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Lohn für Todesfahrer

Spanien: PP-Jungpolitiker kriegt Haftverschonung und 50000 Euro im Jahr

Der am 29. Dezember aus Kuba nach Spanien abgeschobene Jungpolitiker Ángel Carromero Barrios von der rechten Volkspartei (PP) sorgt nun in seinem Heimatland für Wirbel. Auf der Karibikinsel war er wegen fahrlässiger Tötung zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden, weil er einen Autounfall verschuldet hatte, bei dem die kubanischen »Dissidenten« Oswaldo Payá und Harold Cepero getötet worden waren. Die kubanischen Behörden überstellten ihn entsprechend eines bilateralen Abkommens mit Madrid zur weiteren Verbüßung der Strafe in sein Heimatland. In Spanien mußte er jedoch nur 13 Tage hinter Gittern verbringen und wurde am 11. Januar in den offenen Vollzug überstellt. Zuvor statteten ihn seine Parteifreunde noch mit einem gut bezahlten Job aus: Für ein Jahresgehalt von mehr als 50000 Euro berät Carromero nun die Madrider Stadträtin Begoña Larráinzar, die natürlich ebenfalls der PP angehört.

Große Teile der spanischen Öffentlichkeit sind wegen dieser »Kumpanei der politischen Rechten« außer sich. Mit 278 Kommentaren verzeichnete zum Beispiel die linksliberale Internet­zeitung Público am vergangenen Freitag nach der Meldung über den Freigang des Delinquenten eine der heftigsten Leserreaktionen der letzten Zeit. Der Fall ist sogar für die durch Skandale der Monarchenfamilie und Vetternwirtschaft der Politiker abgehärteten Spanier ein Erregerthema.

Der 27jährige Carromero ist stellvertretender Vorsitzender der PP-Jugendorganisation »Nuevas Generaciones« in Madrid. Am 19. Juli vergangenen Jahres war er als »Tourist« in Havanna eingereist. Tatsächlich hatte er aber den Auftrag, kubanischen Systemgegnern Geld und Material für den Aufbau einer regierungsfeindlichen Jugendorganisation zu überbringen. Am 22. Juli verursachte der Nachwuchsagent am Steuer eines Mietwagens mit überhöhter Geschwindigkeit den tragischen Verkehrsunfall, wofür er dann am 15. Oktober in Kuba zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.

Unmittelbar nach seiner Überstellung nach Spanien wurde der Jungpolitiker im Gefängnis von Esperanza Aguirre, der einflußreichen Vorsitzenden der PP in der Hauptstadt Madrid, aufgesucht. Aguirre gehört neben dem früheren Ministerpräsidenten José Maria Aznar zu den politischen Förderern des Todesfahrers. Beide Politiker gehören zum rechten Rand der Volkspartei und unterstützen als fanatische Antikommunisten faschistoide Organisationen vor allem in Lateinamerika. Zu ihrem Programm gehört unter anderem die Entsendung von Nachwuchskadern wie Carromero zu »Missionen« nach Kuba.

Der Jungagent besaß schon zum Zeitpunkt seiner Reise nach Kuba nach über 40 teils schweren Verkehrsdelikten in Spanien keine Fahrerlaubnis mehr. Und das spanische Recht sieht für fahrlässige Tötung ein ähnliches Strafmaß wie das kubanische vor. Trotzdem erklärte Aguirre nach ihrem Besuch in der Haftanstalt in Madrid, daß ihr Zögling »kein Delinquent« sei und nicht ins Gefängnis gehöre. Kurz darauf beantragten Carromeros Anwälte die Verlegung in den offenen Vollzug und verwiesen darauf, daß er über eine feste Arbeit verfüge. Tatsächlich konnte der Verurteilte eine Anstellung als »technischer Berater« in der Gemeinde von Madrid – deren Präsidentin bis September letzten Jahres Esperanza Aguirre war – mit einem Jahresgehalt von 50474 Euro nachweisen.

»Ein Mißbrauch und völlig unangemessen«, empört sich darüber Luis Miguel López-Reillo, der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes UGT. In dem krisengebeutelten Land, das mit rund 25 Prozent die höchste Arbeitslosenquote Europas hat, Arbeitern und Angestellten die Bezüge kürzt, Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen schließt sowie Rentner massenhaft in Altersarmut stürzt, kommt eine derartige Belohnung für den Contra-Einsatz an der Kubafront nicht besonders gut an.

Dank seiner Freunde und Förderer in der Volkspartei darf sich der führerscheinlose Todesfahrer nicht nur über das fürstliche Gehalt, sondern trotz des von Spanien anerkannten Urteils auch über weitere Privilegien freuen. Derzeit muß er nur von Montag bis Donnerstag die Nächte im Gefängnis verbringen, ansonsten kann er sich frei bewegen. Anwälte und PP arbeiten bereits an einer »Lösung«, nach der Carromero bald – nur mit einer elektronischen Fußfessel versehen – überhaupt nicht mehr hinter Gitter muß.

Die anderen 2443 Spanier, die nach einer Meldung der spanischen Nachrichtenagentur EFE in verschiedenen Ländern der Welt im Gefängnis sitzen, können von so einer Behandlung nicht einmal träumen. Wenn sich die Regierung überhaupt für sie einsetzt, dauert deren Überstellung in der Regel zwischen einem und eineinhalb Jahren. Carromero mußte auf seine Ausweisung aus Kuba dagegen nicht einmal zweieinhalb Monate warten.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 17.01.2013