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Kuba geht an die »Korrektur von Irrtümern«
Führungsgremien zogen Bilanz der Reformbeschlüsse von 2011.
Nach einem guten Jahr ist die Bilanz der Reformen, die auf dem 6. Kongress der KP Kubas im April 2011 beschlossen wurden, durchwachsen. Das ist das Fazit der Sitzungsperiode des Parlaments Ende Juli.
Verglichen mit den Urlaubsmonaten vergangener Jahre ist diesmal ungewöhnlich viel los. Nach wie vor strömen die Kubaner an die Strände. Erstaunlicherweise ist dort, und nur dort, die seit Jahren von den Medien erfolglos geführte Kampagne für das »Menschenrecht auf weniger Lärm« auf Resonanz gestoßen. Viele Strandbesucher haben ihre Beschallungskanonen zu Hause gelassen. Batterien gibt es, warum also? Man erträgt wahrscheinlich die Hin- und Rückfahrt in den vollgestopften Verkehrsmitteln besser. So einfach lässt sich hier manches erklären.
Nicht so die Probleme, die während der Tagungen des erweiterten Ministerrates, des ZK der Kommunistischen Partei und des Parlaments Ende Juli zur Sprache kamen. Unterm Strich steht: Die Mitglieder der drei Gremien wollen sich keine Zeit lassen, um die »Irrtümer zu korrigieren, die wir während der fünf Jahrzehnte des Aufbaus des Sozialismus begangen haben. Das ist unsere unerlässliche Pflicht«, sagte Präsident und Parteichef Raúl Castro.
Er mahnte zur Vorsicht: Das Land balanciere weiterhin am Abgrund und laufe Gefahr, abzustürzen und die Mühen von Generationen mit sich zu reißen. Da reflektiert sich, was Fidel Castro schon vor Jahren sagte: Kuba müsse immer auf die schlimmste aller Varianten vorbereitet sein. Das ist keine Panikmache, die Regierung will vielmehr die Landsleute auf Trab bringen, die dazu neigen, erst einmal abzuwarten. Noch einmal Raúl Castro: Die Beschlüsse, die auf dem 6. Parteitag im April 2011 verabschiedet wurden, dürften nicht ein ähnliches Schicksal erleiden wie so viele Beschlüsse der Vergangenheit. Die wurden einstimmig verabschiedet und gleich wieder vergessen. Man habe bittere Lektionen erfahren müssen, die Folge von Missgriffen oder des Mangels an Kontrolle, Systematik und Strenge waren. Auch habe man zu oft unreifen Kadern aus Opportunismus den Weg geebnet.
Zur Bilanz gehört: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im ersten Halbjahr um 2,1 Prozent, geplant waren 1,9 Prozent. Die lateinamerikanische Wirtschaftskommission CEPAL sagt für das Jahr drei Prozent voraus. So weit gehen die kubanischen Statistiker nicht. Das Haushaltsdefizit ist das niedrigste seit 15 Jahren. In fast allen Wirtschaftssektoren wurde Wachstum registriert, nur nicht genug. Drei Ausnahmen gibt es: Die Bilanz der Landwirtschaft verhagelte eine lausige Zuckerrohrernte, die Bauwirtschaft liegt weit hinter den Zielen, gleiches trifft für das Transportwesen zu.
Gespannt wird erwartet, wie sich die Allianz aus staatlichen Betrieben, privaten Genossenschaften und Arbeitern auf eigene Kosten entwickelt. Staatliche Unternehmen werden die Stützpfeiler der Wirtschaft bleiben, versicherte Parlamentspräsident Ricardo Alarcón. »Wir werden unseren Sozialismus aktualisieren, perfektionieren, aber keinen Deut von seinen Prinzipien aufgeben«, bekräftigte Raúl Castro. Bereits mit Sicht auf den 7. Parteitag im Jahr 2016 wird begonnen, den Parteiapparat zu verjüngen. Zum Abschluss der Tagung der Nationalversammlung wählten die Abgeordneten die Juristin Ana María Mari zu ihrer Vizepräsidentin. Sie gehört jener Generation an, die nach dem Sieg der Revolution geboren wurde.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland, 06.08.2012