Helden der freien Welt
Dissidenten in Kuba
Im März 2003 enttarnten sich einige cubanische Agenten, die jahrelang für den Geheimdienst ihres Landes systemfeindliche Gruppen auf der Insel infiltriert hatten. Gleichzeitig wurden landesweit 75 Menschen verhaftet, was in der "freien Welt" helle Empörung auslöste. Zu teilweise drakonisch anmutenden Freiheitsstrafen verurteilt, avancierten sie in den westlichen Medien schnell zu Kämpfern für die Menschenrechte und gegen die Willkür eines tyrannischen Regimes.
Helden der freien Welt - Dissidenten in Kuba
Das Buch von Renate und Ulrich Fausten untersucht, was sich hinter diesem Status verbirgt. Es geht Fragen nach, die sonst gerne ausgeblendet werden: Was hat es mit diesen Dissidenten auf sich? Was sind das für Personen? Was sind ihre Beweggründe? Wem dienen sie? Wer protegiert sie und warum?
PapyRossa Verlag, 2007, 144 Seiten, Taschenbuch, 12,00 €, ISBN 978-3-89438-359-6
Renate Fausten, *1950; Bundesvorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba; zahlreiche Artikel zu cubanischen Themen. Ulrich Fausten, *1951; Redakteur der Zeitschrift "Cuba Libre"; Artikel und Radiobeiträge zu Cuba. Beide sind Lehrer für Deutsch und Englisch und reisen seit 1994 mindestens für zwei Monate pro Jahr nach Cuba.
Inhalt und Leseproben
Einleitung
Wenn unser Freund, der kolumbianische Journalist und Buchautor Hernando Calvo Ospina, in Paris oder Brüssel oder anderswo im westlichen Europa einen Vortrag über Cuba hält, kommt spätestens bei der anschließenden Diskussionsrunde aus dem in aller Regel linken, aber doch kritischem Publikum unweigerlich die Frage: "Und wie halten Sie es mit den Dissidenten?"
Hernando antwortet darauf gern mit einer Art Parabel. Er sagt etwa: Dissidenz bedeute nach der enzyklopädischen Wortdefinition eigentlich nichts anderes als eine abweichende Meinung. Nun sei beispielsweise seine Frau über dieses oder jenes häufig völlig anderer Ansicht als er. Aber egal, wie heftig der Streit auch sei, seine Frau würde niemals auf die Idee kommen, zu ihrer intriganten Nachbarin zu laufen und mit ihr ein Mordkomplott gegen ihn zu schmieden.
Die Reaktionen auf diese Antwort sind unterschiedlich. Manche applaudieren, bei anderen löst sie Unwillen aus, vermutlich weil sie sie für frivol halten. "Wie kann man etwas so Unbedeutendes wie einen Ehezwist mit dem Schicksal von 75 Menschen vergleichen, die aufgrund eines Zwistes mit ihrer Regierung verhaftet wurden", mögen Letztere sich sagen.
Die Dimensionen stimmen also nicht?
Die Dimensionen stimmen übrigens ebenso wenig, wenn man das Los von 75 Gefangenen mit dem eines ganzen Volkes vergleicht.
Das macht man ja auch nicht? Ganz recht. Das sollte man aber!
Dissidenten sind laut dem Lexikon der Königlich Spanischen Akademie solche, die "von der gemeinsamen Lehre, dem gemeinsamen Glauben oder der gemeinsamen Handlung abweichen". Doch wenn wir im folgenden von "Dissidenten" sprechen, meinen wir Leute, die in Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung – und von dieser finanziert – auf das Ende der Souveränität des eigenen Landes hinarbeiten. [...]
Die Achillesferse bei den "Dissidenten" besteht darin, dass sie nur so lange zur Schaffung einer empörten Grundstimmung taugen, wie es gelingt, das Thema kontextfrei zu halten, ihre Verurteilung also hinzustellen, als wäre sie nichts weiter als die habituelle Bosheit einer Diktatur. Wüsste man Näheres über die Inhaftierten, dann könnte allzu vielen klar werden, dass jene Urteile von Havanna März/April 2003, auch wenn ihre Höhe zu diskutieren wäre, als Beleg für tyrannische Willkür kaum herzuhalten vermögen.
