Kuba: Frauenbefreiung und das neue Familiengesetz


"Wenn unsere Revolution in zukünftigen Jahren beurteilt wird, wird eines der wichtigsten Kriterien sein, wie wir in unserer Gesellschaft die Probleme der Frauen gelöst haben werden."
Fidel Castro 1974


Eine Revolution in der Revolution

Frauenbefreiung Diesen Ausdruck benutzte Fidel 1966 auf dem fünften nationalen Treffen der Frauenvereinigung. Er meinte damit, dass nicht nur Rahmenbedingungen wie Bildung, Gesundheit und die Armut in der Gesellschaft verändert wurden, sondern es ging ihm um das enorme Kraftpotential, welches entsteht, wenn sich Frauen an Aktivitäten beteiligen, die ihnen vorher praktisch verboten waren. Er hielt die Frauen für verantwortungsbewusster und disziplinierter. Sie würden sich der Arbeit mit mehr Hingabe, Leidenschaft und Enthusiasmus widmen als die Männer. Es ging um ihre Integration in das soziale Leben, in das Leben der Gesellschaft, in das Leben ihres Landes. Es ging um die Entwicklung eines politischen Bewusstseins, eine Veränderung des Zugangs von Frauen zur Macht, die zur Veränderung der Geschlechterverhältnisse führen sollten – um den Prozess der Ermächtigung von Frauen.

In einem Land mit tiefen machistischen, kolonialen und patriarchalischen Wurzeln wie Kuba mit den vom Machismo geerbten ungleichen Machtverhältnissen hat es der revolutionäre Prozess erreicht, dass falsche Vorstellungen über Geschlechterrollen und über den Platz der Frauen in der Gesellschaft erschüttert wurden. Die Frauen, die gegen Batista kämpften, änderten diese Sicht. Sie waren Pionierinnen.

Frauen in der Rebellenarmee

1956 bereitete Celia Sánchez die Ankunft Fidel Castros auf der Granma vor, der Expedition aus Mexiko, die verraten wurde und die nur wenige überlebten. Sie organisierte den Rückzug in die Sierra Maestra und den Nachschub mit Waffen, Lebensmitteln und Medizin. Sie war die erste Frau, die in die Rebellenarmee eingegliedert wurde, nahm 1957 an der Einnahme einer stark gesicherten Kaserne teil und wurde im Oktober 1957 Mitglied des Generalkommandos. Ihr ist es zu verdanken, dass die Dokumente der Guerilla gesammelt wurden. Und sie hat sich für die Gründung eines Frauenbataillons eingesetzt. Obwohl die Frauen wichtige Aufgaben erfüllten, waren sie zunehmend frustriert, weil sie nicht mit der Waffe in der Hand kämpfen durften. Die Strukturen der Machogesellschaft reproduzierten sich auch bei den Rebellen. Die Frauen intervenierten mit Celia bei Fidel. Der rief im September 1958 eine Versammlung der führenden Mitglieder zusammen. 7 Stunden versuchte er, die Skeptiker zu überzeugen. Lilia, Schwester der ersten Kommandantin des Bataillons, Isabel Rielo, sagte rückblickend: "Fidel erinnerte an die Rolle der Frauen in den Unabhängigkeitskriegen, zitierte Marx, Lenin und Clara Zetkin. Er sprach über die besondere Unterdrückung von Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft und endete damit, dass all das die Frauen zu den entschiedensten Kämpferinnen für eine andere Gesellschaft mache. Die Rebellenführer, die zuerst gegen unsere Bewaffnung waren, schwiegen daraufhin beschämt."

Fidel Castro und Celia Sánchez

Fidel Castro und Celia Sánchez während des Revolutionskrieges in der Sierra Maestra
Foto: Radio Enciclopedia



Die zunächst aus 13 Mitgliedern bestehende erste Fraueneinheit der Rebellenarmee nannte sich nach der Mutter des unbeugsamen Generals Antonio Maceo aus dem Unabhängigkeitskrieg, der Freiheitskämpferin und Gegnenerin der Sklaverei Mariana Grajales, "Las Marianas". Ein Comandante, der sie erst nicht in seine Truppe integrieren wollte, sagte später: "Wenn die Männer zögerten, stürmten sie voran. Ihr Mut nötigt uns allen den höchsten Respekt ab." Isabel Rielo erklärte, dass die Gründung der Marianas "ein entscheidender Schritt war für die Beteiligung, die Anerkennung und den Respekt für unsere Frauen im weiteren revolutionären Prozess".




