Nachrichten aus und über Kuba
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Kubas Reisegesetz ist eine souveräne Entscheidung
Auch die Einreise von Emigrierten wird vereinfacht
In einer Fernsehdebatte ist auf Kuba der Sekretär des Staatsrates, Homero Acosta, mit weiteren Informationen über die am 16. Oktober bekanntgegebenen Änderungen bei den Ausreiseformalitäten für kubanische Staatsbürger/innen an die Öffentlichkeit gegangen.
Demnach werden ab dem 14. Januar 2013 nicht nur die Möglichkeiten einer Ausreise von elf auf vierundzwanzig Monate erweitert ohne dass die Reise als Emigration gewertet wird, und es entfällt nicht nur die dafür bisher notwendige Erlaubnis, sondern es gibt auch Veränderungen bei den Einreisen nach Kuba. Zum genannten Zeitpunkt können auch Menschen, die nach den 1994er Regelungen mit den USA illegal ausgereist waren, wieder nach Kuba kommen, wenn seitdem wenigstens acht Jahre vergangen sind. Auch Hochleistungssportler/innen und Beschäftigte des Gesundheitswesens können ohne Probleme nach Kuba einreisen, wenn sie nach 1990 das Land illegal verlassen hatten und seitdem ebenfalls acht Jahre vorüber sind. Besuchsreisen nach Kuba können junge Menschen auch ohne achtjährige Wartezeit machen, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer ungesetzlichen Ausreise noch nicht sechzehn Jahre alt waren.
Ausnahmen davon gelten für illegal Ausgereiste, die Kuba über die US-Basis in Guantánamo verlassen haben, für militärdienstpflichtige junge Männer sowie für beruflich besonders Qualifizierte, die "vitale Aktivitäten" ausüben. Die Justizministerin María Esther Reus erklärte in der Sendung, dass normale Reisen mit spezifischem Grund erlaubt seien, jedoch würde bei einem dauerhaften Ausreisewunsch eine Frist zur Einarbeitung einer anderen Person gesetzt, was bei technischen Berufen drei, bei akademischen Berufen bis zu fünf Jahre sein können. Darüber würden die Arbeitsdirektor/inn/en entscheiden. Eine genaue Regelung wird derzeit vom Arbeitsund Sozialministerium ausgearbeitet.
Homero Acosta erklärte, dass Kuba mit den Änderungen der Bestimmungen auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neuordnungen reagiere: "Heute ändern wir die Regelungen, die zu einem bestimmten Moment der Revolution zu ihrer legitimen Verteidigung aufgestellt wurden, weil das Vaterland sich auch ändert." Die Justizministerin führte auch aus, dass mit dem Dekret zu den neuen Regelungen das Gesetz 989 über die Nationalisierung durch Konfiszierung bei definitivausgereisten Personen entfallen wird. Emigrierende können vorab festlegen, was mit ihrem Besitz geschehen soll.
Kuba hat als Konsequenz der Maßnahmen, deren freiwilliger und ohne äußeren Druck zustande gekommener Charakter von Homero Acosta hervorgehoben wurde, den USA die Erweiterung ihres in der Interessenvertretung in Havanna mit Migrationsangelegenheiten betrauten Personals auf zwanzig Personen erlaubt. Umgekehrt sind die USA dazu derzeit nicht bereit, obwohl die Einreiseerleichterungen zu größerem Andrang führen dürften. Der Außenministeriumssprecher der USA für die westliche Hemisphäre, Ostick, erklärte am Tag der Bekanntgabe des Dekrets, Kubaner würden weiterhin Visa für die USA brauchen; und die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, sagte, an dem bestehenden Gesetz, das Kubaner/innen, die über das Meer in die USA kommen, gegenüber allen Immigrant/inn/en aus der ganzen Welt bevorzugt, würde nichts geändert. Homero Acosta erinnerte in seinem TV-Beitrag daran, dass die USA außerdem ein Programm zur Abwerbung von im Ausland tätigen Medizinern aufrechterhielten.
Interessante Zahlen Homero Acostas zu den tatsächlich getätigten Auslandsreisen strafen die europäische Presse wieder einmal Lügen, die sich vor zwei Wochen in ihrer selbst zusammengezimmerten "Ausreisende Kubaner sind Flüchtlinge"-Ideologie verschanzt hatte ohne zu erklären wovor denn eigentlich geflohen würde. Demnach sind seit dem Jahr 2000 bis Ende August 2012 nur 0,6 Prozent der Ausreiseanträge nicht erteilt worden. Bei den 99,4 Prozent handelte es sich um 941 953 Ausreisen. Davon kamen 12,8 Prozent nicht wieder nach Kuba zurück. Bei Menschen mit universitären Abschlüssen waren es 156.068 Ausreisen, was nur knapp über dem kubanischen Akademikerdurchschnitt liegt. 10,9 Prozent kehrten nicht nach Kuba zurück. Vergleichszahlen zu Auswanderungen aus anderen lateinamerikanischen Ländern ergeben deutlich höhere Ziffern bei nicht vorher angekündigter dauerhafter Emigration – schon weil Lateinamerikaner/innen keine legale Chance haben z.B. in die EU zu kommen, es sei denn aus Gründen der Familienzusammenführung.
Der kubanischen Regierung geht es seit Jahren um ein allgemein besseres Verhältnis zur Emigration, heute "eine wirtschaftliche, früher eine politische", so Homero Acosta. 2011 waren mehr als 400.000 Emigrierte für Besuche nach Kuba gereist, davon um die 300.000, die in den USA leben.
Günter Pohl
Unsere Zeit, 02.11.2012