Banken dürfen laut Verordnung des Europäischen Rates die US-Blockade von Kuba nicht unterstützen. Gespräch mit Norman Paech.
Am 1. November stimmt die UN-Generalversammlung über den von Kuba eingebrachten Antrag zur Beendigung der US-Blockade ab. Im vergangenen Jahr haben 191 der 193 Mitgliedsstaaten dafür gestimmt, die USA und Israel haben sich enthalten. Womit rechnen Sie in diesem Jahr?
Da der neue Präsident der Vereinigten Staaten alles versucht, um die Beziehungen zwischen den USA und Kuba zu torpedieren, glaube ich nicht, dass sich das Abstimmungsergebnis wiederholt. Die UN-Generalversammlung hat die US-Blockade ja bereits seit 1992 jedes Jahr verurteilt, doch die USA missachten das Votum der UN.
Wie Barack Obama verschärft auch Donald Trump die Blockade und ihre exterritoriale Wirkung. Wie bewerten Sie das als Experte für Völkerrecht?
Dazu gibt es zweierlei zu sagen. Zum einen widerspricht ein bilaterales Embargo den internationalen Handelsabkommen, da es die Freiheit des Kapitals und des Warenverkehrs beschneidet. Darüber hinaus ist die exterritoriale Ausdehnung, also die Beeinträchtigung von Interessen dritter Staaten oder einzelner nach völkerrechtlichen Maßstäben nicht zulässig.
Trotzdem weigern sich europäische Banken, Überweisungen auszuführen, die einen Bezug zu Kuba haben. Verstößt das nicht gegen europäisches Recht?
Eindeutig ja. Nach europäischen Bestimmungen ist die Anwendung der Blockade mindestens seit Ende der 1990er Jahre unzulässig. Das ergibt sich aus der Verordnung 2271/96 des Europäischen Rates vom November 1996. Darin ist klar definiert, dass die exterritoriale Wirkung illegal ist und von der EU nicht anerkannt wird. Diese Verordnung ist verbindlich und gilt in jedem EU-Mitgliedsland unmittelbar, das heißt, auch ohne dass die einzelnen Länder dazu noch nationale Gesetze erlassen müssten. Es ist allerdings schwer, den Text überhaupt zu finden. Einschlägige Wirtschafts- und Handelsrechtslehrbücher erwähnen ihn nicht. Auch bei Wikipedia gibt es keinen Hinweis.
Was steht, einfach ausgedrückt, in der EU-Verordnung?
In der Einleitung heißt es wörtlich über die US-Blockadebestimmungen: »Diese Gesetze, Verordnungen und anderen Rechtsakte verletzen durch ihre extraterritoriale Anwendung das Völkerrecht.« Damit stellt sich die EU den Versuchen der USA entgegen, ihre Sanktionen gegen Kuba transnational auszuweiten. Mit der Verordnung will die EU Firmen und Einzelpersonen, deren Interessen von den USA beeinträchtigt werden, in die Lage versetzen, sich Entschädigung zu holen. Der Artikel 5 verbietet es in der EU ansässigen Personen und Unternehmen, Anweisungen oder Forderungen von US-Stellen, die auf den illegalen Blockadegesetzen beruhen, nachzukommen. Geschieht das trotzdem, können die Geschädigten es der EU melden, da sie eventuell Anspruch auf Entschädigung haben. Der Schadensersatz kann nach Artikel 6 auch durch »Beschlagnahme und den Verkauf von Vermögenswerten … einschließlich der Aktien« des Schädigers durchgesetzt werden.
Was passiert, wenn ein Unternehmen sich nicht daran hält?
Artikel 9 verpflichtet jeden Mitgliedsstaat der EU, für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften der Verordnung Sanktionen festzulegen. Diese Sanktionen »müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein«. Es wäre interessant, von der Bundesregierung zu erfahren, welche Art von Sanktionen sie vorsieht, wenn gegen diese EU-Verordnung verstoßen wird.
Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die Verordnung angewendet wurde?
Ich erinnere den Fall der österreichischen Bank Bawag. Nachdem sie mehrheitlich vom US-Fonds Cerberus übernommen wurde, kündigte die Bank im April 2007 unter Berufung auf US-Gesetze die Konten, Sparbücher und Depots von rund 200 kubanischen Kunden. Die österreichische Regierung bezeichnete den Vorgang als ungesetzlich, die damalige Außenministerien Ursula Plassnik leitete ein Verfahren gegen die Bawag ein. Nach kurzer Zeit nahm deren Vorstand die Entscheidung zurück. Der Geist der UN-Beschlüsse und der EU-Verordnung lassen sich also durchsetzen.
Kennen Sie auch Beispiele aus der Bundesrepublik?
Leider nein. Falls es welche geben sollte, sind sie mir nicht bekannt.
Norman Paech ist emeritierter Professor für Völkerrecht an der Universität Hamburg. Von 2005 bis 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke.
Veröffentlichung |
Interview: Volker Hermsdorf
Junge Welt, 11.10.2017