Eine differenzierte Sicht der Dinge ist aber keinesfalls erwünscht. Es würde sonst gefragt, ob
die Betreffenden eine Verhökerung staatlicher Souveränität betrieben oder nicht, indem sie
jenen Kräften in den USA zuarbeiten, die Cuba annektieren wollen; die die Besitzverhältnisse
von 1958 wiederherstellen, alle Sozialleistungen auf Null zurückführen und angebliche Schulden
an die USA über Generationen hinweg eintreiben wollen. Und wenn die immer konkreter werdende
militärische Bedrohung Cubas sichtbar würde, könnte eine Menge Zeitungsleser und
Fernsehzuschauer ins Grübeln geraten über Leute, die dem Geschäft der Dissidenz nachgehen.
Denn dass es ein Broterwerb ist, in Cuba Dissident zu sein, wissen hierzulande nur wenige. Und Opposition
ist ja wohl etwas anderes!
Solche Zusammenhänge zu verbreiten oder auch nur anzudeuten, wäre kontraproduktiv. Wenn man
Castro loswerden will, muss man kompliziertes Zeug vermeiden, um keine unnötige Verwirrung zu
stiften in einer Öffentlichkeit, die in möglichst breiter Front gegen ihn aufzubringen man doch
angetreten ist.
Was die große Mehrheit der Cubaner und Cubanerinnen will, schert dabei wenig.
[...]
Unabhängige Journalisten
An einem Tag des Jahres 1993, auf dem Höhepunkt der "Sonderperiode", die in Cuba ausgerufen wird, als ihm durch den Zerfall des Sozialismus in Osteuropa sozusagen über Nacht 85% seiner Märkte wegbrechen und es im wirtschaftlichen Chaos zu versinken droht, geht Nestor Baguer zum Haus von Elzardo Sanchez.
Dessen Frau öffnet die Tür: Als Baguer fragt, ob ihr Mann zu sprechen sei, stellt sie eine Gegenfrage. "Sie meinen den Präsidenten Cubas?"
Baguer meistert seine Verblüffung und antwortet: "Gut, wenn er der Präsident Cubas ist, habe ich noch mehr Grund ihn zu sprechen. Sagen Sie ihm, dass Nestor Baguer hier ist."
Elizardo Sanchez, ein ehemaliger Philosophieprofessor für Marxismus an der Universität von Havanna, wo er sich in der 60er Jahren einen Namen machte mit seiner kritischen Haltung zur cubanischen Revolution, die er für "nicht links genug" hielt, hat soeben einen verbissenen Machtkampf um die Führung im "Corriente Socialista Democrática Cubana" (Sozialistisch-Demokratische Cubanische Strömung) zu seinen Gunsten entschieden und gilt als Oppositioneller von Rang, "der öffentlich sagt, dass er von den Nordamerikanern kein Geld akzeptiere, es sei denn, sie schickten es ihm nach Europa". Die alte Welt ist eher sein Terrain als die neue. Insbesondere die Schweden, die Franzosen und die Spanier hofierten ihn. Nicht zuletzt finanziell.
Nestor Baguer besitzt als Journalist, der u.a. für die cubanischen Zeitungen Trabajadores und Juventud Rebelde sowie bei Radio Metropolitana und Radio Habana tätig war, einen guten Ruf. Dass er nebenbei unter dem Decknamen "Octavio" schon seit Jahren für cubanische Sicherheitsorgane arbeitet, ist sein Geheimnis. [...]
Baguer ist seinem Gastgeber hochwillkommen. Er erfährt, dass Sanchez Schwager Yndamiro Restano, der Chef der "Prensa Independiente de Cuba" (Unabhängige Presse Cubas), nicht schreiben könne, weshalb ein "richtiger Journalist" dringend benötigt werde, um die Leitung dieser Presseagentur zu übernehmen. [...]
Zunächst einmal kann überhaupt keine Rede davon sein, dass Nestor Baguer bei Yndamiro Restano, jenem Pressechef, der laut dem prominenten Elizardo Sanchez "nicht schreiben" kann, mit offenen Armen aufgenommen wird. Im Gegenteil! Restano fürchtet anscheinend nichts mehr, als dass ihn ein professioneller Journalist von seinem schönen Posten – und von den Fleischtöpfen der nordamerikanischen und europäischen Sponsoren – verdrängen könnte. [...]
Yndamiro Restano sitzt auf dem Geld, das ihm in seiner Position aus verschiedenen Quellen zufließt. Robert Ménard, der Vertreter der "Reporter ohne Grenzen" (RSF), musste eigens anreisen, um von Restano die Rückgabe von Geld zu fordern, "das dieser hätte verteilen sollen, aber für sich selbst behalten hatte".
