Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
Vierzig Fragen an Yoani Sánchez, die die Medien ihr nicht stellen
Am 22. Februar stellte die digitale chilenische Zeitung "Clarín" der kubanischen "Bloggerin" Yoani Sánchez einige Fragen, die – auch ohne Antworten – erhellen, was sich hinter der Staroppositionellen verbirgt, die derzeit auf Auslandsreise ist, u.a. in Deutschland.
1. Wer organisiert und finanziert Ihre Weltreise?
2. Im August 2002 haben Sie Kuba nach Ihrer Hochzeit mit dem Deutschen Karl G. verlassen, "ein riesiges Gefängnis mit ideologischen Mauern", um in die Schweiz zu gehen. Gegen jede Erwartung entschieden Sie sich 2004 nach Kuba zurückzukehren, wo "die Schattenwesen sich wie Vampire von unserer menschlichen Freude ernähren, uns die Angst mit Schlägen, Drohungen und Erpressung einimpfen". Welche Gründe hatten Sie dafür?
3. Nach Angaben der kubanischen diplomatischen Dienste in Bern und der kubanischen Migrationsbehörden, haben Sie die Rückkehr nach Kuba wegen Ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Schweiz beantragt. Ist das die Wahrheit?
4. Wie konnten Sie Karl G. heiraten, wenn Sie doch damals schon mit Ihrem jetzigen Ehemann Reinaldo Escobar verheiratet waren?
5. Ist es immer noch Ihr Ziel auf Kuba "einen eigenständigen Kapitalismus" zu etablieren?
6. Sie haben 2007 Ihren Blog "Generation Y" geschaffen. Am 4. April 2008 erhielten Sie von der spanischen "El País" dafür den Journalismuspreis "Ortega y Gasset" und 15 000 Euro. Eigentlich bekommen diesen Preis bekannte Journalisten oder Schriftsteller mit langer Karriere – erstmals bekam ihn eine Person Ihres Profils. Sie wurden von "Time" 2008 in die hundert einflussreichsten Personen der Welt eingruppiert. Ihr Blog kam in die CNN- und Time-Liste der 25 besten Blogs der Welt, und außerdem bekamen Sie den spanischen "Bitacoras.com"-Preis und den von "The Bob’s". "El País" zählte sie im gleichen Jahr zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Lateinamerikas. "Foreign Policy" erhob Sie ebenfalls 2008 zu den zehn wichtigsten Intellektuellen der Welt. (…) Wie erklären Sie sich diese Lawine von Preisen, begleitet von wichtigen Geldprämien, nach nur einem Jahr Existenz des Blogs?
7. Wem widmen Sie die 250 000 Euro, die Sie dadurch bekamen – dem Äquivalent von 20 Jahren Mindesteinkommen in Frankreich bzw 1488 Jahren Mindesteinkommen in Kuba?
8. Die Interamerikanische Pressegesellschaft, in der die großen, privaten Medienkonzerne des Kontinents sind, entschied Sie zur regionalen Vizepräsidentin für Kuba der "Kommission für Presse- und Informationsfreiheit" zu machen. Wieviel erhalten Sie dafür monatlich?
9. Sie sind auch Korrespondentin von "El País". Was ist das monatliche Salär?
10. Wieviele Eintrittskarten ins Kino oder Theater, wieviele Bücher, Monatsmieten oder Pizzen können Sie von ihren monatlichen Einkünften bezahlen?
11. Wie können Sie vorgeben die Kubaner zu repräsentieren, wenn Sie ein Lebensniveau haben, das sich niemand auf Kuba erlauben kann?
12. Wie können Sie sich in das Internet einloggen, wenn Sie gleichzeitig sagen, dass Kubaner keinen Internetzugang haben?
13. Wie ist es möglich, dass Ihr Blog PayPal nutzen kann, ein Online-Zahlungssystem, das wegen der Wirtschaftssanktionen kein Kubaner im Land nutzen kann, weil u.a. der elektronische Handel verboten ist?
14. Wie können Sie über ein Copyright (© 2009 Generación Y – All Rights Reserved) für Ihren Blog verfügen, wo doch kein anderer kubanischer Blogger so etwas erhält?
15. Wer steckt hinter der Website "desdecuba.net (dt: "aus Kuba"), deren Server in Deutschland von dem Unternehmen Cronos AG Regensburg betrieben und unter dem Namen Josef Biechele registriert wird, der daneben rechtsextreme Websites hostet?
16. Wie konnten Sie Ihre Domain-Registrierung über die US-amerikanische Firma GoDady erhalten, wo das doch die Gesetzgebung über die Wirtschaftssanktionen verbietet?
17. Ihr Blog ist in nicht weniger als achtzehn Sprachen abrufbar (englisch, französisch, italienisch, deutsch, portugiesisch, russisch, slowenisch, polnisch, chinesisch, japanisch, litauisch, tschechisch, bulgarisch, niederländisch, finnisch, ungarisch, koreanisch und griechisch). Keine andere Website in der Welt, auch nicht die der wichtigsten internationalen Institutionen wie z.B. der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds, der OECD oder der Europäischen Union, verfügen über so viele Sprachversionen. Nicht einmal die Website des Außenministeriums der USA oder der CIA – wie finanzieren Sie die Übersetzungen?
18. Wieso hat Ihr Blog eine sechzig Mal größere Bandbreite als es Kuba für alle Internet-User ermöglichen kann?
19. Wer zahlt die Administration von monatlich 14 Millionen Besuchen auf der Seite?
20. Sie haben über 400 000 Twitter-Freunde. Kaum hundert davon leben auf Kuba. Sie kontaktieren mehr als 80 000 Menschen. Sie sagen "Ich twittere über SMS ohne Webzugang". Wie können Sie ohne Internetzugang mit mehr als 80 000 Personen Kontakt pflegen?
