Das Parlament wird erstmals keinen Castro zum Präsidenten wählen / Die Generation der Revolution tritt ab.
Kuba steht vor einer Zäsur: Erstmals seit 1959 wird der kubanische Staatschef jemand sein, der nach der Revolution geboren wurde und nicht den Namen Castro trägt. Am Wochenende wurde die Asamblea Nacional del Poder Popular, die Nationalversammlung, gewählt. Laut kubanischer Wahlkommission erhielten alle 605 aufgestellten Kandidaten, darunter auch Präsident Raúl Castro und der amtierende Vizepräsident Miguel Díaz-Canel, mehr als 50 Prozent der Stimmen und sind somit gewählt.
Die neue Asamblea Nacional konstituiert sich am 19. April - kein zufälliges Datum, dann jährt sich zum 57. Mal der Sieg gegen die US-Invasion in der Schweinebucht, »die erste Niederlage des US-Imperialismus in Lateinamerika«. Die 605 Abgeordneten wählen dann aus ihren Reihen das höchste Staatsorgan, den 31-köpfigen Staatsrat, und einen neuen Präsidenten. Jeder Abgeordnete darf der Nationalen Kandidatenkommission Mitglieder für den Staatsrat vorschlagen, der wiederum beruft daraufhin die Kandidaten zur Abstimmung, darunter auch den für das Präsidentenamt.
Raúl Castro wird nach zwei Amtszeiten nicht erneut für das Präsidentenamt kandidieren, hinterlässt aber ein Erbe. Die von ihm vorgeschlagene Verfassungsreform soll die Amtszeiten von wichtigen Ämtern in Staat und Partei auf zweimal fünf Jahre begrenzen, ebenso soll das neue Parlament eine Altersgrenze von 70 Jahren für Führungskader beschließen.
Mit Raúl Castro tritt die historische Generation der Revolution ab. Wer genau das Präsidentenamt übernehmen wird, ist noch unklar. Alles deutet auf den derzeitigen Vizepräsidenten Díaz-Canel hin. Der 57-Jährige gilt als Parteisoldat und Mann Castros. Beobachter beschreiben ihn als Pragmatiker und Verfechter einer Modernisierung der staatlichen Medien und des Ausbaus des Internetzugangs auf der Insel. »Es ist zu erwarten, dass sein Stil moderner und näher an den politischen und sprachlichen Codierungen der Mehrheit der Kubaner sein wird«, so der kubanisch-US-amerikanische Politologe Arturo López-Levy gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur EFE.
Andreas Knobloch
Neues Deutschland, 14.03.2018