Außenbeauftragte Federica Mogherini geht bei ihrem Besuch in Havanna auf Distanz zur USA-Blockadepolitik.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist lernfähig. Bei ihrem vergangenen Kuba-Besuch im März 2016 war ihr ein kleiner sprachlicher Fauxpas unterlaufen, als sie davon sprach, man müsse versuchen, »eine gemeinsame Position« zu finden. Der sogenannte Gemeinsame Standpunkt hatte in den vergangenen 20 Jahren die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Kuba geprägt; sie machte eine Normalisierung der Beziehungen von Fortschritten Kubas bei Demokratie und Menschenrechten abhängig. Anfang November 2017 trat nun nach fast zweijährigen Verhandlungen das neue Partnerschaftsabkommen mit Kuba provisorisch in Kraft. Die einzelnen Parlamente der 28 EU-Mitgliedsstaaten müssen die Vereinbarung noch ratifizieren.
Um das Abkommen zu Politischem Dialog und Kooperation auf »ambitionierte und zügige Weise« zu implementieren, war Mogherini am Mittwoch und Donnerstag nach Havanna gereist. Dabei traf sie mit unter anderem mit Außenminister Bruno Rodríguez, Kulturminister Abel Prieto, sowie dem Präsidenten des Kubanischen Parlaments, Esteban Lazo, zusammen, um »Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten«. Drei neue Projekte in den Bereichen Erneuerbare Energien, Nachhhaltige Landwirtschaft und Kulturaustausch wurden vereinbart. Beide Seiten vereinbarten zudem den ersten gemeinsamen EU-Kuba-Rat auf Ministerebene. Dieser soll erst mal am 28. Februar in Brüssel tagen, »um konkrete Abkommen« zu erzielen.
»Wie Kubas Präsident Raúl Castro während seiner Visite in Paris 2016 erklärte, sind wir offen für den Aufbau einer neuen Etappe in den Beziehungen zwischen der EU und Kuba«, erklärte Rodríguez im Anschluss an sein Treffen mit Mogherini. Die wurde am späten Donnerstagnachmittag dann auch noch von Präsident Castro empfangen.
Bei ihrem Treffen mit Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca hatte die italienische EU-Politikerin zuvor über konkrete Optionen gesprochen, europäische Investitionen auf der Insel zu erhöhen, wie sie später auf einer Pressekonferenz verriet. Zudem kündigte Mogherini an, werde Ende Januar eine Delegation der Europäischen Investitionsbank (EIB) Kuba besuchen.
Bereits heute ist die EU der größte Investor auf der Karibikinsel und wichtigste Handelspartner Kubas; rund ein Drittel aller Kuba-Touristen kommt aus EU-Ländern. Kuba wiederum versucht seit geraumer Zeit, seine Außenwirtschaft zu diversifizieren. Kubas engster Verbündeter Venezuela hat aufgrund der dortigen politischen und wirtschaftlichen Krise seine Öllieferungen drastisch reduziert; die Wirtschaft der Karibikinsel rutschte im vergangenen Jahr erst mal seit zwei Jahrzehnten in die Rezession. Zwar ist Kubas Wirtschaft im abgelaufenen Jahr wieder um 1,6 Prozent gewachsen, wie das kubanische Wirtschaftsministerium Ende Dezember verlauten ließ, aber immer noch weit entfernt von den veranschlagten jährlich 2,5 Milliarden US-Dollar an Auslandsinvestitionen, die das Land laut Regierung benötigt, um seine Wachstumsziele zu erreichen.
»Wenn die Welt und Kuba sich verändern, verändern sich auch die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kuba«, so Mogherini. Das Abkommen zu Politischem Dialog und Kooperation eröffne neue Chancen für Handel und Investitionen, sowie gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen wie den Klimawandel, Migration und den Kampf gegen Terrorismus.
In einer auf Spanisch vorgetragenen Rede vor Studenten im in Havannas Altstadt gelegenen Colegio San Gerónimo, wo vor 290 Jahre die Universität Havanna gegründet worden war, fand sie deutliche Worte zur US-Kuba-Politik - diesmal ohne sprachliche Stolpersteine. Im Duktus der kubanischen Regierung sprach Mogherini von der »Blockade« der USA (in den USA ist von Embargo die Rede, in Kuba von Blockade - die jeweilige Wortwahl transportiert die politische Haltung) und verurteilte diese als »ungerecht, obsolet und illegal«. In Anspielung auf die extraterritorialen Auswirkungen der US-Blockadepolitik, die auch europäische Firmen und Banken trifft, sagte sie: »Wir sind nicht bereit, einseitige Maßnahmen (der USA, d. Red.) zu akzeptieren, die unsere wirtschaftlichen Beziehungen schädigen.«
Sie bedauere die Neuausrichtung der US-amerikanischen Kuba-Politik in den vergangenen Monaten. Washington ist seit dem Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident zu Kalter-Krieg-Rethorik zurückgekehrt. Mogherini sprach sich in Havanna dafür aus, »Brücken zu bauen und Türen zu öffnen«. »Mauern zu bauen ist unnütz, sie können die Situation nur verschlechtern. Die wahre Stärke sind Dialog und Zusammenarbeit«, sagte sie. In diesem Zusammenhang lobte Mogherini den 2015 begonnenen »konstruktiven und offenen« Dialog zu Menschenrechtsfragen mit der kubanischen Regierung, auch wenn es unterschiedliche Sichtweisen gebe.
Mogherini pries die EU als »stabilen, verlässlichen und berechenbaren« Partner in einer Welt voller »Krisen und Chaos«. Angesichts der veränderten US-Politik sei ihre Botschaft: »Die Europäer und Kuba sind sich so nah wie nie (…). Kuba ist nicht allein und wird nicht allein bleiben.« Ihre Gastgeber in der kubanischen Hauptstadt dürften es gern vernommen haben.
Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 06.01.2018