Opportunisten unerwünscht

Auch auf Kuba gewinnen digitale Medien rasant an Bedeutung. Junge Journalisten berieten in Havanna über deren Rolle und Verantwortung.

In Kubas sich rapide verändernder Medienwelt wollen junge Menschen künftig eine stärkere Rolle spielen. Junge kubanische Journalisten gründen neue Plattformen wie die Internetzeitung Cachivache Media oder das Projekt Cuba Hoy, das audiovisuelle Beiträge aus und über Kuba für Onlinenetzwerke produziert. Auch die traditionellen Medien des Landes verändern sich rasant. In den Chefredaktionen vieler Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsender sitzen die Jungen mittlerweile gleichberechtigt neben erfahrenen Kollegen. Vergangene Woche trafen sich mehr als 70 Jungjournalisten aus dem ganzen Land auf Einladung des kubanischen Journalistenverbandes UPEC (Unión de Periodistas de Cuba) zu einem dreitägigen Workshop in Havanna.

Alle Teilnehmer waren sich darin einig, dass die Medienlandschaft des Landes verändert und den sich wandelnden Bedürfnissen der Leser nach aktuellen Informationen, Hintergrundberichten und Unterhaltung angepasst werden muss. Dies stelle diejenigen, die sich dem »besten Beruf der Welt« widmeten, wie Gabriel García Márquez den Journalismus einmal nannte, auch in Kuba vor große Herausforderungen. Zentrale Themen in den dreitägigen Diskussionen waren deshalb Fragen nach Rolle und Verantwortung der Medien in der Gesellschaft, mehr Möglichkeiten für Bürger auf die Themen und Inhalte der Berichterstattung Einfluss zu nehmen, Verbesserung der Kommunikation mit den Lesern, aber auch die Bedeutung der Berufsethik für Journalisten in digitalen Medien und Netzwerken.

Eine verbesserte Ausbildung und die verstärkte Förderung »junger Talente« seien sinnvoll, aber allein nicht ausreichend, um »journalistische Routine und unkritische Angepasstheit« zu vermeiden. Unstrittig war, dass junge Leute zunehmend leitende Positionen in den Medien einnehmen sollten. Das müsse einhergehen mit einem Journalismus, der stärker auf die Alltagsprobleme, Fragen und Bedürfnisse der Bevölkerung eingehe. Auch der Vizepräsident des Landes, Miguel Díaz-Canel, der als Gast an dem Workshop teilnahm, forderte dazu auf, »mutiger zu agieren«. Zugleich empfahl der Politiker, die bisherigen Medien in »multimediale Räume« zu verwandeln, die es mit Argumenten zu erobern gelte. »Wir leben in Zeiten eines ideologischen und kulturellen Krieges, aus dem wir nur siegreich hervorgehen, wenn wir emanzipatorische und humanistische Plattformen haben, die angesichts der Vorhaben, uns zu kolonialisieren, ein kritisches Denken fördern«, mahnte Díaz-Canel.

Auf diesen Aspekt hatte Arlín Alberty Loforte, stellvertretende Chefredakteurin von Kubas größter Tageszeitung Granma und Leiterin der Granma Internacional, bereits im Januar als Gast der Rosa-Luxemburg-Konferenz hingewiesen. Der kubanischen Jugend komme in den künftigen Auseinandersetzungen deshalb »eine besondere Rolle zu«, sagte die 31jährige in Berlin. Dieses Thema war auch auf dem UPEC-Workshop präsent.

Wie Granma am 7. Februar berichtete, wurde während des Workshops in zahlreichen Beiträgen gefordert, mehr Informationen über »die Plattformen der politisch ideologischen Subversion«, deren Zielgruppe die Jugend sei, zu verbreiten. Der Hinweis bezog sich auf eine wachsende Zahl von Blogs und Publikationen, für die ausländische Regierungen, Medienunternehmen und vorgebliche NGOs »unabhängige Journalisten« mit für kubanische Verhältnisse fürstlichen Honoraren anheuern, um im Land eine prowestliche »Gegenöffentlichkeit« aufzubauen. Derartige Plattformen gehören zum Konzept der »bunten Revolutionen« und werden teilweise von den gleichen Akteuren unterstützt, die damit in anderen Ländern zum Sturz von Regierungen beigetragen haben.

Auf die Widersprüche und Gefahren einer von privaten Konzernen dominierten Medienlandschaft hatte der kubanische Journalist und Blogger Iroel Sánchez auch auf der Kuba-Konferenz der Linkspartei Ende Oktober 2016 in Berlin hingewiesen. »Die großen Medien berichten zwar über die Folgen der US-Politik gegenüber Kuba, sie verschweigen aber, dass gerade die US-Blockade der Grund für viele Schwierigkeiten ist«, sagte er. Meinungen von Gegnern der interventionistischen US-Politik würden in westlichen Medien kaum wiedergegeben. Für die Kubaner sei das ein Paradoxon: »Sie wollen uns zwar Lektionen in Pluralismus und Objektivität erteilen, agieren selbst aber totalitär und tendenziös«, so Sánchez.

Der Aufklärung über solche Zusammenhänge haben sich neben den klassischen Medien in Kuba auch neuere Plattformen, wie Cuba Hoy verschrieben. »Wir sind junge Journalisten, die mit Beiträgen in sozialen Netzwerken und einem eigenen Kanal in YouTube versuchen, dem von mächtigen Gruppen organisierten Medienkrieg gegen unser Land etwas entgegenzusetzen«, erklärte Bertha Mojena Milian gegenüber dem alternativen baskischen Medienportal Cubainformación jüngst ihr Engagement in dem Projekt. Andere junge Journalisten wie David Vázquez und Rafael González, Gründer der Onlinezeitung Cachivache Media, wollen eine nicht durch ausländische Einflüsse dominierte Debatte darüber fördern, »welches Kuba, welches Land und welche Gesellschaft wir aufbauen wollen«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
Junge Welt, 16.02.2017