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Fidel ist Fidel
Kubas Revolutionsführer wird heute 85 Jahre alt – der Übergang zu Raúl verlief glatter als erwartet
Am heutigen Sonnabend wird Fidel Castro 85 Jahre alt. An den Schalthebeln der Macht hat ihn seit fünf Jahren sein Bruder Raúl abgelöst. In der kubanischen Wirtschaft hat ein Reformprozess mit ungewissem Ausgang begonnen.
Kuba ohne Fidel Castro an der Staatsspitze? Vor einigen Jahren noch schien dieser Gedanke undenkbar. Tatsächlich war der jähe Rückzug des kubanischen Revolutionsführers Mitte 2006 ein Schock für Kuba. Aus gesundheitlichen Gründen übergab der damals 79-Jährige die Regierungsgeschäfte gleichsam über Nacht an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder, Kubas langjährigen Verteidigungsminister Raúl Castro. Seinen heutigen 85. Geburtstag feiert Fidel Castro nicht als »Comandante en Jefe«, sondern, wie er einmal schrieb, als »einfacher Soldat der Ideen«.
Dass Fidel Castro nach 45 Jahren an der Spitze »der Revolution«, wie das als dauerhafter Prozess verstandene sozialistische System auf Kuba heißt, nicht auf einmal von der Bildfläche verschwindet, war aber auch klar. Seinen ersten großen Auftritt als Interims-Regierungschef im Dezember 2006 zum 50. Jahrestag der Landung der Yacht »Granma« beendete Raúl Castro mit den Worten: »Lang lebe Fidel! Lang lebe das freie Kuba!« Deutlicher wurde der jüngere der Castro-Brüder Anfang 2008 bei seiner ersten Ansprache als gewählter Staats- und Regierungschef: »Fidel ist Fidel, das ist uns allen klar. Fidel ist unersetzbar und das Volk wird sein Werk weiterführen, wenn er physisch nicht mehr anwesend ist. Seine Ideen werden immer bestehen, die den Bau dieser Bastion der Würde und Gerechtigkeit möglich gemacht haben, die unser Land repräsentiert.«
Noch aber ist Fidel Castro präsent. Nach mehreren Monaten der Abwesenheit und zahlreichen operativen Eingriffen kehrte der inzwischen 80-Jährige im März 2007 mit einem moralpolitischen Essay auf die politische Bühne zurück. In eindringlichen Worten kritisierte er die Orientierung der US-amerikanischen Automobilindustrie auf Agrartreibstoff, während drei Milliarden Menschen auf der Welt durch Verhungern und Verdursten vorzeitig zum Tode verurteilt sind. Seither sind Hunderte seiner »Reflexiones« erschienen, die sich bis auf wenige Ausnahmen auf internationale Themen beziehen. Friedenspolitik, Abrüstung, Ernährungssicherheit, Wirtschaftskooperation waren Themen der »Überlegungen des Genossen Fidel«, während Raúl Castro nach und nach das Ruder übernahm.
Fünf Jahre nach dem jähen Wechsel hat sich diese Rollenaufteilung verfestigt. Raúl Castro führt einen umfassenden Reformprozess an, der die Defizite der Notwirtschaft der vergangenen zwei Jahrzehnte nachhaltig zu überwinden versucht. Fidel widmet sich der internationalen Politik und nimmt seit seiner Genesung eine repräsentative Rolle ein.
Und natürlich hat sich auch der politische Stil geändert. Allein schon diese »Aktualisierung des kubanischen Wirtschaftsmodells« ist eine wohlkalkulierte Änderung der politischen Kultur Fidel Castros, die auf Kampagnen, Massenmobilisierung und Voluntarismus setzte. Den Bruch mit einem »Fidelismus«, über den auch in Deutschland selbsternannte »Kubanologen« immer wieder schwadronierten, bedeutet das jedoch nicht. Auch Berichte der vergangenen fünf Jahre über vermeintliche Streits erwiesen sich stets als mal mehr, mal minder seriös präsentierte Klatschgeschichten. Allein der Rückzug Fidel Castros von der Staatsspitze strafte schließlich all jene Lügen, von denen die Stabilität des kubanischen Sozialismus mit einem vermeintlichen Personenkult um ihren Anführer begründet wurde.
Zum 85. Geburtstag werden Künstler aus neun Staaten eine Gala zu Ehren des kubanischen Revolutionsführers organisieren. Es werde eine »Serenade der Treue« (Serenata de la Fidelidad), kündigte Pablo Guayasamín, der Organisator und Sohn des ecuadorianischen Malers Oswaldo Guayasamín, an. Hunderte Gäste werden im Theater »Karl Marx«, dem größten Schauspielhaus des Inselstaates, erwartet. Ob Fidel Castro anwesend ist, vermochte der Verantwortliche für die Gala nicht zu sagen. So wird es wieder ein bisschen so sein wie bei Empfängen zu den Zeiten des Regierungspolitikers Fidel Castro. Man wird bis zuletzt auf den »Comandante« warten. Und wenn er dann kommt, vielleicht wird er ja auch reden. Sicher aber kürzer als manches Mal in der Vergangenheit.
Harald Neuber
Neues Deutschland, 13.08.2011