Nach Generalstreiks in Argentinien und Brasilien: Lateinamerikas Gewerkschaften demonstrieren am 1. Mai für die Rechte der Arbeiter und für antiimperialistische Solidarität.
Zu den diesjährigen Demonstrationen am 1. Mai rufen in Lateinamerika Gewerkschaften, soziale Organisationen und linke Parteien mit unterschiedlichen Zielsetzungen auf. In Argentinien müssen sich Arbeiter, Angestellte, Studenten und Rentner nach dem Generalstreik vom 6. April weiter gegen die Folgen der neoliberalen Wirtschaftspolitik des rechtskonservativen Präsidenten Mauricio Macri wehren. In Kuba werden dagegen wieder Millionen Menschen für die Verteidigung der Errungenschaften ihrer Revolution demonstrieren.
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro kündigte für den 1. Mai eine »historische Erklärung« an, die »den Kurs der Arbeiterklasse und der Revolution« verändern werde. Er rief die Beschäftigten aller Branchen zu machtvollen Demonstrationen in den Straßen von Caracas und anderen Städten auf. In diesem Jahr werde der Tag der Arbeit ein »historischer 1. Mai der Revolution und des Sieges der Arbeiterklasse« sein, erklärte Maduro im staatlichen Fernsehsender VTV.
Ebenfalls zur »Verteidigung der Bolivarischen Revolution in Venezuela« wie auch zur Solidarität mit dem Generalstreik der brasilianischen Werktätigen am heutigen Freitag hat der mexikanische Gewerkschaftsverband NCT seine Mitglieder aufgerufen. Die Arbeiter Mexikos müssten sich »gemeinsam mit ihren Brüdern in Venezuela gegen die nordamerikanische Einmischung« in ihren Ländern wehren, heißt es in einer Erklärung.
Der chilenische Gewerkschaftsdachverband CUT stellte in seinem Aufruf zum 1. Mai die »Einheit des Volkes« heraus. Auf Hunderttausenden Plakaten mit dem Bild der 1967 verstorbenen Musikerin Violetta Parra, die im Oktober ihren 100. Geburtstag begangen hätte, rufen die Gewerkschaften zur zentralen Kundgebung auf der Plaza Italia in Santiago de Chile auf. Einheit sei »keine nostalgische Forderung, sondern im Kampf für die sozialen und politischen Rechte der arbeitenden Menschen in Chile und der Welt heute notwendiger als je zuvor«, sagte CUT-Vertreter Eric Campos.
Obwohl der 1. Mai in den USA kein gesetzlicher Feiertag ist, rufen die Gewerkschaften in Puerto Rico die Bevölkerung der letzten Kolonie in Lateinamerika zu gemeinsamen Demonstrationen an diesem Tag auf. Angesichts der Schuldenkrise des Landes, für die das Volk zur Kasse gebeten werden solle, sei es jetzt an der Zeit »die Angst zu überwinden, auf die Straße zu gehen und die Stimme zu erheben«, erklärte Juan F. Correa Luna vom Colectivo Somos Dignos. Die Aktionen sollen sich schwerpunktmäßig auf eine »Milla de Oro« (Goldene Meile) genannte Straße in der Inselhauptstadt San Juan konzentrieren, die auch als »Wall Street der Karibik« bezeichnet wird.
Tausende US-Bürger werden wie in den Vorjahren erneut zur Mai-Demonstration in Havanna erwartet. Wie der Generalsekretär des kubanischen Gewerkschaftsbundes CTC, Ulises Guilarte, mitteilte, sind die USA seit zwei Jahren das Land, aus dem die größten Gruppen ausländischer Teilnehmer kommen. Angeführt wird die Demonstration in Havanna von mehr als 50.000 Jugendlichen. Auch in den anderen Städten des Landes werden Zigtausende junge Leute an der Spitze marschieren. »Wir wollen zeigen, dass wir bereit sind, das zu verteidigen, was wir erreicht haben«, erklärte die Vorsitzende des Kommunistischen Jugendverbandes UJC, Susely Morfa González. Am 2. Mai findet im Kongresszentrum von Havanna ein Internationales Solidaritätstreffen statt, auf dem ausländische und kubanische Experten über »die Auswirkungen der neoliberalen Politik auf die Arbeiterklasse und die Bauern« und Strategien zur Gegenwehr beraten wollen.
Anders als in Kuba ist das in Argentinien keine theoretische Frage. Seit dem Amtsantritt des rechtskonservativen Präsidenten Mauricio Macri haben dort als Folge von dessen neoliberaler Politik bereits 250.000 Menschen ihre Arbeit verloren. 13 Millionen Argentinier leben unterhalb der Armutsgrenze, davon leiden 32 Prozent an Hunger und rund 40 Prozent haben keinen Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Nach dem Generalstreik vom 6. April mobilisieren Gewerkschaften und soziale Organisationen des Landes deshalb jetzt für machtvolle Protestkundgebungen am 1. Mai.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 28.04.2017