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»Integration Lateinamerikas bleibt für Kuba wichtig«
Havanna hält an sozialistischer Wirtschaftsplanung fest. Obama soll über Ende der US-Blockade verhandeln. Ein Gespräch mit Hugo Pons Duarte
Hugo Pons Duarte ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Holguín sowie Vizepräsident der Nationalen Assoziation der Ökonomen und Rechungsprüfer Kubas (ANEC)
Als Wirtschaftswissenschaftler haben Sie sich besonders mit dem Thema Wirtschaftsplanung beschäftigt. Was bedeutet Planung unter den heutigen Bedingungen Kubas?
Wenn ich von Wirtschaftsplanung spreche, dann von einer mit Vornamen: sozialistische Wirtschaftsplanung. Sie behält ihre Bedeutung und ihre Funktion beim Aufbau des Sozialismus in Kuba. Vor allem die Erfahrungen der Besonderen Periode in den 90er Jahren haben jedoch dazu geführt, die Planung flexibler zu handhaben, um das notwendige Gleichgewicht zwischen den Anforderungen unserer Wirtschaft und den vorhandenen Ressourcen herzustellen. Die Planung hat bei den selbständigen Arbeitern sicherlich nicht so starke Auswirkungen wie in den staatlichen Unternehmen, aber es ist zum Beispiel wichtig die Bedürfnisse dieses Sektors zu berücksichtigen, um dessen Nachfrage durch das Angebot der Großhändler decken zu können.
In anderen Ländern, etwa in China, wird inzwischen von sozialistischer Marktwirtschaft gesprochen. Trifft dieser Begriff auch auf Kuba zu?
Ich persönlich glaube, daß China und Kuba nicht dieselben Erfahrungen machen. Peking entwickelt ein Modell, das dem Charakter und den Besonderheiten Chinas entspricht. Die Wirtschaftsreformen in der Volksrepublik haben drei Etappen durchlaufen. Zu Beginn, etwa vor zehn Jahren, waren die ausländischen Investitionen von entscheidender Bedeutung. Dann haben sie ihre Finanzinvestitionen vor allem auf den asiatischen Raum konzentriert. Und nun arbeiten sie an einer Veränderung ihrer Unternehmensstrukturen. Zwar soll es weiter ausländische Investitionen geben, aber die Konzentration geht offenbar hin zu einer Stärkung des Staatseigentums.
In unserem Fall liegen die Dinge etwas anders. Vor allem, weil Kuba die Existenz des Marktes als ein ergänzendes Element ansieht und davon ausgeht, daß die sozialistische Wirtschaftsplanung in der Ökonomie dominieren muß. Deshalb befinden wir und meiner Meinung nach nicht in einer Entwicklung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft, sonder wir entwickeln eine sozialistische Planwirtschaft, in der der Markt eine Ergänzung zur Distribution finanzieller und materieller Ressourcen ist.
Im Vergleich zu früheren Jahren hat Kubas Wirtschaft heute neue Möglichkeiten, die sich durch Organisationen wie die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) oder die Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) eröffnet haben. Welche Bedeutung hat diese Integration Lateinamerikas für die Ökonomie ihres Landes?
Die Integration Lateinamerikas ist für Kuba bereits seit dem Sieg der Revolution wichtig. Seit 1959 konnten wir eine Vielzahl von Prozessen beobachten, in denen sich Menschen und Institutionen zusammengeschlossen haben, um sich unabhängiger entwickeln zu können. Zu Beginn war dieser antiimperialistische Prozess eine Integration zwischen den Völkern, die sich zunächst nicht in den Institutionen widerspiegelte. Das lag unter anderem an den entsprechenden Manövern durch Washington und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Doch unabhängig davon hat es von Seiten Kubas und einiger anderer Staaten Lateinamerikas immer Interesse daran gegeben, die gesellschaftliche Integration zu bewahren und zu entwickeln. Heute haben sich durch Organisationen wie ALBA natürlich neue Möglichkeiten eröffnet, wie im Bereich der Energiekooperation die Weiterentwicklung des Abkommens von San José zu Petrocaribe gezeigt hat.
Trotzdem leidet Kuba noch immer unter der Blockade durch die USA. Haben Sie Hoffnung, daß Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit Schritte unternehmen wird, diese zu beenden?
Es gibt natürlich immer die Hoffnung, daß die Blockade endet. Sie geht deutlich über eine rein ökonomische Maßnahme hinaus, ist ein politischer und Wirtschaftskrieg gegen Kuba. Mir ist es deshalb wichtig, noch einmal auf den Unterschied zwischen der Blockade und einem Embargo, wie die USA es immer nennen, hinzuweisen. Ein Embargo ist eine bilaterale Angelegenheit, doch die Blockade behindert und beschränkt auch die Wirtschaftsbeziehungen von Dritten gegenüber Kuba. Die USA verletzen international geltende Gesetze und Bestimmungen nicht nur gegenüber Kuba, sondern gegenüber allen Ländern, die ihre Hegemonie in der Welt bedrohen. Kubas gegenwärtiger Präsident Raúl Castro hat die USA in jüngster Zeit bereits drei Mal zu einer Normalisierung der Beziehungen aufgerufen. Wir sollten uns an einen Tisch setzen und diskutieren. Es besteht also die Möglichkeit, die Blockade zu überwinden, und Kuba hat auch ein Interesse daran, wenn dies auf gleichberechtigter Grundlage geschieht. Wir werden jedoch niemals unsere Prinzipien aufgeben.
In dieser Woche wird die UN-Vollversammlung erneut mit überwältigender Mehrheit zur Aufhebung der Blockade aufrufen. Glauben Sie, daß der US-Präsident diesmal auf die Forderung hört?
Obamas Möglichkeiten sind durch das beschränkt, was die herrschende Klasse der USA will oder nicht will. Wenn wir von der Blockade sprechen, sprechen wir nicht nur von einer Aktion der US-Regierung, sondern auch von wirtschaftspolitischen Interessen. Aber rechtlich hat Obama die Möglichkeit zumindest die Folgen der Blockade zu reduzieren. Der US-Kongress hat ihm dazu die nötigen Vollmachten gegeben, aber bislang wurden diese nur immer dazu genutzt, die Blockade zu verschärfen.
Veröffentlichung |
Interview: André Scheer
junge Welt, 13.11.2012