Nun gehören die RSF mit Hauptsitz in Paris zu den europäischen Gönnern der cubanischen
Subversion. Den Löwenanteil ihrer Bezüge erhalten die "unabhängigen Journalisten"
freilich aus den Vereinigten Staaten. Wie hat man sich das vorzustellen?
Im Prinzip recht einfach: Der US-Kongress bewilligt jedes Jahr Millionen Dollar für die
Destabilisierung Cubas. Er darf diese Gelder aber nicht auf direktem Wege einsetzen, denn das
verstieße gegen die Verfassung. Hier kommt das NED ("National Endowment für
Democracy") ins Spiel, eine gemeinnützige Stiftung, die ihrerseits Kongressgelder sowohl
empfangen als auch weiterleiten darf. Etwa als "Hilfe zur Demokratisierung Cubas" oder als
"Unterstützung beim Aufbau der cubanischen Zivilgesellschaft" oder ähnlichen anderen
Projekten, die hinter ihren ehrenwerten Aushängeschildern nichts anderes verbergen als das
sabotieren eines unliebsamen Systems. Ein Teil des NED-Geldes landet dann beispielsweise bei
"Cubanet", einer Agentur mit Sitz in Miami, die sich der Förderung "unabhängiger
Journalisten" in Cuba verpflichtet hat. Und "Cubanet" schickt es nun entweder durch einen
Kurier oder über die Western Union per Transcard an Yndamiro Restano, der es in seine Matratze stopft.
Dem Vernehmen nach dünnt der Geldfluß bereits merklich aus, bevor er Cuba überhaupt
erreicht. Baguer behauptet, "dass 80% dieser Millionen in Florida geblieben sind". Namentlich
Rosa Berre, der Gründerin von "Cubanet", wirft er vor, sich an den Zuwendungen des NED
persönlich bereichert zu haben, und "offensichtlich gaben sie ihr desto mehr Geld, je mehr
Leute sich der Sache des ‚Unabhängigsein‘ verschrieben". Auch die Macher der US-Agenturen
"Nueva Prensa Cubana" und "Prensa Libre" zeiht er der Veruntreuung im großen
Stil.
Aber lassen wir die Cubano-Amerikaner, die in "Gottes eigenem Land" die Mentalität des
Abgreifens als dem Kapitalismus immanent verstehen, einmal außen vor. Beschränken wir unsere
Betrachtung der Liebhaber der "freien Presse" auf die Inselcubaner.
Für die Mitarbeit in der "Prensa Independiente de Cuba" gab es laut Baguer zwei attraktive
Beweggründe: "Zum einen das Visum das man ihnen sofort gab. Es genügte, dass die Leute
hier einen Monat geschrieben hatten, und schon ging es mit dem ersten Flugzeug in die USA. Sie ersparten
sich auf diese Weise die Schlangen, die Unannehmlichkeiten und Demütigungen in der
Interessenvertretung. Zum anderen die Bezahlung 20-40$ im Monat, nur fürs Ballonaufblasen.
Irgendwann kamen so viele vorbei, dass ich sie nicht mehr beschäftigen konnte."
Die Folge ist, dass neue Pressegruppen entstehen. Mit Leitern, die es nicht anders machen als Restano und
ihre Zuarbeiter bei der Entlohnung ebenfalls übers Ohr hauen. Und wer sich nicht mehr mit Brosamen
begnügen will, die vom tisch des Herren fallen, der schmeißt hin und gründet seine eigene
Gruppe. Und immer so weiter. Wie bei der Zellteilung.
Neben den bereits genannten US-Organisationen verdient hier noch die NGO "Freedom House" des
EX-Terroristen Frank Calzón erwähnt zu werden. Sie alle gießen ihr Füllhorn aus über
jene, die Führungspositionen bekleiden; und das löst einen Automatismus aus, den die
antisozialistischen Mäzene mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Einerseits
lässt sich eine ständig wachsende Zahl von Gruppen medienwirksam verkaufen, andererseits
verteuert dieser Trend die Angelegenheit erheblich.
Jede neue Gruppe, die unter diesem oder jenem Namen um Anerkennung buhlt, ist der US-Interessenvertretung
gegenüber in der Bringschuld, eine zumindest halbwegs präsentable Anzahl von Mitgliedern
vorzuweisen. Dass dabei die reale Ziffer mit etwa 10 multipliziert wird, ist eine Schätzung von
hanseatischer Zurückhaltung.
