Vor der UN-Vollversammlung riefen die USA zur Blockade Kubas auf. Ein Gespräch mit Natalie Benelli.
Was machen Sie als Schweizer Soziologin in New York?
2010 traf ich während eines Forschungsaufenthaltes in New York Women’s Press Collective. Seit sieben Jahren bin ich ehrenamtliche Aktivistin, seit vier Jahren Europakorrespondentin von WPC. Ich verbringe jedes Jahr vier bis acht Wochen als Vollzeitaktivistin mit WPC.
Was ist Women’s Press Collective für eine Organisation?
Als alternative Medienorganisation ist WPC auf rein ehrenamtlicher Basis tätig. Journalistinnen, Künstler, Graphikdesignerinnen und Drucker arbeiten mit einkommensschwachen Menschen, Leuten aus der Arbeiterbewegung und anderen, die keine Stimme in den Konzernmedien haben, zusammen. Um unabhängig zu bleiben, nehmen wir kein öffentliches Geld an. WPC schult Mitglieder darin, eigene Publikationen herzustellen. Um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den USA zu verbessern, brauchen wir eine Presse, die für diese Menschen arbeitet.
Women’s Press Collective beschäftigt sich auch mit den Beziehungen der USA zu Kuba. Wie ist es dazu gekommen?
US-Konzernmedien zeichnen ein falsches Bild von Kuba, das eine niedrigere Kindersterblichkeit, eine höhere Alphabetisierungsrate und ein besseres Gesundheitssystem hat als die USA. Über die Ursachen steigender Arbeitslosigkeit und von Armut sowie ungenügenden Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung in den USA wird nicht berichtet. Die Menschen hier haben das Recht zu wissen, wie das Leben in Kuba aussieht und dass es eine Alternative zum US-System gibt.
Sie nahmen am 1. November als Besucherin an der UN-Generalversammlung teil, als dort über Kubas Antrag zur Beendigung der US-Blockade abgestimmt wurde. Welchen Eindruck hatten Sie von der Debatte?
Mit Ausnahme der US-Vertreterin riefen alle Redner zur Beendigung der Blockade auf. Sie verletzt Kubas Recht auf Souveränität, Nichteinmischung durch Drittstaaten und Handelsfreiheit unter der UN-Charta. Die Blockade behindert die Umsetzung der »17 Ziele für nachhaltige Entwicklung« der Agenda 2030 der UNO und Kubas soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Was hat sich gegenüber der Abstimmung und der Diskussion im Vorjahr geändert?
2016 enthielten sich die USA und Israel zum ersten Mal der Stimme, das heißt die USA stimmten gegen ihre eigene Politik. Dieses Jahr, unter Trump, stimmten die USA – und Israel – gegen die Resolution, so wie sie es in den 24 Jahren zuvor getan hatten. 2016 vertrat die UN-Botschafterin der USA eine Regierung, die vorgab, die Beziehungen zu Kuba normalisieren zu wollen. Dieses Jahr verwendete die Botschafterin Kalter-Krieg-Rhetorik und verhielt sich gegenüber Kuba und dem kubanischen Volk äußerst respektlos.
Wie haben die Massenmedien in den USA darüber berichtet?
Die New York Times und andere berichteten über die Abstimmung, aber niemand zitierte die über 20 Vertreter von Ländern und Regionen, die Kubas Antrag unterstützten.
Können Sie einschätzen, was die Bevölkerung in den USA von der Blockade gegen Kuba hält?
Umfragen zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung, darunter junge Menschen in Florida, die Blockade nicht unterstützt. Die US-Handelskammer, Sojabohnen-, Mais- und Reisproduzenten, Kongressabgeordnete, Gouverneure einzelner Bundesstaaten und Stadträte sind gegen die Blockade.
Trotz der Blockade hat Kuba der US-Kolonie Puerto Rico Hilfe bei der Beseitigung von Hurrikanschäden angeboten. War das vielleicht nur ein Propagandatrick der Kubaner?
Nein. Kuba hat seine Bereitschaft, Opfern von Naturkatastrophen weltweit, inklusive den USA, Hilfe zu leisten, mehrfach bewiesen. Washington weigert sich, Kubas Hilfe für Puerto Rico zuzulassen, wie das ja auch der Fall in New Orleans nach Hurrikan »Katrina« war.
Wie können die Europäer Kuba im Kampf gegen die Blockade unterstützen?
Indem sie die Wahrheit über die verheerenden Auswirkungen der Blockade verbreiten und Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit diese ihre feindselige Politik Kuba gegenüber ändern. Vor allem aber, indem sie für grundlegende Veränderungen in ihren eigenen Ländern kämpfen.
Natalie Benelli ist ehrenamtliches Mitglied im Women’s Press Collective in New York. Am 1. November nahm sie als Besucherin an der UN-Generalversammlung teil.
Veröffentlichung |
Interview: Volker Hermsdorf
Junge Welt, 04.11.2017