21. Die Website www.followerwonk.com ermöglicht das Profil von Twitter-Nutzern zu analysieren. Es zeigt ab 2010 eine beeindruckende Aktivität in Ihrem Account. Ab Juni 2010 haben Sie sich in mehr als zweihundert Twitter-Accounts täglich angemeldet, mit Spitzen von siebenhundert in einem Tag. Wie konnten Sie solch eine Leistung vollbringen?
22. Warum sind etwa 50 000 Ihrer Partner in Wahrheit Geister-Accounts? Von den 400 000 Profilen des Accounts @yoanisanchez sind 27 012 ohne Fotos und 20 000 zeigen kaum Aktivität im Netz (d.h. null bis drei verschickte Nachrichten seit der Gründung des Zugangs).
23. Wie ist es möglich, dass viele Twitter-Accounts keine "Freunde" haben, sondern nur Ihren Nachrichten folgen und dahin über zweitausend Nachrichten gesandt haben? Geschieht das, um eine Scheinpopularität zu erzeugen und wer zahlte die Schaffung der Scheinaccounts?
24. 2011 haben Sie 400 Nachrichten pro Monat verschickt. Der Preis einer Nachricht ist auf Kuba umgerechnet 1,25 Dollar. Sie haben also 6 000 Dollar im Jahr für Twitter ausgegeben. Wer hat dafür bezahlt?
25. Wie kann es sein, dass Präsident Obama Ihnen ein Interview gewährt hat, wo er doch hunderte Anfragen der wichtigsten Medien der Welt erhält?
26. Sie haben öffentlich gesagt, dass Sie nach Barack Obamas Antworten Präsident Raúl Castro eine Bitte um ein Interview geschickt haben. Andererseits erläutert ein offizielles Dokument des Chefs der US-Diplomatie auf Kuba, Jonathan D. Farrar, dass Sie nie an Raúl Castro geschrieben haben: "Sie hat keine Antwort von ihm erwartet, weil sie zugab, dass sie ihm nie geschrieben hatte." Warum haben Sie gelogen?
27. Warum verheimlichen Sie ihre Treffen mit den US-Diplomaten in Havanna, wo Sie in Ihrem Blog doch sonst so ausdrucksstark sind?
28. Zwischen dem 16. und dem 22. September 2010 haben Sie sich in Ihrer Wohnung heimlich mit der Unterstaatssekretärin des US-Außenministeriums, Bisa Williams, getroffen, wie die Wikileaks-Dokumente besagen. Warum haben Sie dieses Treffen verheimlicht? Worüber sprachen Sie?
29. Michael Parmly, ehemalige Chef der US-Diplomatie auf Kuba, sagt, dass er sich regelmäßig mit Ihnen in seiner Residenz getroffen hat. Er äußerte in einem Interview seine Sorge über die Wikileaks-Veröffentlichungen über die US-Diplomatie: "Sie könnte ihr ganzes Leben die Konsequenzen dafür tragen müssen." Was sind die Gründe, weshalb Sie Probleme mit der kubanischen Justiz haben sollten, wenn Sie, wie Sie sagen, im Rahmen der Gesetze agieren?
30. Denken Sie immer noch, dass "viele lateinamerikanische Schriftsteller den Literaturnobelpreis mehr verdienen würden als Gabriel García Márquez"?
31. Glauben Sie immer noch, dass es unter der Diktatur von Fulgencio Batista zwischen 1952 und 1958 "pluralistische und offene Pressefreiheit und Radioprogramme aller politischen Tendenzen" gab?
32. Sie sagten 2010: " Die Blockade ist das perfekte Argument der kubanischen Regierung gewesen um die Intoleranz, die Kontrolle und die interne Repression aufrecht zu erhalten. Wenn morgen die Sanktionen aufgehoben würden, würde ich anzweifeln, dass man die Effekte sehen könnte." Sind Sie immer noch überzeugt, dass die Wirtschaftssanktionen keine Wirkung auf die kubanische Bevölkerung haben?
33. Verurteilen Sie die Wirtschaftssanktionen der USA gegen Kuba?
34. Verurteilen Sie die Politik der Vereinigten Staaten für einen Regierungswechsel auf Kuba im Namen der Demokratie, während diese die schlimmsten Diktaturen des Nahen Ostens unterstützen?
35. Sind Sie für die Auslieferung von Luis Posada Carriles, Exilkubaner und ehemaliger CIA-Agent, der für mehr als hundert Morde verantwortlich ist, seine Verbrechen öffentlich zugegeben hat und dank des Washingtoner Schutzes frei in Miami lebt?
36. Sind Sie für die Rückgabe der USA-besetzten Marinebasis in Guantánamo?
37. Sind Sie für die Befreiung der fünf kubanischen politischen Gefangenen, die seit 1998 in den USA inhaftiert sind, weil sie sich in terroristische Organisationen von Exilkubanern in den USA eingeschleust hatten?
38. Finden Sie es normal, dass die USA eine innere Opposition auf Kuba finanzieren um einen "Regimewechsel" zu erreichen?
39. Was sind nach Ihrer Meinung die Errungenschaften der Kubanischen Revolution?
40. Welche Interessen stehen hinter Ihrer Person?
Leicht gekürzte Übersetzung: G. Pohl
Unsere Zeit, 01.03.2013