Widerspruch zu dem dpa-Artikel

»Eine erneute Annäherung an Kuba - Außenminister Steinmeier besucht Havanna«

Widerspruch zu dem dpa-Artikel »Eine erneute Annäherung an Kuba - Außenminister Steinmeier besucht Havanna«, veröffentlicht in der NRZ/WAZ am 17..07.2015, Eine erneute Annäherung an Kuba

Drei Einwände zu diesem dpa-Artikel:

1. »2003 inhaftierte die kubanische Regierung 75 Oppositionelle und läutete damit eine neue Eiszeit ein. Seit der Übergabe der Regierungsgeschäfte von Fidel an Raúl Castro ab 2008 entspannte sich die Lage wieder.« Damit wird behauptet, die cubanische Regierung trüge die Schuld an der Blockadehaltung der BRD und EU. Nichts liegt der Wahrheit entfernter. Tatsächlich wurden 2003 keine 73 »Oppositionelle« verhaftet, sondern es wurden damals nach einer Welle von Attentaten, Entführungen und anderen Straftaten, die auch in der BRD geahndet werden, Kriminelle in öffentlichen und rechtsstaatlichen Prozessen für diese Taten verurteilt. Dies wurde u.a. von der deutschen Bundesregierung zum Vorwand genommen, Cuba international zu isolieren.

2. »Die deutsche Generalsekretärin Selmin Caliskan sagte der Deutschen Presse-Agentur, auf Kuba sei es "noch immer praktisch unmöglich, friedlich Kritik an der Regierung zu äußern".« Frau Caliskan behauptet die Unwahrheit. Jeder, der auch nur ein einziges Mal unvoreingenommen und mit offenen Augen und Ohren Cuba besucht, kann bestätigen, dass es allerorten offene und kritische Diskussionen gibt. Sowohl innerhalb der cubanischen Gesellschaft als auch gegenüber ausländischen Gästen. Allerdings hat die ai-Generalsekretärin wohl die Erwartungshaltung, dass diese Kritik zugleich in konterrevolutionäre Handlungen umschlägt, was eben nicht der Fall ist. Zugleich beinhaltet ihre Behauptung eine gefährliche Konsequenz: Wenn es in Cuba unmöglich wäre, »friedlich Kritik an der Regierung zu äußern«, so hieße dies in der Konsequenz, die cubanische Bevölkerung zu bewaffneten, terroristischen Aktionen aufzurufen, um effektive »Kritik« üben zu können. Ein gefährliches Spiel, dass Frau Caliskan hier betreibt.

3. »Steinmeier will das Thema in Havanna ansprechen. "Wenn wir hier sind, kann die Frage der Menschenrechte nicht ausgeschlossen bleiben."«

Was den amtierenden deutschen Außenminister angeht, so ist dessen skandalöse Rolle und persönliche Schuld im Fall des Bremer Bürgers Murat Kurnaz unvergessen: Dieser völlig unschuldige Mann war in das US-Folterlager in Guantänamo verschleppt und dort immer wieder mißhandelt worden. Als selbst die US-Stellen zugeben mussten, dass er unschuldig sei, war es Steinmeier, der dessen Rückführung in die BRD im Jahr 2002 vereitelte und damit für weitere 4 Jahre der Inhaftierung und Folterung verantwortlich wurde. Als Zeugen seien hierfür einige Quellen benannt, die keiner »pro-cubanischen Grundhaltung« verdächtig sind:

- In seiner Ausgabe vom 12.12.2016 schreibt der stern: »In seiner früheren Funktion als Chef des Bundeskanzleramts war Außenminister Frank-Walter Steinmeier entscheidend am Beschluss der deutschen Behörden beteiligt, den Bremer Murat Kurnaz im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantánamo interniert zu lassen, obwohl die Amerikaner seine Freilassung angeboten hatten. In der neuen Ausgabe berichtet das Magazin, dass ausgewählte Staatssekretäre und die Präsidenten der deutschen Sicherheitsbehörden am 29. Oktober 2002 im Bundeskanzleramt über das US-Angebot, Kurnaz freizulassen, beraten hatten. Als Leiter der "Präsidentenrunde" war der damalige Kanzleramtschef Steinmeier für deren Entscheidungen verantwortlich. Obwohl Experten von Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz sowie US-Vernehmer den inhaftierten Murat Kurnaz für unschuldig hielten, hätte die Runde auf Empfehlung von August Hanning, damals BND-Chef und heute Staatssekretär im Innenministerium, entschieden, eine Einreissperre gegen den Bremer zu verhängen. Die Amerikaner reagierten verärgert. Kurnaz blieb weitere vier Jahre bis zu seiner Freilassung am 24. August 2006 in Guantánamo.« (http://www.stern.de/politik/deutschland/fall-kurnaz-steinmeier-wusste-von-kurnaz-haft-3329322.html)

- Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 17.05.2010 ein Interview mit Kurnaz – Ein Auszug:

»Können Sie den deutschen Entscheidungsträgern verzeihen, die sich damals nicht für Ihre Freilassung einsetzten? - Kurnaz: Steinmeier werde ich nicht vergeben, ganz bestimmt nicht. Wenn jemand etwas unbewusst tut, kann man sagen: Es war ihm nicht klar. Aber Steinmeier kann nicht behaupten, dass er damals nicht wusste, dass Menschen auf Guantánamo gefoltert werden. Ich hatte den Deutschen, die mich befragt hatten, erzählt, was im Lager abgeht. Sie haben gehört, in welcher Lage ich bin. Und so haben sie es weitergegeben. Steinmeier musste wissen, dass ich gefoltert werde. Und ihm war klar, dass ich in einem Camp gefangen gehalten werde, ohne ein Gerichtsurteil, einfach so. Allein das hätte doch ausreichen müssen, damit Steinmeier mich rausholt, als er die Chance dazu hatte.«
(http://www.sueddeutsche.de/politik/interview-mit-murat-kurnaz-steinmeier-werde-ich-nicht-vergeben-1.526433-2)

- Doch das alles ficht Steinmeier nicht an, im Gegenteil. In seiner Ausgabe vom 27.01.2007 meldet der SPIEGEL: »Der frühere Kanzleramtschef Steinmeier sagte dem SPIEGEL: "Ich würde mich heute nicht anders entscheiden."«
(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fall-kurnaz-steinmeier-wuerde-wieder-so-entscheiden-a-462617.html)

- Dass ausgerechnet dieser Herr sich erdreistet, der cubanischen Regierung Vorhalte in Sachen Menschenrechte machen zu wollen, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Er hätte die Chance gehabt, von Havanna aus die zumindest verbalen Bemühungen des US-Präsidenten Obama zu unterstützen und die Schließung des auf völkerrechtswidrige Weise besetzten cubanischen Territoriums von Guantánamo befindlichen US-Folterlagers zu fordern. Doch eine solche Geste im Sinne der Menschenrechte kam ihm nicht über die Lippen. Eben ein echter Heuchler eben.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Regionalgruppe Essen

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen
Heinz-W. Hammer, Vorsitzender
18.07.2015