Celia Sánchez wurde Mitglied des Zentralkommitees der PCC, Deputierte der Nationalversammlung der Volksmacht und als Sekretärin des Staatsrates rechte Hand von Fidel Castro. Sie wurde mit ihrer offenen und umsichtigen Art zu einem wichtigen Bindeglied zwischen der Regierung und den Anliegen der Menschen und war an vielen Entscheidungen beteiligt. Unter den vielen Kämpferinnen, die nach dem Sieg der Revolution führende Positionen einnahmen, seien stellvertretend erwähnt: Asela de los Santos, welche die Schulen organisierte; Haydeé Santamaría, die schon 1953 beim Sturm auf die Moncada-Kaserne dabei war und später die weltweit renommierte Kultureinrichtung "Casa de las Américas" ins Leben rief. Eine besondere Rolle kam Vilma Espín zu, der Gründerin der kubanischen Frauenföderation FMC.

Frauenbefreiung

Die Alphabetisierungskampagne von 1959-60 wurde zu einem erfolgreichen Meilenstein sozialer Entwicklung. Hunderttausende von Freiwilligen widmeten sich begeistert der Aufgabe, den Mitmenschen, die vor 1959 von Bildung ausgeschlossen waren, lesen und schreiben beizubringen. Über 50% der "Alphabetizadores" waren Frauen, oft noch nicht volljährig. Sie leisteten einen Beitrag zu ihrer persönlichen Entwicklung wie auch zu der Bildungsexplosion fär alle.

Foto: Brigadistinnen vor der Abreise auf das Land / acn





Die kubanische Frauenföderation

Vilma Espín kehrte 1956 von einem Aufbaustudium in den USA nach Kuba zurück und traf Fidel. In der Sierra Maestra war sie Botin zu den Untergrundkämpfern in Santiago de Cuba und schloss sich dann ganz dem Rebellenheer an, als ihr Leben in der Stadt bedroht war. Ab 1959 war sie die treibende Kraft hinter den politischen und staatlichen Maßnahmen, die den kubanischen Frauen den vollen Zugang zu ihren Rechten sichern sollten.

Bei Gründung der FMC gab es 170.00 Mitglieder, 1980 waren es bereits 2,5 Millionen. Heute sind etwa 4 Millionen Frauen über 14 Jahre freiwillig in der FMC engagiert – eine machtvolle nationale Organisation, die auf allen Ebenen der Regierung und der zivilen Strukturen vertreten ist. Auch Frauen machen Gesetze.

Mit dem 2. Kongress der FMC 1974 und dem 1. Kongress der Kommunistischen Partei 1975 institutionalisierte sich die Revolution. Eine neue Verfassung mit Bekenntnis zum Sozialismus wurde nach einer Volksabstimmung mit 95,7 % der Stimmen angenommen. Zum ersten Mal wurden Kreis-, Provinz- und Landesregierung gewählt, eine Nationalversammlung wurde einberufen und Fidel Castro zum Vorsitzenden des Ministerrats gewählt. Und die Frauen waren dabei. Es gab eine große Diskussion um die Gleichstellung: wo die materiellen Grenzen wegen der Unterentwickeltheit der Wirtschaft sind und wo eine ideologische Offensive notwendig ist.

1974 stellten die Frauen in der FMC fest, dass der Beschäftigungsgrad der Frauen zu gering war und sie auch kaum Machtpositionen mit Verantwortung innehatten. Es gab auch nur wenige Frauen, die für das neu gegründete Parlament kandidieren wollten. Ursachen waren u.a. Druck von Heim und Familie; Defizite bei den Dienstleistungen, es gab viel zu wenig Kindergärten, mangelndes Verständnis für die Rolle der Frau in der Gesellschaft und Mangel an politischer Arbeit mit den neu in die Arbeitswelt integrierten Frauen.

Doch schrittweise ging es voran. Heute beträgt der Frauenanteil in der Nationalversammlung 55,3%, gleich nach Ruanda an der Weltspitze.

