Nachrichten aus und über Kuba
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Der Faktor Fidel
Welches Gewicht das Format der Führer einer Revolution besitzt
Katrien Demuynk |
Die in der antiimperialistischen Bewegung ihres Landes engagierten belgischen Autoren Katrien Demuynk und Mark Vandepitte haben eine hervorragende Dokumentation zum Verlauf der kubanischen Revolution und der herausragenden Rolle ihres historischen Führers vorgelegt. Die Leser erhalten einen tiefen Einblick in Ursachen Wurzeln und Triebkräfte der "Bewegung des 26. Juli" und den damit weitgehend identischen politischen Reifeprozeß Fidel Castros. Sein korrekt geschildertes Wirken vermittelt eine exakte Vorstellung vom Persönlichkeitsformat Fidels, das in der Tat ein Garant für den siegreichen Kampf seiner Bewegung und seines Volkes gewesen ist. Daß der "Faktor Fidel" den Verlauf der Revolution und deren schließlichen Triumph ganz maßgeblich geprägt hat, dürfte wohl unbestritten sein. Meßbar ist das an seiner überragenden strategischen Kompetenz im gesamten Prozeß der Revolution und an seinem taktischen Können sowohl im bewaffneten Kampf als auch nach dem militärischen Sieg. Das zeigte sich 1961 bei der Zerschlagung der Invasion in der Schweinebucht wie bei einer Reihe solidarischer Einsätze in verschiedenen afrikanischen Ländern. Fidel verfügt über die Gabe, Situationen komplex zu erfassen sowie entsprechende Konzepte zu entwerfen und durchzusetzen.
Diese Fähigkeiten entwickeln sich, wie von den Autoren unterstrichen wird, im Schoße historischer Gegebenheiten der kubanischen Gesellschaft. An dieser Stelle wäre, bei aller Wertschätzung Fidels, der geschichtlichen Wahrheit ein Hinweis darauf nähergekommen, daß nicht er die revolutionäre Entwicklung – besonders nach dem 10. März 1952 – bewirkt hat,, sondern daß vielmehr die im Lande bestehende objektive Situation ihm und seinen engsten Mitstreitern entgegengekommen ist.
Die Formierung der patriotischen Kräfte erfolgte hauptsächlich in den 50er Jahren, einer Zeit rasch zunehmender politischer und sozialer Auseinandersetzungen in Kuba. Die an Kraft gewinnende Arbeiterbewegung begann sich zu formieren. Nach dem 2. Weltkrieg übten die zunächst noch progressiven US-Unions einen positiven Einfluß auf die kubanischen Gewerkschaften aus. Diese stellten sich immer häufiger an die Spitze der sozialen und politischen Bewegungen. Im Frühjahr 1952 demonstrierten in Havanna Massen von Arbeitern und Studenten mit Lohnforderungen, aber auch mit dem Verlangen nach Freilassung ihrer eingekerkerten Anführer. Diese Aktionen wurden blutig niedergeschlagen.
Der Batista-Putsch vom 10 März war ein solcher Scheitelpunkt der Repression. Anfang 1953 fanden in den östlichen Provinzen des Inselstaates machtvolle Streikaktionen statt, nachdem es bereits ab September 1992 in Mantanzas und Las Villas zu anhaltenden Arbeitsniederlegungen gekommen war. Batista reagierte in dieser angeheizten Situation bereits mit Hilfe eines äußerst brutal durchgesetzten Ausnahmezustandes. An die Stelle der Nationalversammlung trat ein sogenannter Konsitutioneller Rat. Per Dekret verbot der Diktator alle politischen Parteien und demokratischen Organisationen. Damals kam es zur Formierung starken Zulauf erhaltender Strömungen der bürgerlichen Intelligenz, die sich zunehmend national und patriotisch orientierte. Aus dem 1947 gegründeten und vor allem solche Kräfte repräsentierenden Partido del Pueblo Cubano (Kubanische Volkspartei) entwickelte sich der Partido Ortidoxo (Orthodoxe Partei), dessen aktives Mitglied Fidel Castro bis zu seiner Ausweisung nach Mexiko im Jahre 1956 war. Der Führer dieser Partei, Eduardo Chibas, ein glühender und von Castro hoch verehrter Patriot, erschoß sich während einer flammenden Ansprache mit dem Ruf auf den Lippen: "Kubanisches Volk, erwache!".
Allerdings entspricht die Darstellung der beiden Autoren, daß die einzige marxistische Partei im Lande, die Sozialistische Volkspartei, keinen politischen Einfluß besessen habe, nicht den Tatsachen. Die PSP war an der Basis für damalige Verhältnisse recht gut verankert. Eine Schwächung trat dadurch ein, daß ihre Führer unter der Batista-Diktatur bei sachkundiger Anleitung durch entsprechende US-Organe physisch dezimiert oder ins Exil getrieben wurden. Die PSP-Basisorganisationen haben die Guerillabewegung jedoch aktiv unterstützt, während zwischen der Bewegung Fidels und der Parteispitze – vor allem in der Emigration – zeitweilig taktische Differenzen bestanden.
Von besonderem Gewicht für die Verdeutlichung des wahrhaft demokratischen Charakters der kubanischen Revolution und die Einschätzung der Persönlichkeit Fidel Castros sind die Kapitel 3 und 4 des hier besprochenen Buches. Mag sein, daß in Europa wenig über die Moral und Ethik, über den zutiefst humanistischen Geist der führenden kubanischen Persönlichkeiten und besonders Fidels geschrieben worden ist. Die Ethik José Martís hatte großen Einfluß auf die Geisteshaltung der Führer der kubanischen Revolution und bestimmte ganz maßgeblich deren Handeln.
Wenn man die Lebenserinnerungen Fidels oder dessen "Gespräche mit Ramonet" aufmerksam liest, wird man bemerken, daß es gerade diese Seiten sind, die auch in einer mit Gewalt verbundenen Revolution besondere Beachtung verdienen. Wie beispielsweise die gefangenen Soldaten der Batista-Armee oder andere Feinde des werktätigen Volkes von den aufständischen Kämpfern behandelt wurden, verdient Respekt. Diese moralische Größe beweist einmal mehr, die Menschlichkeit des Sozialismus. Auch Raúl Castro äußerte sich gelegentlich dazu, wenn er auf Folterungen und andere Menschenrechtsverletzungen in den USA zu sprechen kam.
Die kapitalistische Propaganda hat nichts unversucht gelassen, den kubanischen Revolutionären Massenerschießungen und pauschale Racheakte anzudichten, u, den "Protest der Weltöffentlichkeit" herauszufordern. Gerade deshalb sind die überzeugenden Aussagen des insgesamt sehr gelungenen und durchaus fundierten Werkes der beiden belgischen Autoren so Wichtig.
Botschafter a.D. Heinz Langer, Berlin
Rotfuchs, Juli 2012