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Raúl Castros letztes Gefecht

Kubas Präsident will den Sozialismus »perfektionieren«

Die Ära Fidel Castros ist zu Ende. Mit der Wahl des neuen Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) zum Abschluss des 6. Parteikongresses hat der Revolutionsführer auch offiziell seinen Posten als Parteivorsitzender aufgegeben. Faktisch hatte Raúl Castro, der als Nachfolger bestätigt wurde, die Aufgabe bereits seit Sommer 2006 ausgeübt. Damals hatte sich Fidel krankheitsbedingt zurückgezogen.

Am Ende tauchte Fidel doch noch auf. Von einem Leibwächter gestützt, trat der 84-Jährige in den Plenarsaal des Palacio de las Convenciones. Unter Applaus und »Viva-Fidel«-Rufen nahm er, in kariertem Hemd und dunklem Sportanzug, neben seinem Bruder Platz. Am Vortag noch hatte er von zu Hause aus seine Stimme für die Wahl des neuen Zentralkomitees mit 115 Mitgliedern abgegeben. Auch auf der Militärparade zum 50. Jahrestag des Sieges gegen die Invasoren in der Schweinebucht am Samstag hatte er gefehlt.

Am Montag hatte Fidel Castro bereits seinen endgültigen Rückzug aus der Parteipolitik bekannt gegeben. »Raúl wusste, dass ich inzwischen keinen Posten mehr in der Partei akzeptieren würde«, hieß es in einem Aufsatz, der in kubanischen Medien veröffentlicht wurde. Er werde ein einfacher »Soldat der Ideen« bleiben, hatte er schon früher erklärt. »Fidel ist Fidel«, entgegnete Raúl Castro in seiner Abschlussrede zum Parteitag: »Er braucht keinen Posten, um für immer einen herausragenden Platz in Geschichte, Gegenwart und Zukunft der kubanischen Nation zu haben.«

Der verbindliche Rückzug Fidel Castros aus der aktiven Partei- und Regierungspolitik soll zugleich einen personellen Wandel in der politischen Führung einleiten. Die Verjüngung der Leitungsgremien sei eine vorrangige Aufgabe der kommenden Jahre, hatte Raúl Castro zu Beginn des viertägigen Kongresses gemahnt. Dass eben dieser Nachwuchs fehlt, zeigt das neue Politbüro: Der Altersdurchschnitt in dem von 24 auf 15 Mitglieder geschrumpften Gremium beträgt 67 Jahre, nur drei Mitglieder sind neu. Der Rückschlag nach der Abberufung zweier Hoffnungsträger vor zwei Jahren – des damaligen Außenministers Felipe Pérez Roque und des Ministerratssekretärs Carlos Lage – ist offenbar noch nicht überwunden.

Im Zentrum des Kongresses stand indes ein Paket von 313 wirtschaftspolitischen Reformmaßnahmen. Zu den noch nicht vollständig bekannten »Lineamientos« (etwa: Leitlinien) zählt unter anderem die Förderung von Kleinunternehmen, selbstständiger Arbeit und Kooperativen. Staatliche Beschäftigte – die rund 90 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung ausmachen – sollen in zunehmendem Maße in neu strukturierte Wirtschaftsbereiche wie der Baubranche, der Erdölindustrie und der Landwirtschaft Arbeit finden. Die Umstrukturierung ist bislang schleppend angelaufen, so dass die Frist für die Entlassung von 500 000 Staatsangestellten verlängert wurde.

Oppositionelle Gruppierungen in Kuba bemängeln die Reformen erwartungsgemäß als unzureichend. So bezeichnete Regierungsgegner Manuel Cuesta von einer Gruppierung namens »Arco Progresista« die Begrenzung von Amtszeiten nach Angaben der spanischen Nachrichtenagentur EFE als »Ironie«, weil viele der Verantwortlichen schon 50 Jahre an der Macht seien. In Kuba spielte diese Kritik jedoch keine Rolle, zumal viele klassische Kritikpunkte der Opposition in den Debatten des PCC-Kongresses aufgegriffen wurden.

Um die sozialen Probleme zu überwinden, soll die anerkanntermaßen defizitäre Nationalökonomie für die Wiedereingliederung Kubas in die internationalen Märkte fit gemacht werden. Die Führung in Havanna setzt dabei vor allem auf die lateinamerikanische Integration und die Zusammenarbeit mit Schwellenländern wie Brasilien, China, Iran oder Indien. Eine klare Absage erteilte Raúl Castro indes Interpretationen, nach denen die Reformen – in Kuba ist von der »Aktualisierung des Wirtschaftsmodells« die Rede – eine Restauration vorrevolutionärer Verhältnisse einleiten. »Ich nehme meine letzte Aufgabe an«, sagte er zum Ende des Kongresses. Dies geschehe in der »aufrichtigen Überzeugung und der Ehrenverpflichtung, dass es meine vorrangige Schuldigkeit sein wird, die Perfektionierung des Sozialismus zu verteidigen, zu erhalten und weiter zu verfolgen.« In einer Resolution des Parteitages war zuvor das Primat des »sozialistischen Volkseigentums über die Hauptproduktionsmittel« wiederholt bekräftigt worden.

Neues Deutschland Harald Neuber
Neues Deutschland, 21.04.2011