Weiterkämpfen
Zwei Bücher, fünf Helden: Die Cuban Five auf der Buchmesse Havanna.
Die als »Cuban Five« bekannten fünf Aufklärer haben am Montag gleich auf zwei Veranstaltungen bei der Buchmesse Havanna gesprochen. Im größten Saal »Nicolás Guillén« stellte am Vormittag zunächst der kanadische Autor und Journalist Stephen Kimber die aktualisierte kubanische Ausgabe seines Buches »What Lies Across the Water« (deutscher Titel: »Diesseits und Jenseits der Straße von Florida«) über deren Geschichte vor. Mit Antonio Guerrero, Fernando González, Gerardo Hernández, Ramón Labañino und René González, sowie der Vorsitzenden des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), Kenia Serrano, auf dem Podium beschrieb Kimber die fünf Helden der Republik Kuba als Beispiele der Aufrichtigkeit. »Was mich letzten Endes veranlasst hat, dieses Buch zu schreiben, waren die ethischen Prinzipien, der außergewöhnliche Mut und die Würde, die alle fünf während ihrer gesamten Haftzeit an den Tag gelegt haben«, sagte Kimber. René González, der das Vorwort zu dieser Ausgabe geschrieben hat, warnte mit Hinweis auf Kriege, Terror und Umweltzerstörung, dass auch »die Menschheit eine vom Aussterben bedrohte Art« sei. Aber damit dies geschehen könne, müsse zuerst die Wahrheit ausgerottet werden und der sich ihr verpflichtet fühlende, ehrliche Journalismus. Solange es Journalisten wie Kimber gebe, habe er Hoffnung.
Im Anschluss – ebenfalls im Beisein aller Fünf präsentierte der südafrikanische Anglikanerpater Michael Lapsley die kubanische Ausgabe seines Buches »La redención del pasado« (deutscher Titel: »Mit den Narben der Apartheid«). Vorwortautor Hernández, erklärte dem Publikum, wie der Anti-Apartheid-Aktivist ihn während seiner 16 Jahre, drei Monate und vier Tage dauernden Haftzeit zehnmal in US-Gefängnissen besucht habe. »Ich denke jedes Mal an den Pater, wenn mich Menschen auf der Straße fragen, warum ich diejenigen nicht hasse, die mir mehr als 16 Jahre meines Lebens geraubt haben«, sagte Hernández. Aber Lapsley habe ihn gelehrt, dass der Gegner sein Ziel erreicht habe, »wenn wir dem Hass nachgeben«. Vom Kampf für die Freiheit Südafrikas und dem Umgang mit traumatischen Erinnerungen handelt das autobiographische Buch des Autors, der 1990 durch ein Briefbombenattentat der Rassisten beide Hände und ein Auge verloren hat. Es ist bereits in zwölf ausgaben und verschiedenen Sprachen erschienen. Mit der Vorstellung in Kuba erfülle sich nun für ihn ein Traum, sagte Lapsley und erzählte eine Anekdote. Vor Druck der US-Ausgabe habe ihn der dortige Verlag gebeten, einen Satz zu streichen »Sie waren von dem Buch begeistert, auch mit meiner Kritik am Apartheid-Regime und am Rassismus hatten sie kein Problem und doch befürchteten sie in den USA Ärger mit den Autoritäten. Deshalb baten sie mich, in dem Kapitel zu Kuba einen Satz zu streichen. Er Lautet: »Paradoxerweise befindet sich der einzige Ort auf Kuba, wo es Fälle von Folter und unbegrenzter Inhaftierung ohne Gerichtsbeschluss gibt, unter der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten«. Ich habe gesagt: nein, der Satz bleibt«. Sein Buch sei dann zwar mit dieser Formulierung erschienen, dafür hätten aber zwei Fotos gefehlt: eins, das den Autor mit Fidel Castro zeigt, und eins gemeinsam mit Hernández im Gefängnis. »Vermutlich«, amüsierte sich Lapsley über die Zensur, »mochten sie seine Häftlingskleidung nicht«.
»In Kuba erscheint dieses Buch in einer besonderen Situation für unser Volk«, erklärte Raúl Suarez vom Marthin-Luther-King-Zentrum in Havanna, der neben dem Autor und Hernández auf dem Podium saß. »Und in dieser neuen Phase unserer Revolution dürfen wir keine Fehler machen«, sagte der Baptistenpfarrer, »denn der Feind hat seine Absicht, unser Projekt zu zerstören, nicht aufgegeben«. Nach »all dem, was man uns über Jahrhunderte angetan hat, ist das kubanische Volk voller Narben«. Er hoffe, sagte der Geistliche, dass die Kubaner niemals vergessen, dass »die Ursache unserer Wunden die Zerstörung unserer Unabhängigkeit, Souveränität und Würde« ist. »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Wunden uns zerstören, denn das ist es, was unsere Feinde erreichen wollen.« r hoffe und erwarte aber, dass ihnen ihr Vorhaben nicht gelinge, sagte Suarez und beendete seinen leidenschaftlichen Beitrag unter Beifall mit dem Ausruf: »Wir werden weiterkämpfen!«
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Volker Hermsdorf, Havanna
Junge Welt, 18.02.2016