Die (meisten) Vertreter der US-Administration in Havanna sind nicht dumm. Sie wissen aus Erfahrung,
welche Münchhausiaden ihnen da aufgetischt werden, machen aber gute Miene zum bösen Spiel und
vermeiden es, dort nachzubohren, wo sie die Wahrheit lieber gar nicht hören wollen. [...]
Unabhängige Bibliothekare
(...)
Raul Rivero – die Ikone der Dissidenz
(...)
Unabhängige Gewerkschaften
(...)
Unabhängige Mediziner und Apotheken
(...)
Eine NGO im Gleichschritt mit Washington – Reporter ohne Grenzen (RSF)
(...)
Plan zu Annexion Cubas und die "Dissidenten"
Im Verlauf des Buches wurde schon mehrmals aufgezeigt, wie intensiv und herzlich das Verhältnis
zwischen Dissidenten und US-Interessenvertretung war und ist.
Eines ist sicher: diese Dissidenten arbeiten für einen Staat, der am 6. Mai 2004 auf 456 Seiten
detailliert ausführte, wie er sich die Übernahme der Insel vorstellt. Außer in Cuba hat
dieser ungeheuerliche Plan nirgends auf der Welt Bestürzung hervorgerufen. Man hat sich anscheinend
schon daran gewöhnt und es berührt niemanden mehr, wenn die USA ein Handbuch zur Übernahme
eines souveränen Staates veröffentlichen. Nach dem Vorbild von Orwells "Double Speak"
in "1984" heißt das Handbuch "Plan, um einem Freien Cuba zu helfen" – wobei ein
Staat immer dann "frei" ist, wenn er macht, was die USA sagen, und "helfen" immer die
Übernahme der Ressourcen eines Volkes durch die USA bedeutet.
Um das Volk zu "befreien", gibt es zwei Möglichkeiten. Man destabilisiert es von
außen und innen oder greift zur militärischen Invasion.
Teil I des umfangreichen Werkes widmet sich daher der "Destabilisierung", der Zerstörung
der Strukturen des Landes. Nun ist es ja nicht so, als ob die USA in den letzten 45 Jahren je etwas
anderes gemacht hätten. Terroranschläge, bakteriologischer Krieg, Invasion in der
Schweinebucht, eine Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die spätestens seit 1994
(Torricelli-Gesetz) und noch mehr seit 1997 (Helms-Burton-Gesetz) internationalisiert wurde, hatten
einzig und allein den Zweck, das cubanische Volk mürbe zu machen, in der Hoffnung, es werde
irgendwann seinen Widerstand aufgeben und seiner Regierung die Unterstützung entziehen. Zwar haben
auch im Jahre 2004 wieder fast alle Nationen in der UNO-Vollversammlung die Blockade der USA gegen Cuba
verurteilt, aber niemand rechnet damit, dass sich die USA an demokratisch zustande gekommene
Mehrheitsentscheidungen halten.
Teil I dieses neuen "Hilfsplans" basiert im Wesentlichen auf der Mitarbeit unserer
"Dissidenten". "Der Eckpfeiler unserer Politik ist, die aktive Unterstützung unserer
Gruppen innerhalb Cubas zu verstärken".
Mit diesen Gruppen sind natürlich die Dissidenten gemeint. Das für diesen Zweck zur
Verfügung stehende Geld wird auf 59 Millionen Dollar aufgestockt. Das sind aber nur die Fonds, die
offen durch den Abschnitt 109 des Helms-Burton-Gesetzes abgedeckt sind. Die Fonds, die auf Grund von
Abschnitt 115 des Helms-Burton-Gesetzes über die CIA und andere Geheimdienste an die
"Dissidenten" verteilt werden, sind erheblich größer. Die Höhe dieser
Beiträge werden wir aber frühestens in 20 Jahren kennen, wenn die Dokumente frei gegeben werden.
Fest steht, dass die "unabhängigen Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte"
vom US-Außenministerium von USAID, einer Vorfeldorganisation der US-Außenpolitik wie NED, und
anderen zur US-Regierung gehörenden Institutionen mit riesigen Mengen Geldes versorgt werden. Warum
wohl? Damit sie als "unabhängige Journalisten, Bibliothekare, Ärzte und was es sonst noch
so gibt die Interessen des cubanischen Volkes vertreten? Das Verrückte ist nicht, dass die USA
irgendwelche Leute in Cuba finanzieren, die für sie arbeiten, sondern dass es ihnen gelingt,
intelligente Leute in Europa und den USA ernsthaft glauben zu machen, diese repräsentieren die
cubanische Opposition.
