Gipfeltreffen der Bolivarischen Allianz in Caracas setzt auf Frieden und Verständigung statt auf den Bau von Mauern.
Mit dem Aufruf »Verteidigen wir die Einheit, die Würde und die Unabhängigkeit unseres Amerikas« beendeten die Staats- und Regierungschefs der »Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas« (ALBA) am Sonntag abend (Ortszeit) in Caracas ihr XIV. Gipfeltreffen. Formaler Anlass der Zusammenkunft war der vierte Todestag des ehemaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Dieser hatte das antiimperialistische Staatenbündnis gemeinsam mit dem im November letzten Jahres verstorbenen kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro im Dezember 2004 gegründet. Nun waren unter anderem Kubas Präsident Raúl Castro, Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega und Evo Morales aus Bolivien nach Caracas gekommen.
Die von progressiven Regierungen und linken Bewegungen eingeleiteten demokratischen Prozesse in Lateinamerika seien durch neue Angriffe des Imperialismus, des transnationalen Kapitals und der nationalen Oligarchien bedroht, heißt es in dem von Venezuelas Außenministerin Delcy Rodríguez vorgetragenen Abschlussdokument. Die Programme rechter Parteien seien in der Praxis nichts anderes als eine Doktrin zur Ausplünderung der Völker. Wo der Neoliberalismus wieder Fuß gefasst habe, seien die betroffenen Länder durch wachsende Spekulation, Auslandsverschuldung, unfairen Handel und Finanzkrisen instabil geworden. Armut, Ungleichheit, Erwerbslosigkeit nähmen dadurch wieder zu, und die Kluft zwischen dem reichen Norden und dem enteigneten Süden vergrößere sich wieder.
»Wir befinden uns in einer entscheidenden Etappe unserer Geschichte, in der eine Umkehr der Prozesse sehr negative Auswirkungen für die Völker der Region haben würde«, fasste es Kubas Präsident in seiner Ansprache zusammen. Castro warnte auch vor der neuen Politik der US-Regierung, deren proklamierter Protektionismus den Außenhandel lateinamerikanischer Länder bedrohe, um die Gewinne transnationaler Konzerne zu steigern. Er verurteilte zudem die Verfolgung von Migranten, die durch ungleiche Verteilung des Reichtums und die von der internationalen Ordnung verursachte, zunehmende Armut zum Verlassen ihrer Länder gezwungen würden. »Der Armut, den Katastrophen und der Migration begegnet man nicht mit Mauern, sondern mit Zusammenarbeit, Verständnis und Frieden«, erklärte Castro unter Beifall.
Während die Verfolgung aus rassistischen oder religiösen Gründen zunehme, würden parallel die Ausgaben für Militär und Polizei ständig erhöht, hieß es dazu auch in der Abschlusserklärung. Der Staatenbund kündigte an, einen Hilfsfonds für Migranten einzurichten. Einhellig wurde die Initiative Boliviens unterstützt, für den 20. und 21. Juni zu einer »Globalen Konferenz der Völker für eine Welt ohne Mauern und für eine universelle Staatsbürgerschaft« nach Tiquipaya im Departamento Cochabamba einzuladen. Das dort unter anderem zur Debatte stehende Konzept der »universellen Staatsbürgerschaft« und der »uneingeschränkten menschlichen Mobilität« hatte ALBA-Mitglied Ecuador im Jahr 2008 als erstes Land in seine Verfassung aufgenommen.
ALBA sei weltweit zu einem Vorkämpfer gegen die Ungerechtigkeit geworden, sagte Ecuadors Außenminister Guillaume Long auf dem Gipfel. Durch die Integration in das Staatenbündnis habe sein Land die Armut reduzieren und allen Bürgern freien Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung ermöglichen können. Nun müssten die Bürger am 2. April in der Stichwahl darüber entscheiden, ob der unter Präsident Rafael Correa vor zehn Jahren eingeschlagene Kurs mit dem Kandidaten Lenín Moreno fortgesetzt werden kann oder ob es einen Rückschritt zu neoliberalen Konzepten gibt. Es gehe letzten Endes darum, »welche Gesellschaft wir wollen«, sagte Long. Diese Richtungsfrage zog sich durch alle Beiträge des Gipfeltreffens. »Unsere Verantwortung besteht nicht nur darin, Bewusstsein über notwendige Veränderungen zu schaffen, sondern auch darin zu demonstrieren, dass diese möglich sind,« betont das Abschlussdokument.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 07.03.2017