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Ohne Washington
In Caracas wird am Freitag die lateinamerikanische Staatengemeinschaft CELAC gegründet
Venezuelas Hauptstadt Caracas empfängt in dieser Woche die Staats- und Regierungschefs aus 32 Ländern Lateinamerikas und der Karibik zu einem in der jüngeren Geschichte der Region beispiellosen Gipfeltreffen. Dabei soll eine von Mexiko bis Patagonien reichende neue Organisation gegründet werden, an der weder die USA noch Kanada beteiligt sind.
Obwohl einige Regierungen wie die Kolumbiens die Bedeutung des Treffens abzuschwächen versuchen und es als eine einfache Fortsetzung der Arbeit der bisherigen Rio-Gruppe verstanden wissen wollen, ist dessen Bedeutung für den Kontinent groß. Der erste und bislang einzige Versuch, in dieser Weise Lateinamerika zu vereinen, war 1826 der gescheiterte Kongreß von Panama, durch den Simón Bolívar versuchte, die gerade errungene Unabhängigkeit der früheren spanischen Kolonien gegen die neue Gefahr aus dem Norden zu verteidigen. Erst fast zwei Jahrhunderte später wurde Anfang 2010 bei einem Gipfeltreffen im mexikanischen Cancún die Schaffung der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC) beschlossen, die den Beziehungen der Mitgliedsländer eine neue Grundlage geben soll. Damit stellt die CELAC vor allem eine Alternative zu aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Strukturen wie der von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) dar. Und sie ergänzt jüngere regionale Initiativen wie die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und die antiimperialistische Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA). Auch dank der politischen und solidarischen Zusammenarbeit in deren Rahmen ist es vor allem den fortschrittlichen Ländern des Kontinents bislang gelungen, nicht von der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise mitgerissen zu werden. Derzeit steht Lateinamerika sogar besser da als Europa und andere Regionen des Planeten, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise zu bewältigen. So vereinbarten Uruguay und Venezuela ein den Realitäten beider Länder gerecht werdendes Wirtschaftsabkommen, demzufolge Montevideo das venezolanische Erdöl teilweise durch Lebensmittellieferungen bezahlt.
Neben fortschrittlich regierten Ländern wie Venezuela oder Kuba haben auch Staaten wie Chile, Kolumbien oder Mexiko bereits signalisiert, die Gründungsurkunde der neuen Organisation unterzeichnen zu wollen. In ihr werden die Prinzipien einer Einheit Lateinamerikas und der Karibik festgeschrieben. So soll die Gründung der CELAC zu mehr Autonomie für die Region führen, damit deren Regierungen ihre Entscheidungen entsprechend der eigenen Interessen und nicht im Sinne Washingtons treffen können.
Bei der Gipfelkonferenz finden zahlreiche bilaterale Begegnungen statt. Bereits am Montag traf Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos in Caracas ein, um mit seinem venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez zwölf neue Kooperationsabkommen zu unterzeichnen. Am Freitag wollen die Präsidentinnen von Argentinien, Cristina Fernández, und von Brasilien, Dilma Rousseff, die Gelegenheit nutzen, um die Beziehungen ihrer beiden großen Länder zu diskutieren.
Auch Boliviens Vizepräsident Álvaro García Linera hob am Rande eines internationalen Philosophiekongresses im venezolanischen Maracaibo am Montag die Bedeutung der Gründung der CELAC hervor. »Das ist ein Treffen zwischen Brüdern ohne die Präsenz der USA. Das gemeinsame Ziel Lateinamerikas ist nicht das der USA, die eine Großmacht sind und eine andere Sichtweise auf das Zusammenleben haben, die uns in der Vergangenheit geschadet hat.«
Veröffentlichung |
Modaira Rubio, Maracaibo
junge Welt, 01.12.2011