegen Widerspruch einlegen?

Lennox Hinds: Nein, es gibt keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen, wenn jemand auf die Terroristenliste gesetzt wird. Das ist ein politischer Akt, und dieser Schritt ist vom Bundesstaat New Jersey vorangetrieben worden und von ein paar Kongreßmitgliedern aus Miami. Dahinter steckt die klare Absicht, die kubanische Regierung unter Druck zu setzen und die Öffentlichkeit aufzuhetzen.

Amy Goodman: Ich danke Ihnen beiden sehr für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten Amy Goodman und Juan Gonzáles; das hier gekürzt veröffentlichte Transkript erschien zuerst am 3. Mai 2013 auf der Website »Democracy Now!« (www.democracynow.org )
Übersetzung: Jürgen Heiser


Assata Shakur wurde am 16. Juli 1947 als JoAnne Deborah Byron im Stadtteil Jamaica von New York geboren. Ab ihrem dritten Lebensjahr lebte sie mit ihrer Familie in Wilmington, North Carolina, später wieder in New York. Durch Heirat kam sie zu dem durch die FBI-Fahndung bekannten Nachnamen Chesimard. Als politische Aktivistin nahm sie wie viele andere Mitglieder der Black Panther Party einen afrikanischen Namen an: Assata Olugbala Shakur. Assata steht für »die Kämpfende«, Olugbala für »Liebe zum Volk« und Shakur für »die Dankbare«.

Bei einer als Verkehrskontrolle getarnten Verhaftung dreier untergetauchter Mitglieder der Black Panther Party am 2. Mai 1973 wurde Assata Shakurs Lebensgefährte Zayd Malik Shakur erschossen und Sundianta Acoli (geb. 1939) verhaftet und wegen Mordes an dem Polizisten Foerster zu lebenslang plus 30 Jahre verurteilt. Seine Entlassung auf Bewährung lehnt die US-Justiz seit 1992 mit Verweis auf seine ungebrochene politische Überzeugung ab.

Assata Shakur wurde nach sechseinhalb Jahren Haft am 2. November 1979 aus dem Gefängnis befreit. Nach Jahren im Untergrund erhielt sie 1984 politisches Asyl in Kuba, wo sie auch ihre Autobiographie »Assata« schrieb, die seit 1987 in mehreren Sprachen erschien (auf deutsch 1990 und 1996). Kuba ehrt sie als Repräsentantin des schwarzen Amerika, ermöglichte ihr ein Hochschulstudium und unterstützt sie z.B. beim Organisieren von Konferenzen über das politische Erbe von Malcolm X oder die politischen Gefangen der USA. Die kubanische Regierung lehnt ihre Auslieferung an die USA unter Berufung auf das Völkerrecht strikt ab. (jh)

www.assatashakur.org
www.sundiataacoli.org

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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junge Welt, 08.06.2013