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Kuba im Wahlprozeß

Nach Konstituierung der Kommunalparlamente werden Kandidaten für weitere Volksvertretungen nominiert

Nachdem sich bis Ende November in Kuba alle 168 Kommunalparlamente (Asambleas Municipales) konstituiert haben, hat der Staatsrat den Wahltermin für die Provinzparlamente (Asambleas Provinciales) und die Nationalversammlung (Asamblea Nacional) auf den 3. Februar 2013 festgelegt. Rund 8,5 Millionen Wahlberechtigte sind zum Votum aufgerufen. Stimmberechtigt und wählbar sind alle im Land lebenden Kubanerinnen und Kubaner ab 16 Jahren. Wer für die Nationalversammlung kandidiert muß mindestens 18 Jahre alt sein.

Mit den Kommunalwahlen, die sich wegen der Zerstörungen durch den Hurrikan »Sandy« über einen Zeitraum vom 21. Oktober bis zum 18. November hingezogen hatten, ist der erste Abschnitt der Wahlperiode 2012/2013 abgeschlossen worden. Nach Stichwahlen in mehreren Bezirken begann die zweieinhalbjährige Amtszeit der insgesamt 14537 Abgeordneten am 25. November. Viele der kommunalen Vertreter, um deren Mandate sich über 32000 Kantidatinnen und Kandidaten beworben hatten, sind jünger als ihre Vorgänger. Rund 64 Prozent sind zwischen 41 und 50 Jahre alt, knapp 46 Prozent der Gewählten sind Frauen.

Am 16. Dezember stellen die Kommunalparlamente in außerordenlichen Sitzungen die Hälfte der Kandidaten für die beiden höheren Ebenen auf. Die anderen 50 Prozent werden von sozialen Organisationen wie den Gewerkschaften, den Verbänden der Frauen, Bauern, Studenten und den Nachbarschaftskomitees nominiert. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme sind viele Kandidaten nicht Mitglieder der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) und werden auch nicht von ihr nominiert.

Auch die Abgeordneten der Provinzparlamente und der Nationalversammlung werden von den wahlberechtigten Bürgern – allerdings für die Dauer von fünf Jahren – direkt gewählt. Die Abstimmungen sind frei und geheim. Dafür stehen Kabinen und Wahlurnen zur Verfügung, die Schüler symbolisch bewachen. Eine Wahlpflicht gibt es in Kuba nicht, obwohl auch dies von Gegnern des dortigen Systems häufig behauptet wird.

Die Nationalversammlung der Volksmacht (Asamblea Popular del Poder Popular) hat nach der kubanischen Verfassung konstituierende und gesetzgeberische Macht. Ihr jetziger Präsident ist der Politiker und Doktor der Philosophie Ricardo Alarcón de Quesada. Das derzeitige 2008 gewählte Parlament besteht aus 614 Abgeordneten. Die vom Volk in direkter Wahl legitimierten Vertreter wählen in der ersten Parlamentssitzung aus ihren Reihen den Staatsrat, der die Aufgaben der Nationalversammlung zwischen den in der Regel zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen wahrnimmt. Auch der Vorsitzende des Staatsrats wird von den Parlamentariern in geheimer Abstimmung gewählt. Als höchster Repräsentant Kubas ist der Staatsrat gegenüber der Nationalversammlung berichts- und rechenschaftspflichtig und wird vom Parlament kontrolliert. Nationalversammlung und Staatsrat berufen den Ministerrat. Vorsitzender des Staats- und des Ministerrats ist seit 2008 Raúl Castro Ruz.

Das kubanische Wahlsystem ist mit parlamentarischen Parteiendemokratien westlicher Prägung nicht vergleichbar und strebt dies auch nicht an. Millionen verschlingende und von Werbeagenturen entworfene Medienwahlkämpfe, in denen von der Wirtschaft und Interessenverbänden gesponserte Parteien Programme präsentieren, die für die Politiker nach der Wahl nicht mehr verbindlich und für deren Wähler nicht mehr einklagbar sind, gelten in Kuba nicht als Vorbild. Obwohl auch das Wahlsystem der sozialistischen Inselrepublik verändert und modernisiert werden wird, stehen das basisdemokratische Prinzip der direkten Wahl durch die Bürger und die Möglichkeiten zur Absetzung von Abgeordneten durch die Wähler nicht zur Disposition. Von letzterem wird – zumindest auf den unteren Ebenen – auch des öfteren Gebrauch gemacht.

Diskutiert wird aber, wie Transparenz und Beteiligung der Basis an den Entscheidungen künftig gestärkt werden können. Die ersten allgemeinen Wahlen zu allen drei parlamentarischen Ebenen seit der auf dem 6. Parteitag der PCC im April 2011 begonnenen Diskussion über die Modernisierung des sozialistischen Gesellschaftsmodells sind auch ein wichtiger Stimmungsmesser. Denn Akzeptanz und Erfolg dieses Prozesses sind für die Zukunft Kubas und seiner sozialistischen Ordnung von existentieller Bedeutung.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 07.12.2012