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Adiós, USA und Kanada
Die Staaten Lateinamerikas und der Karibik bilden eine neue Gemeinschaft ohne den Norden
Mehr Einheit, aber bitte ohne die USA und Kanada. So lautet das Motto von 33 Ländern Lateinamerikas und der Karibik, die am Freitag und Samstag in Caracas zum formellen Gründungsgipfel der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC) zusammenkommen.
Vor einem Jahrzehnt wäre es noch undenkbar gewesen, dass sich die Staaten Lateinamerikas und der Karibik jenseits der von Washington kontrollierten Organisation Amerikaner Staaten (OAS) zusammenschließen könnten. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen und belegt, dass die USA nicht nur weltweit, sondern sogar in ihrem »Hinterhof« massiv an Einfluss verlieren. Die Bildung der lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC) stellt den vorläufigen Höhepunkt im außenpolitischen und regionalen Emanzipationsprozess der karibischen, süd- und mittelamerikanischen Staaten dar. Mexiko, das geografisch zu Nordamerika zählt, gehört selbstverständlich dazu.
Verschiedene Faktoren haben diese Entwicklung gefördert. Ein Hauptgrund war und ist, dass sich die USA in den 1990er Jahren unter Präsident William »Bill« Clinton zuerst verstärkt Osteuropa und dann unter George W. Bush dem Mittleren Osten und Asien zugewandt haben. Neokonservative Hardliner kritisierten schon zu Beginn des neuen Jahrtausends, dass Washington seinen »Hinterhof« vernachlässige, während die ökonomische Präsenz der Europäer und Chinesen steigt. Die Regierung Bush versuchte das Ruder noch einmal herumzureißen, indem sie die Freihandelszone ALCA, die von Alaska bis Feuerland reichen sollte, umsetzen wollte. Aber auf dem Amerika-Gipfel 2005 im argentinischen Mar del Plata erlitt Bush junior Schiffbruch. Da allein Brasilien, das außenpolitisch einflussreichste Schwellenland der Region, schon aus ökonomischen und machtpolitischen Gründen kein Interesse daran hatte, sich dem Washingtoner Wirtschaftsdiktat zu unterwerfen, musste ALCA scheitern.
Hinzu kam, dass Venezuelas Präsident Hugo Chávez zusammen mit Kubas Staatschef Fidel Castro begonnen hatte, mit der Bolivarianischen Alternative für die Völker unseres Amerikas (ALBA), nicht nur sprachlich, sondern auch wirtschaftlich und industriell, sozial, politisch und kulturell ein Gegenmodell zur ALCA zu etablieren.
Die unterschiedlichen Integrationsbemühungen in Südamerika brachten 2008 die Union Südamerikanischer Nationen UNASUR hervor. Von ihrer Konzeption her war sie als Konkurrenzprojekt zur OAS angelegt. Washington nahm den Fehdehandschuh auf und reagierte unter anderem 2009 mit dem Putsch in Honduras. UNASUR zeigte zwar politische Geschlossenheit, konnte aber die Etablierung der Putschregierung nicht verhindern.
Parallel dazu haben die USA ihre militärische Präsenz in der Region verstärkt, indem sie ihre IV. Flotte reaktivierten. Nach wie vor überwacht das US-Südkommando das gesamte CELAC-Gebiet. Hierbei geht es um einen Wirtschaftsraum, der ein Bruttoinlandsprodukt von 6,3 Billionen US-Dollar (USA 14 Billionen) erwirtschaftet und mit 338 Milliarden Barrel Öl über die weltgrößten Ölreserven verfügt. Schlechte Aussichten für die USA und EU, wenn sie demnächst geschlossen mit der CELAC verhandeln müssen.
Ingo Niebel
Neues Deutschland, 02.12.2011