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Kulturell, in erster Linie
Rekordzahlen in Havanna: Heute eröffnet die Internationale Buchmesse
Die Internationale Buchmesse ist das literarische Ereignis des Jahres auf der sozialistischen Karibikinsel. Am heutigen Donnerstag öffnet die ehemalige Festung La Cabaña in Havanna ihre Tore für die 22. Ausgabe der »Feria Internacional del Libro«. Sie kann gleich mit mehreren Superlativen aufwarten. So bringen allein die 40 kubanischen Verlage mit mehr als tausend Neuerscheinungen mehr Lesestoff auf die Messe als je zuvor. Wie die Präsidentin des Kubanischen Buchinstituts (ICL), Zuleica Romay, in der vergangenen Woche in Havanna mitteilte, stehen den Besuchern damit rund 3500 verschiedene Titel in insgesamt über vier Millionen Exemplaren zur Verfügung. ICL-Vizepräsident Edel Morales ergänzte, daß für das Rahmenprogramm 390 Autoren und Intellektuelle aus 37 Ländern ihre Teilnahme zugesagt hatten.
Gewidmet ist die Buchmesse in diesem Jahr dem in Uruguay geborenen und seit 1969 in Havanna lebenden Schriftsteller Daniel Chavarria, Träger des Nationalpreises für Literatur 2010, sowie dem Nationalpreisträger für Sozialwissenschaften des gleichen Jahres, Pedro Pablo Rodríguez. Eine besondere Ehrung erweist die Feria auch dem Schriftsteller, Freiheitskämpfer und Nationalhelden José Martí, dessen 160. Geburtstag am 28. Januar begangen wurde. Sein Leben und Werk sind Thema zahlreicher Veranstaltungen in der Festung und anderen kulturellen Einrichtungen der Stadt.
Am Sonntag steht die Übergabe des am 18. Dezember vom Buchinstitut verliehenen Nationalpreises für Literatur 2012 auf dem Programm. Er geht diesmal an den 57jährigen Schriftsteller, Journalisten und Literaturkritiker Leonardo Paduro, der zu den meistgelesenen zeitgenössischen Autoren Kubas gehört.
Mit Angola wird zum ersten Mal ein afrikanisches Land als Ehrengast der Buchmesse geehrt. Der Vertreter des angolanischen Kulturministeriums, Jorge Gumbe, erklärte letzte Woche, daß zur Messe in Havanna 18 neue Werke von Schriftstellern der südwestafrikanischen Nation verlegt worden seien. In der kubanischen Literatur ist der afrikanische Einfluß traditionell stark ausgeprägt. Seit der militärischen Hilfe im Kampf gegen das südafrikanische Apartheidregime fühlen sich beide Länder freundschaftlich verbunden.
Auch aus Deutschland werden wieder mehrere Verlage und Organisationen teilnehmen, unter ihnen das Netzwerk Cuba, die über deutschsprachige Literatur und Publikationen sowie über die Solidaritätsarbeit in der Bundesrepublik informieren wollen. Im vergangenen Jahr waren in Havanna 210 deutsche Verlage mit knapp 600 Titeln vertreten. Das war nicht immer so. Im Jahr 2004 sollte die Bundesrepublik Ehrengastland der Buchmesse sein, doch Berlin verhängte damals einen Boykott gegen die Insel. Dagegen wurden junge Welt, Gewerkschaften und Kuba-Solidaritätsgruppen aktiv und mobilisierten mehr deutsche Verlage als je zuvor zu einem gemeinsamen Auftritt in Havanna. Diese alternative Präsenz wurde auch in den folgenden Jahren aufrechterhalten, auch nachdem die Buchmesse Frankfurt als »offizielle« Vertretung Deutschlands ab 2008 auf La Cabaña zurückkehrte.
Im vergangenen Jahr hat die Messe allein in der Hauptstadt 270000 Menschen angezogen, die dort rund 600000 Bücher kauften. »Für uns ist das Buch nicht nur ein kommerzielles, sondern in erster Linie ein kulturelles Produkt«, hatte Messedirektor Eduardo Fernández zum Abschluß der letzten »Feria del Libro« Bilanz gezogen. Wenn in diesem Jahr die Buchmesse am 24. Februar mit einer Abschlußveranstaltung auf der historischen Festungsanlage in Havanna beendet wird, zieht sie anschließend wieder bis zum 10. März durch alle Provinzhauptstädte des Landes und macht die Literatur der Insel auch denen zugänglich, die nicht eigens in die Metropole reisen können.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.02.2013