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USA stören Emanzipation
Sechster Kongreß für Sexualerziehung in Havanna. Kubas Parlament soll gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennen
Am Montag wird Mariela Castro in Havanna den sechsten kubanischen Kongreß für Sexualerziehung eröffnen. Erwartet werden zu dieser Konferenz, die bereits im Vorfeld die Aufmerksamkeit nationaler und internationaler Medien gewonnen hat, Fachleute aus 17 Ländern. Grund für das steigende Interesse an der zweijährlich stattfindenden Tagung ist, daß Kuba in Lateinamerika zunehmend eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Diskriminierung übernimmt. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der unermüdlichen Mariela Castro. Die Psychologin und Pädagogin, die wenig Wirbel um die Tatsache macht, daß ihr Vater Kubas amtierender Präsident Raúl Castro ist, steht an der Spitze des kubanischen Nationalen Zentrums für Sexualerziehung (CENESEX) und ist auch internationale für ihr Engagement um die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten bekanntgeworden.
Gegenüber dem kubanischen Onlineportal Cuba Sí berichtete Castro in dieser Woche, daß Kubas Justizministerin María Reus zugesichert habe, daß das Parlament in diesem Jahr endlich über eine von ihrem Institut und dem kubanischen Frauenverband (FMC) eingebrachte Initiative zur Änderung des Familiengesetzbuches beraten werde. Damit sollen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften anerkannt werden. Ebenso soll es Transsexuellen ermöglicht werden, die Angabe ihres Geschlechts in amtlichen Dokumenten an ihre Identität anzupassen, ohne daß zuvor, wie derzeit, ein chirurgischer Eingriff vorgenommen werden muß. Damit könnte ein langer Kampf erfolgreich zu Ende gehen. Bereits Mitte 2010 hatte Castro gegenüber junge Welt die Verzögerungen bei der Beratung des Antrags beklagt. So hätten die katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften Druck auf die Parteiführung ausgeübt, um eine Verabschiedung zu verhindern. Jetzt zeigt sie sich jedoch überzeugt, daß die Ende des Monats beginnende Nationale Parteikonferenz der kubanischen Kommunisten ausdrücklich eine Antidiskriminierungspolitik beschließen werde. Das diene dem Abbau von Vorurteilen, die bislang eine Verabschiedung des Gesetzes verhindert hätten.
Doch auch die USA spielen ihre Rolle und erschweren dadurch Erfolge von Mariela Castro und ihren Mitstreitern. Ende August vergangenen Jahres wurde durch Veröffentlichungen der Internetplattform Wikileaks bekannt, wie Washington gezielt auf Kubas Lesben und Schwule einwirken will, um deren Gruppen gegen die Regierung in Stellung zu bringen. In Miami bezifferte die spanischsprachige Tageszeitung El Nuevo Herald die Höhe der dafür allein 2011 bereitgestellten Mittel auf 300000 Dollar. Für Mariela Castro ist dies ein Beweis dafür, daß die in Kuba geleistete Arbeit für die Rechte der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen von der US-Administration als Grund zur Sorge angesehen werde. Havanna demonstriere durch die Anstrengungen »den politischen Willen der kubanischen Regierung, Homophobie und Transsexuellenfeindlichkeit sowie anderen Formen von Diskriminierung entgegenzutreten, denn sie widersprechen dem emanzipatorischen Projekt, das die Kubanische Revolution verteidigt«.
Im Gegensatz dazu setzen in den USA derzeit etwa die republikanischen Präsidentschaftskandidaten offen auf Homophobie. So der Favorit der evangelikalen Rechten, Rick Santorum, der bei der ersten Vorwahl im Bundesstaat Iowa Anfang Januar mit hauchdünnem Abstand zu Gewinner Mitt Romney Zweiter wurde. Bei einer Befragung durch Wähler kündigte er im vergangenen September an, die unter Obama vorgenommene vorsichtige Gleichstellung Homosexueller in der US-Armee rückgängig machen zu wollen, um »unsere Frauen und Männer in Uniform zu beschützen«. Und Rick Perry, der derzeit als Gouverneur von Texas mehr als 25 Millionen Menschen regiert, wetterte in einer Videobotschaft im Dezember, es laufe etwas falsch in seinem Land, wenn Schwule in der US-Armee dienen dürften, Kinder aber nicht »offen Weihnachten feiern« könnten.
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 20.01.2012