Mit Pedro Sánchez besuchte zum ersten Mal seit 1986 ein spanischer Regierungschef die Karibikinsel.
Von der politischen Opposition in Madrid ob seiner Kuba-Reise Ende vergangener Woche hart kritisiert, zeigte sich Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Pedro Sánchez zufrieden mit seiner als »historisch« bezeichneten Visite. Es war der erste Besuch eines spanischen Regierungschefs auf der Karibikinsel seit 32 Jahren.
Sánchez unterstrich die Bedeutung des Besuchs »nach mehr als drei Jahrzehnten spanischer Abwesenheit auf politischem Niveau in Kuba«. »Es war sehr notwendig, diese Reise zu unternehmen«, sagte er bei einem Empfang in der Spanischen Botschaft in Havanna. Nach seinem Besuch öffne sich eine »neue Etappe«.
Beide Seiten unterschrieben ein Memorandum, das einen regulären Rahmen für politische Konsultationen festlegt. Mindestens ein Mal im Jahr soll es Treffen zwischen den Außenministern Spaniens und Kubas geben, um Angelegenheiten in bilateralem, regionalem oder multilateralen Interesse zu erörtern. Es sei nicht normal, dass die Europäische Union (EU) einen politischen Gesprächskanal zu Kuba habe und Spanien nicht, hieß es aus spanischen diplomatischen Kreisen. Vor gut einem Jahr war das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Kuba mit den Kapiteln Kooperation, Politischer Dialog und Wirtschaftliche Beziehungen in Kraft getreten. Spanien ist nun das erste Land der EU, das einen ähnlichen Mechanismus auf bilateraler Ebene schafft. Ausdrücklich wurde auch ein »aufrichtiger Dialog über Menschenrechte« in das Memorandum aufgenommen.
Sánchez hatte bei seinem Besuch auf ein Treffen mit Systemoppositionellen verzichtet und war stattdessen mit Vertretern der kubanischen Zivilgesellschaft zusammengekommen. Von Ciudadanos und Partido Popular (PP) war er deswegen daheim heftig kritisiert worden. Sánchez sagte, er habe mit Kubas Präsidenten Miguel Díaz-Canel »über alles« geredet, ohne in Details zu gehen.
Applaus dagegen gab es von Wirtschaftsseite. Spanische Unternehmen könnten bei der Wiederherstellung des kubanischen Schienen-Nahverkehrsnetzes sowie dem Betrieb von vier Flughäfen (Varadero, Santiago de Cuba, Santa Clara und Holguín) bevorzugt zum Zuge kommen, wie die spanische Nachrichtenagentur EFE herausgefunden haben will. Hinzu kommen Initiativen in den Bereichen Landwirtschaft und Erneuerbare Energien.
Bereits heute ist Spanien nach Venezuela und China Kubas wichtigster Handelspartner. Vor allem in den Bereichen Tourismus, Lebensmittel und Industriedienstleistungen sind spanische Firmen auf Kuba stark vertreten.
Sánchez war von einer großen Wirtschaftsdelegation nach Kuba begleitet worden, darunter Verteter von Telefónica, Bankia, Gamesa und Aena. Spanische Unternehmer klagen vor allem über Zahlungsverzögerungen von kubanischer Seite. Sánchez erklärte, er habe dies in seinen Gesprächen zum Thema gemacht und Díaz-Canel habe versprochen, das Problem anzugehen.
Die wirtschaftliche Krise des engsten Verbündeten Venezuela, neue Blockadeverschärfungen durch US-Präsident Donald Trump und nun die Rückholung der devisenbringenden Ärztemissionen aus Brasilien machen der kubanischen Wirtschaft zu schaffen. Das Land benötigt dringend Devisen, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, und hofft auf spanische Investitionen und Touristen.
Die spanische Vorgängerregierung unter Mariano Rajoy hat zwar nie die Beziehungen zu Kuba, wo immerhin mehr als 100 000 Kubaner mit spanischen Pass leben, normalisiert - Versuche des damaligen Außenministers José Manuel García Margallo wurden aus seiner eigenen Partei, der PP, torpediert -, aber immerhin erließ Madrid der Regierung in Havanna knapp zwei Milliarden Euro Schulden - mehr als allen anderen Ländern auf der Welt zusammen. Ein Teil der Schulden (410 Millionen Euro) wurde in einen Fonds umgewandelt, aus dem wiederum spanische Investitionen auf der Insel finanziert wurden. Der Sánchez-Besuch könnte nun ein Türöffner für künftige Geschäfte auf der Insel sein, ähnlich wie der des damaligen französischen Präsidenten François Hollande vor dreieinhalb Jahren. Seitdem spielen französische Unternehmen vor allem bei Infrastrukturprojekten auf Kuba eine wichtige Rolle.
Andreas Knobloch
Neues Deutschland, 26.11.2018