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»Kubas Oppositionelle sollten mit offenen Karten spielen«

Finanzierung aus dem Westen: In jedem anderen Staat gäbe es schnell Probleme mit dem Fiskus oder anderen Behörden. Gespräch mit Norman Paech

Norman Paech ist emeritierter Professor für Internationales Recht an der Universität Hamburg, er war von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter der Linkspartei


Am 12. September 1998 wurden in den USA fünf Männer aus Kuba verhaftet, die Gruppen von Castro-Gegnern in Miami unterwandert hatten, um weitere Anschläge solcher Leute gegen ihr Land zu verhindern. Sie haben die Verfahren gegen die »Cuban Five« beobachtet. Stimmt es, daß einer der Vorwürfe Täuschung bei der Einreise war?

Ja, das war ein wesentlicher Punkt vor Gericht. Den Kubanern, die umfangreiche Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten und Pläne exilkubanischer Gruppen in Miami gewonnen und Teile ihrer Ermittlungsergebnisse übrigens selbst den US-Behörden offengelegt hatten, wurde im Prozeß vorgehalten, daß sie ihr Vorhaben bei der Einreise nicht angegeben hätten. Dabei sind den fünf nie irgendwelche Aktivitäten gegen die Sicherheit der USA oder die Interessen der US-Regierung nachgewiesen worden.

Die deutschen Mainstream-Medien haben über diesen Fall so gut wie gar nicht berichtet – wäre das gleiche aber in Kuba geschehen, wäre der Aufschrei groß gewesen. ángel Carromero, ein führender Politiker der Jugendorganisation der Regierungspartei Spaniens ist 2012 als Tourist in Kuba eingereist – hatte tatsächlich aber den Auftrag, eine Opposition aufzubauen. Weil er einen Unfall verursachte, durch den zwei Menschen starben, ist daraus nicht geworden. Ist das politisch und rechtlich nicht schwerwiegender als die Vorwürfe gegen die »Cuban Five«?

Die hiesigen Medien messen offenbar mit zweierlei Maß. Wer in Kuba als Tourist einreist, tatsächlich aber Gegner des dortigen Systems mit Geld versorgt und sich aktiv an verfassungsfeindlichen Aktivitäten beteiligt, verstößt gegen die Gesetze des Landes. Es ist politisch sicher nicht akzeptabel, wenn aktive Politiker der Regierungspartei eines EU-Mitgliedslandes ganz offen die Gesetze eines souveränen Staates und die UN-Charta mißachten. Denn in der Entsendung eines führenden Politikers der Regierungspartei mit subversivem Auftrag kann man auch die Verletzung des Interventionsverbots gemäß Artikel 2 Ziffer 7 der UN-Charta sehen. Daß Kuba dieses Vergehen nicht strafrechtlich sanktioniert hat, sondern nur das Verkehrsdelikt mit Todesfolge, war eine großzügige Geste.

Die zur Zeit um die Welt reisende Systemgegnerin Yoani Sánchez soll beträchtliche Einnahmen haben. Wenn man nur die Dotierungen ihrer zahlreichen Preise addiert, kommt ein sechsstelliger Betrag heraus. Sie verweigert aber jede Auskunft über ihr Vermögen. Wäre das auch in Deutschland möglich?

Gegenüber Privatleuten, der Öffentlichkeit oder den Medien muß natürlich auch in Deutschland niemand seine Vermögensverhältnisse offenbaren. Dem Staat und den Finanzbehörden gegenüber besteht dagegen eine Auskunftspflicht. Das weiß jeder, der hier zur Steuer veranlagt wird. Man muß dem Finanzamt nicht nur exakt melden, wieviel Vermögen man – auch auf ausländischen Konten – besitzt, sondern gegebenenfalls auch nachweisen, woher das Geld stammt. Wer nicht kooperiert, muß mit empfindlichen Sanktionen rechnen. Ich würde auch den kubanischen Oppositionellen raten, mit offenen Karten zu spielen – über sie wird ja oft berichtet, sie wüßten nicht, wovon sie am nächsten Tag ihre Tomaten bezahlen sollen.

Frau Sánchez arbeitet unter anderem regelmäßig für die spanische Tageszeitung El Pais und für die Interamerikanische Pressegesellschaft SIP, den Verband der privaten Medienunternehmer Lateinamerikas. Müßte sie bei uns solche – aus dem Ausland gezahlten! – Einnahmen angeben und versteuern?

Selbstverständlich, die Steuerpflicht gilt auch für im Ausland erzielte Einkünfte. Ich habe kürzlich ein Honorar aus der Schweiz erhalten, das ich natürlich hier versteuert habe. Sonst wäre es Steuerhinterziehung, und bei größeren Beträgen, Vorsatz und Wiederholung ein Straftatbestand. Wenn Frau Sánchez oder andere über solche Einkünfte verfügen und diese auf ausländischen Banken anlegen, haben sie großes Glück, daß sie in Kuba leben, wo der Fiskus offenbar sehr viel liberaler ist als bei uns. Würden sie ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland, Europa oder den USA haben, müßten sie entweder ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse deklarieren und darauf Steuern und Abgaben zahlen oder sie wären mit einem Bein im Gefängnis.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Interview: Volker Hermsdorf
junge Welt, 23.03.2013