Die Lasten der Vergangenheit

Vilma Espín und Raúl Castro Mariela Castro

Linkes Bild: Vilma Espín, hier mit ihrem späteren Ehemann Raúl Castro, begründete die Frauenföderation Kubas (FMC), deren Vorsitz sie bis zu ihrem Tod 2007 innehatte. Ihre gemeinsame Tochter Mariela Castro (re.) baute das Sexualforschungsinstitut CENESEX auf und wurde zur Vorkämpferin für die Akzeptanz sexueller Minderheiten.

Fotos: Radio Nuevitas & Carta de Cuba





Vor der Revolution besaß das nordamerikanische Kapital große Teile der Insel. Fast ein Viertel der überwiegend von Männern besetzten Arbeitsplätze waren in der Zuckerindustrie, die meisten saisonal – vier Monate während der Ernte. Viele Kubaner waren Analphabeten und auf dem Land existierte so gut wie keine medizinische Versorgung. 85 % der Bevölkerung hatte keinen Zugang zu Trinkwasser. Die Arbeiter lebten mit ihren Familien in Elendsvierteln, in Hütten ohne Fußböden, Strom, Toiletten oder Wasserleitungen. Es gab keine Verhütungsmittel, Abtreibung war illegal. Die Säuglingssterblichkeit war hoch. Frauen gehörten ins Haus. "Ihre Aufgabe war es, die Hütte zu fegen, zu gebären und seinen Hunger bis zum Tod zu teilen", erzählte später eine Bäuerin.

Nur 13 % der Frauen arbeiteten, wenige als Verwaltungsangestellte, in der Zigarrenindustrie, die meisten davon aber als Hausangestellte. Oder sie waren Prostituierte, um die Familie zu ernähren. Die Mafia hatte ihren Hauptsitz nach Kuba verlegt, machte Kuba zum Verbindungsglied für den Drogenhandel und zum Bordell für US-amerikanische Touristen. Die Oligarchie ar reich, der größte Teil der Bevölkerung war arm. Das Erbe der wirtschaftlichen und sozialen Rückständigkeit war das größte Hindernis für die Gleichstellung der Frau. Hinzu kam krasser Rassismus, für Menschen mit dunkler Hautfarbe eine weitere Erniedrigung.

Teilhabe, Mobilisierung, Bildung

Dies waren entscheidende Elemente der Veränderung. Nach der großartigen Alphabetisierungskampagne folgte 1961 das Projekt der Ana-Betancourt-Schule. 100.000 junge Frauen zogen vom Lande nach Havanna. In verlassenen Häusern der Reichen oder noblen Hotels wohnend, erhielten sie eine einjährige Ausbildung in Wirtschaft, Politik, kulturellen Aktivitäten und Gesundheitsversorgung. Damit sie die Erlaubnis ihrer Familie bekamen, wurde das als Nähkurs bezeichnet. Konterrevolutionäre verbreiteten, sie würden zu Prostituierten gemacht oder nach Russland geschickt und kämen als Fleischkonserve zurück. Sie erhielten zum Abschluss eine Nähmaschine und gründeten in ihren Heimatorten Näh- und Schneiderlehrgänge und FMC-Basisgruppen. Sie wurden laut Vilma Espín zu den ersten politischen Führerinnen auf dem Lande. Es war eine Art Schneeballsystem: alle lernten voneinander. Mitte der 60er Jahre war die Hälfte der Medizinstudenten Frauen. 1980 arbeiteten 30% der Frauen, 1990 waren es knapp 40%. Bei diesem Prozentsatz ist es geblieben. 2022 sind von 4.653.000 beschäftigten Arbeitern 39% Frauen. Von 100 Frauen sind 34 nicht erwerbstätig. Es gibt nach wie vor eine geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Quote der bezahlten Beschäftigung, vor allem bei Müttern mit Kindern und bei Frauen, welche Pflege zu Hause übernommen haben.