Damit das so bleibt, wird ein Teil des Geldes in eine breit angelegte Desinformationskampagne investiert,
"um Informationen im Ausland zu streuen, hauptsächlich über Menschenrechte und andere
Entwicklungen in Cuba, zum Beispiel Castros Ruf, Terroristen Zuflucht zu gewähren, Spionage gegen
andere Länder zu begehen, die Subversion in demokratisch gewählten Regierungen Lateinamerikas
zu fördern, und der Glaube der US-Regierung, dass Cuba zumindest eine begrenzt offensive biologische
Waffenforschung betreibe." Die "unabhängigen" Journalisten spielen eine tragende
Rolle bei den Bemühungen, Cuba international zu isolieren.
Neu ist die offene Einbeziehung europäischer NGOs und Regierungen in die US-Annexionspolitik. Im
Plan heißt es: "Anstrengungen von NGOs in ausgewählten Drittländern
unterstützen, damit sie die Menschenrechtsverletzungen in Cuba als Teil einer breiteren Kampagne
hervorheben, die den Tourismus nach Cuba abträglich sein soll. (...) Solch eine Kampagne sollte auf
internationale Adressaten ausgerichtet sein ...". Aber nicht nur das. Die US-Regierung möchte,
dass Europäer für mehrere Wochen nach Cuba reisen können, um dann alle von den USA
finanzierten "unabhängigen" Gruppen zu unterstützen. Das gäbe dem ganzen eine
internationales Flair. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Europäische Freiwillige
helfen der Bush-Regierung dabei, Cuba zur Plünderung frei zu geben.
Gleichzeitig sollen die Regierungen anderer Staaten dazu aufgerufen werden, "die cubanische
Zivilgesellschaft, die Opposition eingeschlossen", zu unterstützen und "direkte
Beziehungen mit den legitimen unabhängigen Gruppen der Zivilgesellschaft aufzunehmen". Sie
sollen ferner dabei mithelfen, "finanzielle Unterstützung der US-Regierung bereitwilligen NGOs
in Drittländern zur Verfügung zu stellen".
Es würde zu weit führen, alle Aspekte dieses Kapitels zu durchleuchten. Deutlich wird, dass
unter allen Umständen verhindert werden soll, dass Dollars durch Tourismus, Handelsaustausch oder
Zuwendungen von Familienmitgliedern ins Land kommen.
Es wird versucht, den Tourismus durch cubafeindliche Kampagnen zu schädigen und die
geschäftlichen Beziehungen zwischen Cuba und dem Rest der Welt mit Hilfe des Office of Foreign
Assets Control (OFAC) zu verhindern. Dieses Büro zur Kontrolle ausländischer Vermögen ist
eine Organisation, die überall auf der Welt tätig ist, um den Handel mit Cuba zu torpedieren.
Die US-Regierung definiert nun für Cuba den Begriff "Familie": Dazu gehören seit
kurzem keine Onkel oder Tanten, keine Cousins oder Cousinen, keine Stiefgeschwister mehr. Aber auch
diejenigen, denen George Bush noch Familienstatus gewährt, dürfen ihre angehörigen in Cuba
nur noch alle 3 Jahre für 2 Wochen besuchen und dann nur 50 Dollar pro Tag mitnehmen. Im Klartext
heißt das: die Regierung der Vereinigten Staaten erlaubt es den cubanischen Söhnen und
Töchtern nur alle 3 Jahre, ihre Eltern zu sehen.
Dahinter steckt die Absicht, dass die normalen Cubaner oder der cubanische Staat möglichst keinen
Zugriff auf Dollars haben sollen. Alle Dollars, die ins Land kommen, sollen nur die
"Dissidenten" erreichen. Alle Anstrengungen sind darauf gerichtet, jegliche Art von
finanzieller Zuwendung zu unterbinden ( mit Belohnung für jeden, der den US-Behörden eine nicht
erlaubte Geldsendung meldet) und gleichzeitig alle legalen und illegalen Möglichkeiten zu nutzen,
den "Unabhängigen" Geld zukommen zu lassen. Nach Vorstellung der USA sollen also die
Durchschnittscubaner im Elend dahinsiechen, während die "guten" Dissidenten, die für
die USA, für Demokratie und Menschenrechte arbeiten, in Saus und Braus leben können. Selber
Schuld, wer sich und sein Land nicht an die USA verkauft. Das alles läuft unter dem Begriff:
"die Überlebensstrategien des Regimes untergraben".
