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Rechter Raser verurteilt
Kuba: Vier Jahre Haft für spanischen Nachwuchspolitiker wegen fahrlässiger Tötung
Am Montag ist der stellvertretende Vorsitzende der Jugendorganisation der regierenden Volkspartei (Partido Popular/PP) in Madrid, Ángel Carromero Barrios, in der ostkubanischen Stadt Bayamo wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
Der 27jährige Carromero war am 19. Juli als »Tourist« in Havanna eingereist, hatte tatsächlich aber den Auftrag, kubanischen Systemgegnern Geld und Material für den Aufbau einer regierungsfeindlichen Jugendorganisation zu überbringen. Drei Tage später raste er mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum. Die Kubaner Oswaldo Payá und Harold Cepero, die sich im Auto befanden, starben bei dem Unfall. Unmittelbar nach dem Ereignis versuchten ultrarechte Anti-Castro-Gruppen in Miami und einige kubanische »Dissidenten«, politisches Kapital aus den tragischen Todesfällen zu schlagen. Gemeinsam mit dessen Tochter verbreiteten sie, daß Payá einem Anschlag der kubanischen Regierung zum Opfer gefallen sei.
Beim Prozeß, der am 5. Oktober in Bayamo stattfand, hatte Carromero den Unfallhergang allerdings selbst bestätigt und sich für seine verantwortungslose Raserei entschuldigt.
Während Gericht, Verteidiger und der Angeklagte sich um einen sachlichen Verlauf bemüht hatten, wollten einige Systemgegner die Verhandlung umfunktionieren. So versuchte die eigens aus Havanna mit Ehemann und Fahrer angereiste »Bloggerin« Yoani Sánchez den Prozeß für eine Selbstinszenierung zu nutzen und stellte die faire Verfahrensführung in Frage. Die örtlichen Behörden verhinderten allerdings ihren geplanten medialen Auftritt und ließen sie – da ihr eigenes Auto nicht fahrtüchtig war – auf Staatskosten nach Havanna zurückbringen.
Zahlreiche in- und ausländische Journalisten, Vertreter von Carromeros Familie und spanische Diplomaten, die an der Verhandlung teilgenommen hatten, äußerten sich dagegen positiv über den Prozeß. Im Anschluß an der Gerichtstermin bezeichnete der spanische Generalkonsul auf Kuba, Tomás Rodríguez Pantoja, das Verfahren als »korrekt, rechtlich sauber und prozessual einwandfrei«. Der Diplomat hob besonders »die gute Behandlung des Angeklagten durch die kubanischen Behörden« hervor.
Ultrarechte Medien in Miami und einige mit ihnen zusammenarbeitende »Dissidenten« attackierten daraufhin die spanische Position. Auch warf Carlos Payá, der in Madrid lebende Bruder des tödlich verunglückten Oswaldo Payá, der konservativen spanischen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy im Namen seiner Familie vor, »mit Havanna zu paktieren, um die Wahrheit zu verschleiern«. Nach einem Artikel von Yoani Sánchez in der spanischen Tageszeitung El País verbreitet Payás Familie weiterhin ihre schon kurz nach dem Unglück aufgestellte Behauptung, daß der tragische Unfall tatsächlich ein Mordanschlag der kubanischen Behörden gewesen sei. Mit derartig abstrusen Vorwürfen macht sich die »Dissidentenszene« unglaubwürdig und stellt sich selbst ins Abseits.
Selbst die Regierung Rajoy und Teile der postfranquistischen PP scheinen – zumindest momentan – auf Distanz zur »Dissidenz« zu gehen. Zum spanischen Nationalfeiertag am vergangenen Freitag hatte die Botschaft in Havanna zwar zahlreiche Vertreter der kubanischen Regierung, Intellektuelle, Künstler, Geistliche und Militärs eingeladen, aber keinen einzigen Vertreter der »Opposition«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 17.10.2012