Entscheidend waren die Verfügung über den eigenen Körper und die Sozialisierung der Hausarbeit. Die medizinische Revolution, die Betreuung bei der Geburt und bessere Gesundheitsversorgung der Kinder verbesserten das Leben der Frauen drastisch. Bis zur Revolution war es üblich, dass Frauen sechs Kinder hatten. Wirtschaftliche Unabhängigkeit, Scheidungs- und Abtreibungsmöglichkeiten stärkten ihre Postion gegenüber dem Mann. Kindertagungsstätten, Nachbarschaftszentren, Schulessen und Kantinen sollten die nach wie vor vorhandene Doppelbelastung mildern. Bezahlter Mutterschaftsurlaub von 18 Wochen wurde Gesetz. Danach erhalten die Mutter oder der Vater, die sich für Kinderbetreuung entscheiden, bis zum ersten Geburtstag des Kindes 60 Prozent ihres Lohnes. Nachfolgend besteht Anrecht auf drei Monate unbezahlten Elternurlaub, diese Leistungen können an Großeltern abgetreten werden.

Kubanerinnen in der Medizin

Der Zugang zu kostenloser und universeller Bildung für alle wurde von den Kubanerinnen eifrig genutzt. In vielen Bereichen wie Medizin, Justiz oder an den Universitäten, aber auch in technischen Berufsfeldern werden heute bis zu zwei Drittel der hochqualifizierten Aufgaben durch Frauen wahrgenommen.

Foto: Cubadebate




Was machte Kuba anders?

Das Ziel war nicht, Frauen in bestehende Strukturen zu integrieren, ihnen die gleichen schlechten Rechte der Männer zu verschaffen, sondern eine neue kollektive Gesellschaftsstruktur zu errichten, in der die Präsenz von Frauen Gewicht erhielt und die auch das Leben der Männer veränderte. Der Kampf für die Gleichberechtigung in Kuba war nicht vom Aufbau einer revolutionären Gesellschaft und des sozialistischen Weges zu trennen. Und er wurde nicht in Konfrontation mit den Männern und als antagonistischer Kampf geführt. Es galt: keine Trennung und Atomisierung der Kräfte. Der Kampf wurde aber auch nicht unter die allgemeine revolutionäre Bewegung subsumiert, sondern hatte seinen eigenen Raum. Es ging auch um den Bruch mit den Mustern des Patriarchats und des machismo.

Rechtliche Rahmenbedingungen

- In den 60er Jahren gesetzliche Festlegungen (gleicher Lohn für Männer und Frauen), Gründung der kubanischen Frauenföderation (FMC) und die Mobilisierung der Frauen in den Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR), Gründung der Zeitschrift "Mujeres", nationales Gesundheitsprogramm, Möglichkei

- 1974: 2. Kongress der FMC und 1975 1. Kongress der Kommunistischen Partei: Anerkennung der Bedeutung der Sexualerziehung, sie wird Bestandteil der schulischen und gesellschaftlichen Bildungsarbeit.

- 1975: Familiengesetzbuch wird per Volksbefragung angenommen; Recht der Frauen auf Arbeitsplätze; Verpflichtung der Männer, Hausarbeit und Kindererziehung mit der Partnerin zu teilen; Recht beider auf volle Sexualität und Neufassung von Heirats- und Scheidungsrecht: Scheidung wird erleichtert und entstigmatisiert.


Frauen in der kubanischen Armee

Foto: FMC

- 80er Jahre: Neue Verteidigungsstrategie ("Krieg des ganzen Volkes"): Ausweitung der Milizen als Basis der Landesverteidigung, Frauen beteiligen sich zu gleichen Teilen (Foto u.); Ausweitung internationalistischer Missionen (Alphabetisierung und Gesundheit), die Hälfte der Teilnehmenden sind Frauen.

- 1980 und 1985 3. und 4. Kongress der FMC: Förderung von Frauen im Berufsleben eingeleitet: keine Quote, jedoch für Leitungspositionen aussuchen und "ins kalte Wasser schmeißen".

