Annäherung ja, Einigung nein
Kuba und EU kommen in Verhandlungen zu Zusammenarbeit voran. Wenig Reibungspunkte beim Thema Handel, Differenzen bei Menschenrechten.
In Havanna hat am Freitag zum ersten Mal die bilaterale Kommission von Kuba und den USA getagt. Deren Einrichtung hatten die Außenminister Bruno Rodríguez und John Kerry bei ihrem Treffen am 14. August in der kubanischen Hauptstadt vereinbart. Am Donnerstag hatten in Havanna bereits die Vertreter der sozialistischen Karibikinsel und der Europäischen Union ihre fünfte Verhandlungsrunde zur Normalisierung der Beziehungen abgeschlossen. Diese Gespräche, deren Ziel eine »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit« ist, sollen Ende November in Brüssel fortgesetzt werden.
Wie die Leiter der Verhandlungsdelegationen, der Amerika-Chef des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Christian Leffler, und der stellvertretende kubanische Außenminister Abelardo Moreno, mitteilten, wird die angestrebte Vereinbarung konkrete Regelungen für Zusammenarbeit, Handel und politischen Dialog umfassen. Das Kapitel zum Handel sei nahezu abgeschlossen, da in fast allen Fragen Einigungen erzielt werden konnten, erklärten beide Seiten übereinstimmend. Auch für den Abschnitt zur Zusammenarbeit stehe man kurz vor einem Abschluss. Einige fehlende Details hoffen die Verhandlungspartner im November in Brüssel klären zu können. Obwohl die Differenzen von Leffler und Moreno am Donnerstag in unterschiedlichen Pressekonferenzen heruntergespielt wurden, scheint die Verhandlungsparteien beim mit dem Stichwort »politischer Dialog« bezeichneten dritten Abschnitt jedoch noch weit von einer Einigung entfernt zu sein. Zu diesem Bereich, der auch Themen wie Menschenrechte, Migrationspolitik und Abrüstung umfasst, bestehen teilweise konträre Positionen. Es sei kein Geheimnis, dass Kuba und die EU hier voneinander abweichende Auffassungen hätten, etwa bei Menschenrechtsfragen, sagte Leffler. Laut Moreno beruhen die Differenzen jedoch auf »unterschiedlichen Einstellungen« und nicht auf fehlendem Willen zur Einigung.
Wie weit beide Seiten in diesen Punkten voneinander entfernt sind, wird durch die Schwerpunktsetzung deutlich. Die Europäische Union will vor allem Regelungen zu den politischen Menschenrechten vereinbaren und besteht unter dem Stichwort »Good Governance« (gute Regierungsführung) auf einer Stärkung der »Zivilgesellschaft« in Kuba. Havanna will dagegen auch Themen wie Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit, das Recht auf Erziehung, Gesundheitsversorgung und Teilhabe am kulturellen Leben, Gleichberechtigung und Verbraucherschutz mit gleichem Stellenwert einbringen. Darüber hinaus, sagte Moreno, gebe es zudem eine nahezu »endlose« Liste von Punkten zur Zusammenarbeit, die schneller einigungsfähig seien und vertiefend diskutiert werden könnten. Dazu gehörten Bereiche wie Datenschutz oder die Bekämpfung von Geldwäsche, organisiertem Verbrechen, Korruption, Terrorismus und Menschenhandel.
Ob das Abkommen, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini während eines Besuchs in der kubanischen Hauptstadt im März angekündigt hatte, bis Ende 2015 unterschriftsreif sein wird, scheint angesichts der gegensätzlichen Positionen in den offenen Fragen mittlerweile ungewiss. Wie die Nachrichtenagentur dpa am Freitag mit Bezug auf nicht näher bezeichnete Quellen verbreitete, werden der Unterzeichnung des Dokumentes »nach Einschätzung der Europäischen Union lange Verhandlungen vorausgehen«. Die EU will mit der angestrebten Vereinbarung ihre Beziehungen zu Kuba auf eine neue Grundlage stellen. Das Verhältnis ist bisher durch den »Gemeinsamen Standpunkt der EU« belastet. Das Grundsatzdokument macht einen Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für die Aufnahme normaler Beziehungen. Es war 1996 auf Initiative des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossen worden und blockiert seitdem die Kubapolitik der Europäischen Union. Kuba ist deshalb das einzige Land Lateinamerikas, mit dem Brüssel kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 12.09.2015