Damit das Ganze auch so verläuft, wie sich die USA das vorstellen, hat man schon einen
Übergangskoordinator im US-Außenministerium eingesetzt. Dieser Prokonsul ist auch bereits im
Artikel 203 des Helms-Burton-Gesetzes vorgesehen, aber dort erst, wenn der US-Präsident der
Auffassung ist, dass sich Cuba in einer "demokratischen" Phase befinde. Auch Herr Bremer wurde
erst nach der Besetzung des Irak nominiert, der "cubanische Bremer" aber heißt Caleb Mc
Carry und agiert jetzt schon, um zunächst das Ende der Revolution herbeizuführen und dann den
anschließenden Prozess zu leiten.
Vom zweiten Kapitel an widmet sich der Bericht ausschließlich den Maßnahmen, die die
Vereinigten Staaten ergreifen würden, wenn es ihnen gelänge, unter ihrer Besatzung ihre
cubanische Kolonie zu verwalten und den Kapitalismus wiederherzustellen.
Zwischen dem ersten und den weiteren Kapiteln klafft ein großes Loch. Nirgends steht, wie man sich
die Besetzung des Landes vorstellt. Glaubt man wirklich, die Cubaner würden einfach zugucken, wie
die USA ihnen ihre Wohnungen wegnehmen, ihre Fabriken und Bodenschätze und Forschungszentren
übernehmen, um sie an US-Firmen zu übergeben? Glaubt man wirklich, sie würden sich einfach
so ihr Gesellschaftssystem auflösen lassen? Glaubt man wirklich, die Cubaner würden die von den
USA ausgerechneten Milliardensummen an Entschädigungen an ehemalige US-Eigentümer zahlen und
sich dann von den USA in Strafprozessen verurteilen lassen, weil sie es gewagt haben, nicht nach deren
Pfeife getanzt zu haben? Zwischen den Zeilen kann man heraus lesen, dass die USA das nicht wirklich
glauben.
Es liegt auf der Hand, dass diese Ziele nur mit Gewalt zu erreichen sind. Das genau befürchten
William D. Rogers, eine ehemaliger hoher Funktionär im US-Außenministerium, und andere
Experten z.B. in der Weltbank, der Havard Universität und der Präsident des interamerikanischen
Dialogs. In ihrem Brief an US-Außenminister Colin Powell äußern sie ihre Besorgnis
darüber, dass der Bericht an keiner Stelle mehr von einem friedlichen Übergang spricht. Der
Bericht sei "erschreckend" und in einem "imperialen Stil" verfasst und das
"Explosivste in den Beziehungen Vereinigte Staaten – Lateinamerika in den letzten 50 Jahren".
Auch Wayne Smith, ehemaliger Vertreter Washingtons in Havanna, sagte: "So wie dieser Bericht
geschrieben ist, gleicht er einer Vorlage für eine US-Besetzung. Im Zusammenhang mit Irak ist das
der Eindruck, der vermittelt wird."
[...]
Osvaldo Payß – König der Preisträger
(...)
Cuba in den Medien
(...)
Cuba und die Menschenrechte von Genf
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Die Fünf
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Arbeitsgrundlage von "Helden der freien Welt - Dissidenten in Kuba"
Ursprünglich hatten die Autoren vorgehabt das Buch "Los Disidentes" von Rosa Miriam Elizalde und Lius Baez (La Habana 2003) lediglich zu übersetzen, entschlossen sich jedoch für eine für deutsche Leser überarbeitete Version.
Es handelt sich bei diesem Buch um eine Dokumentation von Cubanern für Cubaner. Von der dabei als selbstverständlich vorausgesetzten Rezeption ist ein deutsches Publikum weit entfernt.
Das "Los Disidentes" mit einer Fülle lokaler Details aufwartet, die nicht ortskundigen Lesern keinerlei Aha-Erlebnisse vermitteln konnte, wäre noch das kleinste Problem gewesen.
Die hautsächliche Schwierigkeit liegt im Duktus, der Cubas Sozialismus offensiv vertritt und mit größter Selbstverständlichkeit davon ausgeht, dass die innerhalb der Dissidenz agierenden cubanischen Agenten einer gerechten Sache dienen.
Die Ausgangslage bei uns könnte konträrer nicht sein. (...)
Downlod "Los Disidentes":
Parte 1,
Parte 2,
Parte 3
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