Mit angezogener Bremse
Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen USA-Kuba weltweit begrüßt. Kritik an Beibehaltung von Sanktionen und »Demokratieprogrammen«.
Am 20. Juli wollen der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez und sein US-Kollege John Kerry die »ständigen Interessenvertretungen« ihrer Länder in Washington und Havanna mit feierlichen Zeremonien wieder in reguläre Botschaften verwandeln. Die am Mittwoch verkündete Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen ist weltweit ebenso begrüßt worden wie Barack Obamas Appell an den Kongress, die seit über 50 Jahren gegen Kuba aufrechterhaltene Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade endlich aufzuheben.
In Kuba konnte die Bevölkerung Obamas Rede am Mittwoch live in einer Sondersendung des Fernsehsenders Cubavisión verfolgen. Zuvor waren der Brief Raúl Castros an seinen nordamerikanischen Amtskollegen sowie eine – in vielen westlichen Medien nicht einmal erwähnte – Erklärung der kubanischen Regierung verlesen worden. Die Tageszeitung Granma veröffentlichte in ihrer Onlineausgabe auch Obamas Brief an Castro. Interessant ist darin die Zusicherung, dass die Beziehungen beider Länder auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen, des Internationalen Rechts und des Wiener Übereinkommens über diplomatische und konsularische Vertretungen etabliert werden sollen. Diese Regelung verpflichtet Diplomaten, die Gesetze des Gastgeberlandes einzuhalten und sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen. Obama akzeptiert in seinem Schreiben zudem die Respektierung der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit der Staaten sowie nochmals die Verpflichtung zur Nichteinmischung in deren innere Angelegenheiten. Da diese von Kuba erhobenen Forderungen in den bisherigen Verhandlungsrunden von der US-Seite stets zurückgewiesen worden waren, scheint Havanna abermals einen Erfolg verbuchen zu können. Der zur reaktionären Tea-Party-Bewegung gehörende Senator Ted Cruz aus Texas, der als Kandidat der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl 2016 antreten will, erklärte denn auch empört, Obama sei vor »dem antiamerikanischen Regime von Fidel und Raúl Castro« in die Knie gegangen.
Als größtes Hindernis für eine weitere Entspannung wurde in vielen Stellungnahmen die Beibehaltung der US-Sanktionen kritisiert. So forderte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, auf einer Pressekonferenz in Peking die USA am Mittwoch im Namen ihrer Regierung auf, die Blockade gegenüber Kuba zu beenden, um »eine Normalisierung der Beziehungen auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts, Nutzens und der Gleichberechtigung« zu ermöglichen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bekräftigte die Forderung der Europäischen Union nach Aufhebung aller Sanktionen, die auch sie als Voraussetzung für eine Normalisierung bezeichnete. Zu Recht, denn die kubanische Regierung betonte in ihrer Erklärung am Mittwoch erneut, dass es keine normalen Beziehungen zu den USA geben könne, solange die Blockade in Kraft ist. Außerdem wiederholte Havanna seine Forderungen nach Rückgabe des von den USA besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo, Entschädigung für die durch Blockade und Terror gegenüber Kuba angerichteten Schäden, Einstellung der Radio- und TV-Programme zur Destabilisierung des Landes sowie Beendigung der Ausbildung von Systemgegnern in den diplomatischen Einrichtungen der USA in Kuba.
Während die Obama-Administration beim Thema Blockade auf die Zuständigkeit des Kongresses verweist und – zumindest verbal – ebenfalls die Forderung nach deren Beendigung erhebt, betätigt die Regierung in Washington sich in anderen Fragen selbst als Bremser. Wie das russische Nachrichtenportal Sputnik berichtet, erklärte US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Mittwoch in einem Pressegespräch, dass sein Ministerium nicht vorhabe, den Marinestützpunkt Guantánamo aufzugeben. Und erst vor drei Wochen dokumentierte der US-Journalist Tracey Eaton in seinem Blog »Along the Malecón«, dass die US-Agenturen NED, USAID sowie das State Departement das staatliche Budget für »Demokratieprogramme« in Kuba von 20 Millionen Dollar im Jahr 2015 auf 30 Millionen im Jahr 2016 aufgestockt haben. Das steht in krassem Widerspruch zu Obamas Zusagen und der erwünschten Imagepolitur der USA in Lateinamerika. Worum es Washington dort geht, machte Außenminister John Kerry am Mittwoch deutlich. Die Öffnung gegenüber Kuba werde den USA dabei helfen, »die Beziehungen in der Region komplett zu verändern«, sagte Kerry am Rande der Atomverhandlungen mit Iran vor der Presse in Wien.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 03.07.2015