Nachrichten aus und über Kuba
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Als Havanna noch das Bordell der Yankees war
Die USA übten 1946 Druck auf den kubanischen Präsidenten Ramón Grau San Martín aus, Lucky Luciano den obersten Boss des weitverzweigten Gangster-Syndikats Cosa Nostra auszuweisen. Nachdem dieser erst kurz zuvor dort eingetroffen war, brillierte er bereits im Halbweltmilieu von Havanna. Doch Präsident Grau wollte den Ganoven von Format nicht deportieren lassen. Da stoppte Washington kurzerhand sämtliche Arzneimittellieferungen aus den USA nach Kuba, das keine eigene pharmazeutische Industrie besaß.
Die Nachstellungen des FBI der überregionalen Bundesuntersuchungsbehörde zu gewissen Aktivitäten des als "Capo aller Capos" nicht nur tief in den Heroinhandel verstrickten Anführers sämtlicher "organisierten" Gangster der Vereinigten Staaten hatte gezwungenermaßen eingeleitet werden müssen, nachdem sich dieser Ende September 1946 mit einem vom römischen US-Konsulat ausgestellten Pass in Kuba Eingereiste wiederholt mit einer jungen Amerikanerin öffentlich gezeigt hatte.
Als Lucianos Anwesenheit in Havanna und dessen Verbindungen zu entsprechenden Kreisen ruchbar geworden waren, wandte sich das für die Narkotikafahndung zuständige U.S. Drug Office ganz offiziell an Präsident Grau. Der sah zunächst keinerlei Gründe, dem in "honorigen" Kreisen der kubanischen Hauptstadt geschätzten "Ehrenmann§ die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen. Erst nachdem sich der Chef der Rauschmittelbehörde direkt an US-Präsident Truman gewandt hatte, traten auch die Herren des Washingtoner Finanzministeriums und des State Departments in Aktion. Bevor Super-Gangster Luciano in Havanna seine Zelte aufgeschlagen hatte, war der nach Al Capone mächtigste Verbrecher aller Zeiten, für den sich 1947 wieder einmal die Gefängnistore geöffnet hatten, seiner ethnischen Abkunft wegen nach Italien abgeschoben worden. Die große räumliche Entfernung des auf vielen Feldern nicht zuletzt im Drogen-Transfer tätigen "Geschäftsmannes" von den USA hatte der New Yorker Mafia-Familie Vito Genoveses und dem kalifornischen Clan Bugsy Siegels zwei Präsidenten auf dem Chefsessel des "Paten" der Cosa Nostra bedrohliche Spielräume eröffnet. Um wieder an den Ball zu gelangen, war Luciano kurzerhand nach Kuba aufgebrochen. Für den 21. September 1946 hatte er dorthin zu einer großen Beratung aller CN-"Familien" über die "Wiederherstellung der Ordnung" innerhalb der Hierarchie und die Eröffnung des neuen Mafia-Empires Las Vegas eingeladen. Die "kulturelle Umrahmung" der dann aus technischen Gründen auf den 26. Dezember verschobenen Zusammenkunft im Hotel Nacíonal hatte einmal mehr der CN-nahe Entertainer Frank Sinatra übernommen.
Die Teilnehmer sämtliche Bosse der einzelnen Zweige des Imperiums verschwanden ebenso rasch und unauffällig wieder, wie sie angereist waren. Nur Luciano selbst blieb in der weißen Stadt am Meer, wo er sich außerhalb der Zugriffsmöglichkeiten des U.S. Drug Office wähnte.
Doch am 23. Februar 1947 ersuchte ihn ein kubanischer Geheimagent ausgerechnet während des Lunch um seine diskrete Begleitung. Luciano wußte auch in dieser Situation Stil zu wahren. Er verabschiedete sich in aller Form von seinen einheimischen Leibwächtern und schritt trotz der Handschellen die ewige Zigarre zwischen zwei fingern haltend zu einem Wagen mit offiziellem Kennzeichen. Präsident Grau beschuldigte Luciano keines einzigen Verstoßes gegen Kubas damalige "Rechtsordnung", sondern folgte allein einer "Bitte" der USA, den zeitweiligen Gast der karibischen Insel nach Italien zurückzuschicken.
Am 29. März 1947 stach Luciano in einer Luxuskabine des türkischen Schiffes "Bakir" mit Kurs Apenninen-Halbinsel in See. Dort, im italienischen Gefängnis von Tiscornia, vertraute er später seinem CN-Stellvertreter Meyer-Lansky an, er mache sich ernste Sorgen um jene "wackeren Gefährten", welche er in Kuba habe zurücklassen müssen. Doch die Sorge war unnötig: Keinem von ihnen wurde unter Graus Präsidentschaft auch nur ein Haar gekrümmt.
Übrigens nach dem Intermezzo mit Luciano glätteten sich die Wogen zwischen Washington und Havanna rasch wieder, so daß der Arzneimittelexport in der einen und der Narkotika-Transfer in der anderen Richtung wie eh und je vonstatten gehen konnten.
RotFuchs, Oktober 2012
gestützt auf "Prensa Latina", Havanna