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Frei im Morgengrauen
Als hätten es die Behörden von Marianna im US-Bundesstaat Florida nicht abwarten können, ihren international bekanntesten Häftling loszuwerden: Am frühen Freitag morgen um 4.30 Uhr wurde René González aus dem Gefängnis entlassen. Am Ausgang erwarteten ihn seine Töchter Irma und Ivette, sein Bruder Roberto und sein Vater Cándido. Seine Mutter Irma Sehweret und seine Ehefrau Olga Salanueva konnten ihn hingegen nicht in die Arme schließen, da ihnen Washington die Einreise in die USA verweigert.
González gehört zu der Gruppe von fünf Kubanern, die vor 13 Jahren in den Vereinigten Staaten verhaftet wurden, weil sie rechtsextreme Terrororganisationen in Miami unterwandert hatten, um Anschläge in ihrem Heimatland zu verhindern. Dafür wurden sie nach einem von Unregelmäßigkeiten überschatteten Prozeß im Juni 2001 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die bis zu mehrfach »lebenslänglich« reichen. Eine Freilassung seiner vier Genossen Gerardo Hernández, Fernando González, Ramón Labañino und Antonio Guerrero zeichnet sich bislang nicht ab. Die juristischen Möglichkeiten für eine Aufhebung ihrer Urteile sind nahezu ausgeschöpft, so daß die internationale Solidaritätsbewegung an US-Präsident Barack Obama appelliert, von seinem Recht Gebrauch zu machen, die Männer zu begnadigen.
Doch auch René González ist noch nicht wirklich frei. Da seine Haftentlassung auf Bewährung erfolgte, darf er in den kommenden drei Jahren die USA nicht verlassen. Das sei eine zusätzliche Strafe, die er fernab von seiner Familie verbüßen müsse, kritisierte sein Verteidiger Philip Horowitz. Die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Ausreiseverbots durch die Staatsanwaltschaft sei »unglaublich«. Gesundheitlich gehe es González gut, meldete der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur.
González’ Angehörige fürchten jedoch um sein Leben, da er wie seine vier Genossen zu einer Haßfigur für die antikommunistischen Exilkubaner in den USA geworden sei, von denen viele gewaltbereit seien. Auch das deutsche Netzwerk Cuba, ein Zusammenschluß hier aktiver Solidaritätsgruppen, warnt: »Jeder, der nur ein bißchen über die in Florida tätigen terroristischen exilkubanischen Organisationen weiß, die nicht davor zurückschrecken, ggf. völlig Unbeteiligte und Kinder umzubringen, weiß ebenso, daß sich René González bei dem erzwungenen zusätzlichen Aufenthalt in Florida in ständiger Lebensgefahr befinden wird.« Das Bündnis unterstützt deshalb eine vom US-amerikanischen Netzwerk für die Freilassung der »Cuban Five« initiierte Onlineresolution, mit der Obama aufgefordert wird, zumindest die sofortige Ausreise von González zu ermöglichen.
Antonio Guerrero, ein anderer der fünf in Kuba als Helden verehrten Männer, wandte sich nach Bekanntwerden der Freilassung aus dem Gefängnis mit einer kurzen Botschaft an seinen Genossen: »Sehr oft habe ich an diesen Tag gedacht, an dem René seine ungerechte Strafe beenden und in Freiheit kommen würde, vor allem in jenen über acht Jahren, in denen ich auf meinen Schultern die Last des Urteils lebenslänglicher Haft trage. Mit dem Denken an diesen Tag hatte ich immer einen Grund zur Freude. Die Ungerechtigkeit kann man nicht ungeschehen machen. Aber im Grunde sind wir immer freie Männer gewesen, und ab diesem 7. Oktober werden wir es noch mehr sein.«
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 08.10.2011