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Kulturmarathon durch eine ganze Insel

Die XX. Internationale Buchmesse in Havanna

Am 10. Februar wurde zum zwanzigsten Mal die Internationale Buchmesse unter ihrem Motto »Lesen heißt wachsen« in Havanna eröffnet. Als Völker des ALBA stellen sich die Gastländer Nicaragua, Venezuela, Bolivia, Ecuador, Dominica, Antigua und Barbuda, San Vicente und Las Granadinas vor – Kuba und Venezuela gründeten 2004 diese Bolivarische Alternative (ALBA) als wirtschafliches Integrationsmodell für Lateinamerika und die Karibik.

Mit etwa 500 Veranstaltungen erwartet den Besucher ein umfangreiches Programm. Dieses Jahr sind die Schwerpunkte die Unabhängigkeitskämpfe Lateinamerikas vor 200 Jahren, die 220 Jahre Haitianische Revolution sowie die erste Deklaration zur Abschaffung der Sklaverei in der Karibik. Täglich finden Debatten über Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Regionen statt.

Der Hauptsitz der Buchmesse ist die an der Bucht von Havanna gelegene Festung San Carlos de la Cabaña aus dem 18. Jahrhundert. Der erste Buchmessentag begann mit der Verleihung des Nationalpreises für Literatur. Dieses Jahr ging er an den uruguayisch-kubanischen Schriftsteller Daniel Chavarría (1933), der 1969, begeistert für die Revolution, mit seiner Frau nach Havanna kam und mit seinem Schaffen insbesondere dem Krimi neue Impulse verlieh.

Bei diesem Literaturereignis zeigte sich einmal mehr die freundliche Atmosphäre, die viele kulturelle Veranstaltungen in Kuba auszeichnet. Sicher, man feiert sich zum großen Teil auch immer selbst. Doch wäre es in Deutschland wohl undenkbar, dass sich der Kulturminister einer Gruppe nähert und jedem einzelnen herzlich die Hand schüttelt, wie es Abel Prieto tat, oder literarische Koryphäen wie etwa Antón Arrufat dich in ein Gespräch verwickeln. Aber diesmal ist es ein regelrechter Kulturmarathon zwischen Cabaña und Stadt, der allen Beteiligten einiges abverlangt.

Wie jedes Jahr wird die Buchmesse kubanischen Intellektuellen gewidmet. 2011 sind es der Romancier Jaime Sarusky (geboren 1931) und der Essayist Fernando Martínez Heredia (geboren 1939). Zeichnet sich Sarusky durch ein solides Prosawerk aus, so erhält Martínez Heredia Anerkennung für seine kritischen Analysen des Sozialismus in Kuba .

Die Buchmesse ist eine Verkaufsmesse. Eine neue Plattform für Verleger und Literaturagenten zeigt, dass man sich zunehmend auch mit dem internationalen Buchmarkt beschäftigt. Zuleica Romay Guerra, Präsidentin des kubanischen Buchinstituts, betonte, dass es »unseren Verlagen trotz Finanzkrise gelungen ist, die Buchproduktion stabil zu halten«.
Aussteller aus mehr als 45 Ländern sind nach Havanna gekommen. In Abwesenheit ihres Repräsentaten stellt sich auch die Frankfurter Buchmesse wieder mit literarischen Neuerscheinungen und Spachlehrbüchern in der Cabaña vor. Die linken Gruppen, allen voran das Netzwerk Kuba, der Verlag 8. Mai und Cuba Sí, halten dem offiziellen Kuba weiterhin die Treue.

Indes ist die wirtschaftliche Situation der Kubaner weiterhin prekär. Die Menschen auf der Straße sind sehr besorgt. Das Verkehrschaos in Havannas Straßen stellt nur das kleinere übel dar. Im April wird der VI. Kongress der KP über die »Aktualisierung der nationalen Ökonomie« entscheiden. Nachhaltige Verbesserungen sind der Bevölkerung allemal zu wünschen.

Die Buchmesse wird ab 21. Februar durch weitere 15 Provinzen ziehen und endet am 6. März in Santiago de Cuba. Bis dahin erwarten mich in der Cabaña noch spannende Momente, wie der Auftritt der guatemaltekischen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, die Präsentation des Buches »Der Mann, der Hunde liebte«, in dem Leonardo Padura nicht nur ein kritisches Auge auf die sowjetische Revolution wirft oder die literarisch-musikalische Veranstaltung mit Silvio Rodríguez.

Neues Deutschland Ute Evers, Havanna
Neues Deutschland, 15.02.2011