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USA planen neue Einmischung in Kuba. Provokationen gegen Normalisierung der Beziehungen befürchtet.
Raúl Castro und Barack Obama haben am vergangenen Freitag in einem Telefongespräch erneut die weiteren Schritte zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba besprochen. Doch wenn zwei das gleiche sagen, bedeutet es nicht immer dasselbe. Während Castro unter »normalen Beziehungen« versteht, dass ein Land das andere nicht mit einer Blockade zu strangulieren versucht, möchte Obama in Kuba offenbar »normale« Arbeitsbedingungen für die US-Geheimdienste und deren Vorfeldorganisationen erreichen. Eine davon ist die vom US-Kongress mit über 100 Millionen Dollar pro Jahr ausgestattete Stiftung »National Endowment for Democracy« (NED). Ihre offizielle Aufgabe ist die weltweite »Durchsetzung der Demokratie«. Dazu finanzierte die Stiftung im Jahr 2012 nach eigenen Angaben 1.236 »Projekte von Nichtregierungsorganisationen« in 92 Ländern mit durchschnittlich jeweils 50.000 Dollar. Deutlich höhere Beträge flossen in die Ukraine. Dort verteilte das NED bereits im Jahr 2012 rund 3,5 Millionen Dollar an rund 60 verschiedene Vereinigungen.
Auf seiner Homepage veröffentlichte das NED bereits im August aufschlussreiche Details über ein langfristig angelegtes »NED-Programm zur Öffnung Kubas«. Demnach hat die Stiftung »ein Programm entwickelt, das eine Vielzahl unabhängiger sozialer Akteure innerhalb Kubas, von Menschenrechtsaktivisten bis zu unabhängigen Landwirten, unterstützt«. Dies sei Ausdruck der NED-Philosophie, nach der »die Entwicklung unabhängiger Initiativen längerfristig zum Zusammenbruch der autoritären Herrschaft und zu einer friedlichen politischen Veränderung« führen werde. Während früher hauptsächlich »Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten« unterstützt worden seien, habe sich seit etwa vier Jahren ein »breites Spektrum neuer zivilgesellschaftlicher Gruppen« über die Insel ausgebreitet. Dies reiche von unabhängigen Nachbarschaftsinitiativen bis zu Bauern, die ihr Land in Kooperativen einbrächten, um für den Markt zu produzieren. Die Aktionen dieser Gruppen seien subtil, aber machtvoll, »da sie jeden Tag an das Versagen des kubanischen Regimes erinnern«.
Ganz besondere Aufmerksamkeit widmet die US-Agentur der Medienarbeit. Die Stiftung arbeitet nach eigenen Angaben mit »zahlreichen Gruppen« zusammen, die »die Arbeit von unabhängigen Journalisten innerhalb Kubas unterstützen«. So sollen über das vom NED und der Entwicklungsgesellschaft USAID finanzierte Onlineportal Cubanet mit Sitz in Miami Blogger und Journalisten auf der Insel personelle und materielle Hilfestellung erhalten. So könne der Bekanntheitsgrad der Aktivisten gesteigert und weitere Unterstützung durch die »internationale Gemeinschaft« gewonnen werden. Neben der Entwicklung und Vernetzung »unabhängiger« Medienstrukturen will das NED auerdem schwerpunktmäig Landwirtschaftskooperativen sowie den Aufbau einer »Bewegung unabhängiger Landarbeitergewerkschaften« unterstützen.
Bei Journalisten auf der Insel lieen diese Pläne bereits den Verdacht aufkommen, dass die US-Dienste einen Fall provozieren wollen, der dem des US-Spions Alan Gross ähnelt. Gross war verhaftet und verurteilt worden, weil er illegal Kommunikationsanlagen auf die Insel geschmuggelt hatte. Er wurde im vergangenen Dezember in die USA abgeschoben, nachdem Washington die »Cuban Five« freigelassen hatte. Heute einen ähnlichen Fall zu provozieren, könnte die Kuba-Politik Obamas und den Normalisierungsprozess sabotieren. Die Programme des NED seien »illegal, umstürzlerisch und verletzen die Souveränität des Landes«, warnte bereits der Journalist und frühere Mitarbeiter des kubanischen Geheimdienstes Percy Francisco Alvarado Godoy in seinem Blog Descubriendo Verdades. Er warnte, dass derartige Aktivitäten auf kubanischem Territorium nicht geduldet würden.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 25.09.2015