Auf der Suche nach Investitionen aus dem Ausland geht Havanna auf alte Verbündete zu.
Kubas Wirtschaft stagniert, der engste Verbündete Venezuela hat seine Öllieferungen reduziert, der Tourismus ist rückläufig, Wirbelstürme und Überschwemmungen haben schwere Schäden angerichtet - das Land benötigt dringend ausländische Investitionen. Das wiederholt der seit April amtierende Präsident Miguel Díaz-Canel regelmäßig. Auf der am Montag beginnenden alljährlichen Handelsmesse FIHAV in Havanna hat er die Gelegenheit, für sein Land zu werben. Die Messe ist Kubas Schaufenster für potenzielle Investoren auf der Insel und gleichzeitig Spiegel der wirtschaftlichen Entwicklung.
Dabei senkte die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik erst vor wenigen Tagen ihre Wachstumsprognosen für Kuba für 2018 auf 1,1 Prozent; das liegt unter den von Havanna erwarteten Zahlen. Vor allem das sich verschlechternde Verhältnis zu den USA bereitet Sorgen. Die Kuba-Euphorie bei US-Unternehmen ist mit US-Präsident Donald Trump endgültig verflogen. Nur wenige Aussteller aus den Vereinigten Staaten nehmen an der diesjährigen Messe teil. Die Beteiligung sei ähnlich der der vorangegangenen Jahre, sagte Kubas Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca gegenüber der Presse in Havanna. 2017 hatten 16 Unternehmen rund 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche belegt. Damit setzt sich die Tendenz der letzten beiden Jahre fort. 2015 hatte die Messe noch ganz im Zeichen der Annäherung zwischen den USA und Kuba gestanden - mit einer Rekordbeteiligung von US-Unternehmen.
Knapp vier Jahre nach Barack Obamas Schwenk in der US-amerikanischen Kuba-Politik aber ist Ernüchterung eingekehrt. Von Obama erlassene Reise- und Handelserleichterungen zwischen den USA und Kuba wurden zum Teil zurückgenommen. Die nach wie vor bestehende Blockade gegen Kuba soll in einigen Bereichen wieder strenger durchgesetzt werden. Geschäfte mit vom kubanischen Militär kontrollierten Unternehmen wurden verboten.
Insgesamt haben Aussteller aus mehr als 60 Ländern ihre Teilnahme an der FIHAV zugesagt. Das zeige, so Malmierca, »dass die Welt zu Kuba hält, trotz Verschärfung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade durch die Vereinigten Staaten«. Zu den wichtigsten Ausstellern gehören traditionsgemäß Spanien, Venezuela, China und Russland sowie Brasilien und Italien. Auch deutsche Firmen werden wieder vertreten sein.
Im Rahmen der Messe wird Kuba seinen neuen Investitionskatalog vorstellen. Im vergangenen Jahr umfasste dieser 456 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 10,7 Milliarden US-Dollar. Kuba sucht aktuell unter anderem nach Partnern für eine Fabrik für Verpackungsmaterialien und Reinigungsmittel. Zudem ist geplant, die Abfallwirtschaft von Havanna mittels internationaler Investitionspartner neu aufzubauen.
Während die Beziehungen zwischen Kuba und den USA abkühlen, werden die zu einem früheren Partner wieder enger: Russland. So findet im Rahmen der Messe das zweite Unternehmerforum »Russland - Lateinamerika und Karibik« statt, bei dem »Perspektiven für die Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitionen zwischen Russland und den Ländern der Region« ausgelotet werden sollen, wie es in der Ankündigung hieß.
Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion hatte Kuba 2014 rund 90 Prozent seiner Altschulden erlassen. Die verbliebenen rund 3,5 Milliarden US-Dollar sollen mit Vorzugskonditionen für russische Investitionen auf der Insel ausgeglichen werden. So soll der russische Ölkonzern Rosneft Kubas größte Raffinerie in Cienfuegos modernisieren, die wegen der reduzierten Öllieferungen aus Venezuela nur mit halber Kraft läuft. Im Herbst 2017 unterschrieben beide Länder zudem ein Paket an Vereinbarungen unter anderem im Energiesektor, zum Eisenbahntransport und zur Lieferung von Fahrstühlen. Weitere Abkommen betreffen die Lebensmittelherstellung sowie die Textilindustrie. Darüber hinaus liefert Russland Lkw, Busse und Lokomotiven.
Der Stand der gemeinsamen Projekte in den Bereichen Handel, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik wird im Rahmen des 16. Treffens der bilateralen Kommission beider Länder erörtert werden, das gleichzeitig zur Messe in Havanna stattfinden und von Kubas früherem Wirtschaftsminister und Vizepräsidenten des Ministerrates, Ricardo Cabrisas, sowie dem russischen Vizepremier, Juri Borissow, geleitet werden wird. Dazu passt die Meldung, dass Kubas Präsident Díaz-Canel Mitte kommender Woche zu seinem ersten Staatsbesuch nach Russland aufbrechen wird.
Andreas Knobloch
Neues Deutschland, 28.10.2018