Blockierte Verhandlung
Zweites Treffen zwischen Kuba und USA im Normalisierungsprozess. Obama nutzt Möglichkeiten nicht.
Die Verhandlungen über den weiteren Prozess zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA gehen in eine neue Runde. Am heutigen Dienstag findet in Washington das zweite Treffen der bilateralen Kommission statt, die nach der Wiederaufnahme der 1961 von den USA einseitig abgebrochenen diplomatischen Beziehungen eingerichtet worden war. Zu einem ersten Treffen kamen beide Seiten am 11. September in Havanna zusammen. Wie das kubanische Außenministerium mitteilte, soll in den heutigen Gesprächen auch die seit mehr als 50 Jahren von den USA gegen Kuba aufrechterhaltene Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade diskutiert werden.
Vor dem Dialog nahm der Druck auf Präsident Barack Obama innerhalb der USA zu. Verschiedene Akteure fordern von ihm, den Erklärungen zur Aufhebung der Sanktionen konkrete Maßnahmen folgen zu lassen. Wie die kubanische Tageszeitung Granma berichtete, war diese Erwartung auch von den US-Ausstellern auf der am Samstag beendeten Internationalen Messe von Havanna (FIHAV 2015) geäußert worden.
Firmenvertreter wiesen auf den Schaden hin, den die Blockade nicht nur in Kuba, sondern auch in der US-amerikanischen Wirtschaft anrichte. So beklagte sich etwa Saúl Berenthal, ein Vertreter des Landmaschinenherstellers »Cleber LLC« aus Alabama, darüber, dass die nach wie vor geltenden Einschränkungen seinen Betrieb massiv behinderten. Das Unternehmen will in der Sonderwirtschaftszone Mariel ein Traktorenmontagewerk errichten. Während er von kubanischer Seite alle Genehmigungen dafür bereits erhalten habe, blockiere die Exportkontrollbehörde des US-Finanzministeriums die Investition, sagte Berenthal vergangene Woche in Havanna.
Die erstmals zu mehreren Dutzend auf der FIHAV vertretenen Repräsentanten von US-Firmen forderten Obama unter anderem auf, im Rahmen seiner präsidentiellen Exekutivrechte weitere Sanktionen zu streichen. Bisher hat der Präsident diese Möglichkeit lediglich dazu genutzt, einige Reiseeinschränkungen für US-Bürger zu lockern, den Import von Artikeln des privaten Sektors zuzulassen und den Telekommunikationsunternehmen der USA zu erlauben, auf der sozialistischen Karibikinsel tätig zu werden.
Diese eher symbolhaften Aktionen werden jedoch durch die ständige Verschärfung der Blockade konterkariert. Nach der größten französischen Bank, BNP Paribas, und der deutschen Commerzbank hatten US-Behörden erst im Oktober auch der zweitgrößten französischen Bank, Crédit Agricole, wegen ihrer Geschäftsbeziehungen zu Kuba eine Strafe von mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar (eine Milliarde Euro) auferlegt.
In der Weltöffentlichkeit hat sich Washington mit dieser Politik mittlerweile in die Isolierung manövriert. Am 27. Oktober stimmten in der UN-Generalversammlung in New York 191 der 193 Mitgliedsländer, so viele wie nie zuvor, für einen Antrag Kubas zur Aufhebung der US-Blockade. Die USA standen mit Israel zum ersten Mal allein gegen den Rest der Welt. Doch auch im eigenen Land werden die Stimmen der Blockadegegner lauter. Am 9. Oktober schrieben die Gouverneure der neun US-Staaten Alabama, Idaho, Kalifornien, Minnesota, Montana, Pennsylvania, Vermont, Virginia und Washington einen offenen Brief an den Kongress, in dem sie die Aufhebung der Blockade forderten. Dieser Schritt sei nötig, da sie die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern behindere.
Die vielfachen Proteste zeigen offenbar erste Wirkung. Wie die spanische Nachrichtenagentur EFE berichtete, kündigte der Sprecher des State Department, John Kirby, am vergangenen Mittwoch in Washington an, dass Obama derzeit verschiedene Optionen zur weiteren Lockerung von Blockadebestimmungen prüfe. Dies scheint derzeit die einzige Chance zu sein, die Normalisierung zwischen Kuba und den USA voranzubringen. Denn der von den Republikanern dominierte Kongress weigert sich beharrlich, die gesetzliche Grundlage der Blockade aufzuheben. Doch auch ohne Zustimmung des Kongresses hat Obama sehr viel mehr Möglichkeiten, als er derzeit nutzt. Wenn er es wirklich wolle, erklärte der auf den Handel mit Kuba spezialisierte Washingtoner Anwalt Robert L. Muse gegenüber EFE, könne der US-Präsident die Blockade so aushöhlen »wie ein Stück Käse, bei dem man am Ende vor lauter Löchern keinen Käse mehr sieht«.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 10.11.2015