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Seemacht Kuba
Parlament in Havanna berät über Millioneninvestitionen. Karibikinsel will eigene Handelsflotte wiederaufbauen.
Auf der Tagesordnung des kubanischen Parlaments standen am gestrigen Donnerstag bei seiner letzten Sitzung vor den Neuwahlen im Februar geplante Millioneninvestitionen in die maritime Wirtschaft des Landes. Die sozialistische Antilleninsel will die während der »Besonderen Periode« nach dem Untergang der Sowjetunion verlorenen Kapazitäten in den Bereichen Häfen, Werften und Schiffahrt zurückgewinnen. Auf einer Sitzung des Ministerrats hatte Wirtschaftsminister Adel Yzquierdo Rodríguez Anfang Dezember bereits für 2013 erste Ergebnisse in Aussicht gestellt.
Unter anderem will Kuba den Seetransport wieder mit eigenen Schiffen bewältigen. Als ehrgeiziges Ziel hatte der stellvertretende Transportminister Lázaro Gonzales Ende November auf einem internationalen maritimen Symposium in Havanna angekündigt, daß sein Land in drei Jahren wieder über eine Handelsflotte wie in den 80er Jahren verfügen werde. In China seien zehn jeweils 45000 Tonnen tragende Container- und Frachtschiffe für den weltweiten Einsatz bestellt worden, von denen vier bereits ausgeliefert wurden. In den kommenden Jahren sei darüber hinaus die Anschaffung von sieben Tank- sowie fünf Frachtschiffen für Routen in der Karibik und für die Küstenschiffahrt geplant. In Kuba selbst würden zur Zeit auf eigenen Werften 32 ältere Schiffe modernisiert. Die Reparatur weiterer 48 sei für das nächste Jahr geplant. Mit dem Wiederaufbau und der Modernisierung der Flotte wollen die kubanischen Politiker auch hohe Frachtkosten einsparen, um die knappen Devisen in lukrativen Bereichen, wie andere zukunftsweisende maritime Projekte, investieren zu können.
Das anspruchsvollste Projekt ist derzeit der Ausbau eines Areals im knapp 50 Kilometer westlich von Havanna gelegenen Mariel zur Sonderentwicklungszone. Hier entsteht in einem Joint Venture mit Brasilien der größte Industriehafen der Karibik. Der erste Abschnitt des insgesamt auf 800 Millionen US-Dollar kalkulierten Projektes soll 2014 in Betrieb genommen werden. Nach der Fertigstellung wird der Tiefseehafen Mariel die modernsten Kai- und Umschlagsanlagen der Region haben, die auch für die – nach Erweiterung des Panama-Kanals – zu erwartenden Superschiffe ausgelegt sind. Das derzeit im Aufbau befindliche Straßen- und Bahnsystem bietet die dazu erforderliche landseitige Infrastruktur. Eine technische Universität und moderne Ausbildungsstätten auf dem Gelände werden außerdem ein umfangreiches Ausbildungsangebot für die Berufsbilder im maritimen Sektor schaffen.
Auf längere Sicht sollen die meisten Industrieanlagen aus dem alten Hafen im Zentrum von Havanna nach Mariel verlagert werden. Für die bisher industriell genutzten Flächen sind ökologische Sanierungspläne in Arbeit, die eine umwelt- und anwohnerfreundliche Nutzung ermöglichen sollen. Neben zeitgemäßen Anlagen für Kreuzfahrtschiffe und Sportboote sind hier touristische und gastronomische Angebote sowie Erholungsbereiche geplant.
Rund 330 Kilometer östlich von Havanna soll noch im Dezember eine Offshore-Plattform mit Bohrungen zur Erforschung von Erdölvorkommen in kubanischen Gewässern beginnen. Die Bohrinsel des russischen Energieunternehmens Sarubeshneft, das zu 100 Prozent in Staatsbesitz ist, war Ende November in Kuba eingetroffen. Erste Ergebnisse des gemeinsam mit der kubanischen Firma Cubapetroleo durchgeführten Projekts werden bis Mai 2013 erwartet. »Für uns ist das jetzt eine wichtige Investition in die Zukunft«, sagten die Betreiber und erklären: »Wir gehen nach wie vor davon aus, daß es vor Kubas Küste große Ölvorkommen zu erschließen gibt.«
Neben Deviseneinnahmen und der Schaffung von Tausenden qualifizierten Arbeitsplätzen auf Werften, Schiffen, Offshore-Plattformen und in der Hafenwirtschaft legt Kuba mit den Investitionen langfristig die Grundlagen für eines der modernsten Ausbildungs-, Dienstleistungs- und Industrieangebote in der Region. Kurzfristig hat die kubanische Wirtschaft allerdings Erfolge und höhere Einnahmen auch bitter nötig, um die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse in der Nahrungsmittelerzeugung, die teure Importe zur Folge haben, und die immens hohen Reparaturkosten nach den Zerstörungen des Hurrikans »Sandy« kompensieren zu können.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.12.2012