Die Angriffe auf das US-Imperium werden immer ausgefeilter. Kein wunder, dass bei seinen Vertretern die Nerven blank liegen. Denn es geht längst nicht mehr um Bomben: Cyberattacken gegen den amerikanischen Traum liegen im Trend, wenn man Hollywood glauben darf. Oder auch mal Schall- und Mikrowellen.
Als sich 2016 und 2017 US-Botschaftsmitarbeiter in Havanna über ungewöhnliche Geräusche beklagten, die sie um den Schlaf brachten, lag die Erklärung auf der Hand: Irgendwie hatte Gastgeber und Klassenfeind Kuba die braven Angestellten mit fürchterlichem Krach gelähmt, ihnen das Hörvermögen und die Konzentration geraubt, ganz allgemein die Orientierung im Leben erschwert.
Offiziell wollte man sich in Washington mit der Story nicht blamieren. Dem sozialistischen Karibikstaat warf der US-Präsident aber dennoch vor, seine Diplomaten nicht ausreichend zu schützen. Mehr als die Hälfte des Botschaftspersonals wurde abgezogen, 15 kubanische Diplomaten nach Hause geschickt.
Jetzt haben zwei Biologen der renommierten University of California in Berkley eine Studie veröffentlicht, die nahelegt, dass der Krach von ralligen Grillen stammt. Genauer von den Männchen der Anurogryllos celerinictus. Die haben einen ganz besonders penetranten Paarungsruf, ein Geräusch, so einer der beiden Wissenschaftler, das Menschen stören kann, wenn sie »sich nicht mit den Klängen von Insekten auskennen«. Und wer zum Teufel kennt sich schon mit sowas aus?
Doch Kuba ist damit natürlich aus der Nummer nicht raus. Schließlich unterließ Havanna, die aufgegeilten Insekten darauf hinzuweisen, dass US-Amerikaner ein ganz besonders prüdes Völkchen sind und allergisch auf tierische Partnerwerbung reagieren. Mir erneuten Vergeltungsmaßnahmen der Imperialisten ist also zu rechnen.
Veröffentlichung |
Matthias István Köhler
junge Welt, 09.01.2019