Nachrichten aus und über Kuba
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»US-Wahl ist nicht so wichtig, wie die Medien tun«
In Berlin treffen sich an diesem Wochenende Kuba-Solidaritätsgruppen Europas. Ein Gespräch mit Kenia Serrano
Kenia Serrano ist Präsidentin des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP)
An diesem Wochenende findet in Berlin ein europaweites Treffen der Kuba-Solidaritätsgruppen statt. Welche Bedeutung hat diese Zusammenkunft?
Sie ist für uns sehr wichtig, weil Europa seit dem Sieg unserer Revolution derjenige Kontinent war, aus dessen Ländern die größte Solidarität mit Kuba gekommen ist. Das galt besonders in Augenblicken großer internationaler Spannungen wie der Oktoberkrise, die in Europa Kuba- oder Raketenkrise genannt wird und deren 50. Jahrestag wir gerade begangen haben. In Mailand, Italien, stellte sich damals bei einer Demonstration für Kuba ein junger Italiener, Giovanni Ardizzone, den Übergriffen der Polizei entgegen und wurde dabei getötet. Es gibt in ganz Europa mehr als 800 Kuba-Solidaritätsorganisationen, und ihre Arbeit im Kampf gegen die Blockade und für die Befreiung unserer fünf Helden ist für uns von besonders großer Bedeutung.
Am Dienstag haben die USA ihren Präsidenten gewählt und Barack Obama im Amt bestätigt. Glauben Sie, daß sich in seiner zweiten Amtszeit die Situation der fünf in US-Gefängnissen inhaftierten Kubaner bessern wird?
Ich halte die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen nicht für so wichtig. Wir nehmen natürlich aufmerksam jedes Zeichen für Veränderungen wahr. »Change« – Veränderung also – war ja das Schlüsselwort des ersten Wahlkampfs von Obama vor vier Jahren. Wenn es eine Übereinstimmung zwischen diesem Versprechen und dem realen Handeln gäbe, wäre das natürlich von großer Bedeutung, nicht nur für die Beziehungen der USA mit Kuba, sondern auch für ganz Lateinamerika und die Karibik. Dem Wahlergebnis selbst messen wir jedoch keine solche Bedeutung zu, wie es die Medien gewöhnlich tun. Wir hoffen aber, daß diese zweite Amtszeit es dem Präsidenten ermöglicht, realistischer zu sein. Dann könnte er zur Kenntnis nehmen, daß 71 Prozent der Bevölkerung seines Landes sich in Umfragen für die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba aussprechen.
Vor wenigen Tagen zog der Wirbelsturm »Sandy« über den Osten Kubas und über Haiti hinweg. Für die Medien wurde er aber erst ein großes Thema, als er die USA traf. Wie beurteilen Sie das?
Das ist ein weiterer Beleg für die fehlende Objektivität dieser Massenmedien. Deshalb interessieren auch die angeblichen politischen Gefangenen in Kuba mehr als die 300 Menschen, die im US-Gefangenenlager Guantánamo festgehalten werden, das sich ebenfalls auf Kuba befindet, aber auf illegal von den USA besetztem Gebiet.
Nachdem es Kuba in der Vergangenheit oft gelungen ist, zu Verhindern, daß infolge von Naturkatastrophen Todesopfer zu beklagen sind, hat »Sandy«jetzt elf Menschenleben gefordert …
Dieser Hurrikan hat uns deswegen so getroffen, weil zum ersten Mal ein Wirbelsturm im Osten unseres Landes von Süden nach Norden gezogen ist. »Sandy« gehörte zu den gewaltigsten Hurrikans, die uns in den vergangenen 50 Jahren heimgesucht haben, und die Menschen in der Region, die von ihm getroffen wurden, hatten nicht die selben Erfahrungen im Umgang mit solchen Wirbelstürmen wie die in anderen Teilen unseres Landes. Innerhalb weniger Stunden haben die Zivilschutzbehörden mehr als eine halbe Million Menschen evakuiert. Manche haben die Warnungen aber offenbar nicht ernst genug genommen, sie sind davon ausgegangen, daß schon nichts passieren wird. Hinzu kommt, daß die Gebäude in der betroffenen Region nicht besonders stabil waren. »Sandy« hat fast 200000 Häuser ganz oder teilweise zerstört.
Von vielen Regierungen Lateinamerikas, zum Beispiel aus Venezuela, Ecuador oder Bolivien, aber auch von der russischen Regierung, hat Kuba spontane Hilfe erhalten, um die Schäden des Hurrikans beseitigen zu können. Wie haben sich die westeuropäischen Regierungen verhalten?
Ich weiß von keiner westlichen Regierung, die Hilfe angeboten hätte. Das zeigt, daß es auch weiterhin die Völker des Südens und die Regierungen, die eine unabhängige Linie verfolgen, sind, die sich als erste ehrlich solidarisch zeigen. Immer wieder zeigt sich, daß die, die am wenigsten haben, am meisten teilen.
Veröffentlichung |
Interview: André Scheer
junge Welt, 10.11.2012