Enthaltung des Tages:
Die USA
US-Präsident Barack Obama sitzt heute Papst Franziskus gegenüber und müsste dem entschiedenen Gegner der US-Blockade gegen Kuba eigentlich beichten, dass er wohl den Wunsch, nicht aber die Macht und die Kraft hat, diese zu beenden. Darüber entscheidet allein der Kongress, vor dem der Pontifex morgen eine Rede hält. Die von Obama bisher eingeleiteten Lockerungen einzelner Sanktionen sind Kosmetik und können von seinem Nachfolger jederzeit zurückgenommen werden, während die kubanische Bevölkerung weiter unter den Folgen der Blockadebestimmungen leidet.
In dieser Situation kündigt die Nachrichtenagentur AP einen beispiellosen Vorgang an. Bei der am 27. Oktober zum 24. Mal in der UN-Generalversammlung anstehenden Abstimmung über die von Kuba eingebrachte Resolution zur Beendigung der Blockade könnten die USA sich enthalten, meldet AP. Gleich vier namentlich nicht genannte Mitarbeiter der Obama-Administration hätten der Agentur gesteckt, dass darüber intern zur Zeit ernsthaft diskutiert wird. Im letzten Jahr hatten 188 der 193 Mitgliedsländer der Weltorganisation den Antrag der sozialistischen Karibikinsel unterstützt, drei kleine Pazifikinseln enthielten sich und nur die USA sowie Israel votierten dagegen. Diesmal könnte die Resolution, wenn die Information der AP-Quellen korrekt sind, ohne Gegenstimme angenommen werden, da Israel so abstimmt, wie Washington es wünscht.
Eine Enthaltung der USA wäre ein historisches Ereignis und würde den Druck auf den Kongress verstärken, die seit über 50 Jahren gegen Kuba aufrechterhaltene Blockade zu beenden. Vertreter des rechten Republikaner-Flügels, wie der Präsidentschaftskandidat in spe Marco Rubio, reagierten erwartungsgemäß mit Schaum vorm Mund und bringen ihre Truppen gegen Obama in Stellung. Der muss nun die Hosen runterlassen und zeigen, ob er mehr ist als ein Ankündigungspräsident.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 23.09.2015