- 1988 Eröffnung des Nationalen Zentrums für Sexualerziehung (CENESEX) und der Nationalen Gruppe für Prävention und Betreuung bei häuslicher Gewalt - 90er Jahre: Spezialperiode mit Blockade und großen Entbehrungen und negativen Auswirkungen für die Emanzipation (z.B. Wiederaufkommen der Prostitution)

- 2015: Beginnende Umsetzung der UN-Agenda 2030 für Selbstbestimmung der Frauen

- 2016 repräsentative Studie zur Geschlechtergleichheit im Auftrag des Zentrums für Frauenstudien (CEM)

- 2021 neues Gleichstellungsgesetz "Nationaler Plan zur Frauenförderung" mit Gründung einer Beobachtungsstelle für geschlechtsspezifische Gewalt. 7 Aufgabenfelder, darunter: Ökonomisches Empowerment mit Stärkung der Frauen in Landwirtschaft und im Privatsektor, Medien- und Kommunikationspolitik, Bildungsgerechtigkeit, Zugang zu Führungspositionen, Gesundheit

- 2022 neues Familiengesetz

Der Weg zur Gerechtigkeit für alle

Die kubanische Kultur ist geprägt durch ein starkes patriarchales Erbe mit einer langen homophoben Tradition, aufgezwungen durch die spanische Kolonialherrschaft und die dadurch transportierte Religion. Während die Situation der Frau nach 1959 sofort zum Thema wurde, galt Homosexualität, wie überall auf der Welt, als Abweichung von der Norm und fand erst mal keine Neubewertung.

Ende 1965 wurden in Zentralkuba Arbeitslager eingerichtet für Konterrevolutionäre und andere Gruppen, die für den obligatorischen Militärdienst als untauglich angesehen wurden und dort durch Arbeit einen Beitrag für die Gesellschaft leisten sollten. Auch Homosexuelle, die als unzuverlässig galten, wurden dort interniert. Nachdem Berichte über Misshandlungen an Insassen bekannt geworden waren, löste man die Lager 1968 auf. Die Existenz institutionalisierter Homophobie in den ersten Jahren der Revolution wurde später als Ungerechtigkeit anerkannt, jedoch kaum aufgearbeitet. Bis heute stellt die antikubanische Propaganda Kuba als schwulenfeindlich dar, auch wenn die weitere Entwicklung eine andere Sprache spricht:

- 1972: Nationale Arbeitsgruppe für Sexualerziehung und Familienplanung, seit 1988 als CENESEX weitergeführt

- 1979: Homosexualität unter Menschen ab 16 Jahren kein Straftatbestand mehr

- 1993: Homosexuelle zum Militär zugelassen

- 2005: Nationales Forschungs- und Betreuungsprogramm zur Transsexualität

- 2007: Internationaler Tag gegen Homo- und Transphobie wird gefeiert

- Seit 2008: Kostenlose operative Geschlechtsumwandlung für transsexuelle Menschen

- Seit 2008: Im ganzen Monat Mai Aktivitäten zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unter dem Namen "Kubanische Tage gegen Homophobie und Transphobie", Teil "kultureller Transformation" in vielen Bereichen

- 2014: Diskriminierung im Beruf aufgrund sexueller Orientierung unter Strafe gestellt

- 2019: Die neue Verfassung verbietet die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung oder Geschlechteridentität. Kuba wird eines der wenigen Länder, wo dies Verfassungsrang erhält.

- 2022: Neues Familiengesetz regelt das Zusammenleben aller Menschen im humanistischer und zukunftsweisender Form

Auch zwei Gleiche ergeben ein Paar Auch zwei Gleiche ergeben ein Paar

CENESEX- Kampagne für die Respektierung freier sexueller Orientierung und eigener Geschlechteridentität unter den Leitsätzen "Auch zwei Gleiche ergeben ein Paar" und "Die Verschiedenheit ist natürlich". Im ersten halben Jahr seit der Verabschiedung des neuen Familiengesetzes wurden 745 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen, davon 462 zwischen Männern und 283 zwischen Frauen.
Fotos: Cenesex





Der Begriff "Familie" neu definiert

kubanische Familie Jahrhunderte alte Einstellungen über das, was in der Gesellschaft als "richtig" zu gelten hat, brauchen zu ihrer Veränderung Zeit. Mit dem neuen Familiengesetz ist der kubanischen Gesellschaft ein weltweit einzigartiger Sprung in die Zukunft gelungen. Der uralte Gegensatz Mann/Frau spielt kaum noch eine Rolle. Als Familie mit gleichen Rechten gilt jetzt jede in einem Haushalt zusammenlebende Gruppe von Menschen, unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlecht; unabhängig auch davon, ob durch Blutsverwandtschaft oder Freundschaft verbunden. Auch die alleinerziehende Mutter und ihr Kind sind eine Familie. Das Recht auf Adoption gilt für alle. Gleichzeitig wurden die Rechte von Kindern, Heranwachsenden sowie von älteren und behinderten Menschen gestärkt: Ihr Wille muss bei allen sie betreffenden Entscheidungen in Gesellschaft oder Familie berücksichtigt werden.

Der Leihmutterschaft wurden enge Grenzen gesetzt: Sie soll vornehmlich unter Verwandten möglich sein – das Aufkommen einer "Kommerzialisierung" soll unterbunden werden.

Es ist klar, dass alles, was Kuba tut, schwerer Kritik unterzogen wird. Religionsgemeinschaften liefen gegen die Entwürfe Sturm. Die Verleumdungsmaschinerie im Ausland lief auf Hochtouren, um der Regierung bei der geplanten Volksabstimmung eine Niederlage zuzufügen. In tausenden von öffentlichen Versammlungen wurden die Entwürfe diskutiert und über zwanzig Mal umgeschrieben. Niemandem soll etwas genommen werden, um es anderen zu geben – die traditionelle Form der Familie ist selbstverständlich weiterhin eine Option. Eine Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden setzte 2022 das Gesetz in Kraft.

Es wird sich in der Praxis einspielen müssen. Doch uralte Anachronismen, Ungerechtigkeit und potentieller gesellschaftlicher Konfliktstoff wurden entschärft und radikal in Frage gestellt. Die Menschen in Kuba können sich vereinter und zielstrebiger den künftigen Herausforderungen für ihre Gesellschaft stellen.

Exkurs: Kuba und Feminismus


In ihrem 2022 erschienenen Buch "Mujeres en Revolución" verteidigt die kubanische Psychologin und Journalistin Karima Oliva Bello, dass sich die FMC nicht als feministisch erklärt hat: "Die Arbeit der FMC konnte sich nicht auf eine Suffragetten- oder parlamentarische Agenda beschränken, ebenso wenig wie auf Forderungen nach mehr Repräsentation oder Kreuzzügen für die Identität. Der Kampf der Frauen musste einem radikaleren Muster verpflichtet sein: dem Klassenkampf, der Verteidigung des Sozialismus."

Ein kubanischer sozialistischer Feminismus sollte jedoch angesichts der neuen Generationen kubanischer Frauen, die nach feministischen Bezügen suchen, global vernetzt sind und die Agenda des weltweiten Feminismus von einem mobilen Gerät aus verfolgen können, aktualisiert und präzisiert werden.

Globale Vernetzung bedeute auch, dass die kollektiven Organisationen unter "schwerem medialen Beschuss stehen". Die Kritik erfolge von unehrlichen Positionen aus, wenn den staatlichen Institutionen vorgeworfen würde, sie täten nicht genug gegen die Gewalt gegen Frauen. Die Konterrevolution dämonisiere unter dem Deckmantel der feministischen Sache die Staatsführung und die FMC und habe einen liberalen Feminismus hervorgebracht. Es ginge den Kritikern darum, kollektive Formen wie die FMC zu zerstören und ihrer politischen Bedeutung zu berauben. Die Atomisierung, die der Kapitalismus herbeiführt, sei eine große Gefahr für linke Bewegungen.

Karima Oliva vereinigt in dem Buch Beiträge verschiedener Autorinnen vornehmlich aus Lateinamerika. Der kubanische Feminismus ist mit den Erfahrungen des Kampfes der Frauen in ganz Lateinamerika verwoben. Feminismus ist nicht homogen. Es gibt Positionen, die mit dem Kapitalismus und seiner Klassen- und Rassenherrschaft übereinstimmen; sie ignorieren die strukturellen und systemischen Bedingungen, die viele Frauen unter härtester Gewalt gefangenhalten. Es geht ihnen um einen Anteil an der Macht innerhalb des Unterdrückungssystems und um formale Rechte. Ihre Errungenschaften werden zu Privilegien, die andere Frauen unterdrücken. Sie wollen einen neuen Kapitalismus in Kuba. Bello aber plädiert für einen Volksfeminismus, der für die antikapitalistische, antikoloniale, antipatriarchale, antiimperialistische und sozialistische Revolution steht.



Flyer: Frauenbefreiung und das neue Familiengesetz