Kuba: Vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten will Havanna noch mit seinem Vorgänger ausgehandelte Abkommen besiegeln.
Bis zum Amtsantritt von Donald Trump am Freitag möchte Kuba noch möglichst viele Ergebnisse der monatelangen Gespräche mit Vertretern der Administration von US-Präsident Barack Obama festzurren. In bilateralen Kommissionen hatten Diplomaten beider Seiten in zahlreichen Punkten Übereinstimmung erzielt. Jetzt soll die Ernte eingefahren werden, solange es noch geht. Havanna fürchtet, dass künftige Verhandlungen in jedem Fall schwieriger verlaufen, unabhängig davon, welchen Kurs Trump tatsächlich gegenüber Kuba einschlägt. Auch wenn die unter Obama begonnenen Gespräche fortgesetzt werden sollten, dürfte schon der bevorstehende Austausch des US-Personals zu Rückschlägen führen. Die kubanische Politik versucht sich darauf einzustellen und hat kurz vor dem Präsidentenwechsel noch eine Reihe Vereinbarungen unter Dach und Fach gebracht.
Am Freitag (Ortszeit) empfing Präsident Raúl Castro in Havanna den Vorsitzenden der US-Handelskammer Thomas Donohue. Das Zusammentreffen war auch Signal der US-Wirtschaft an Trump, die Kuba-Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Die Handelskammer (United States Chamber of Commerce) mit Sitz in Washington ist der einflussreichste Wirtschaftsverband der USA und zugleich die größte Lobbyorganisation. Zwar verfolgt sie vor allem eigene Interessen – doch Kuba kann von den Beziehungen sowohl wirtschaftlich als auch politisch profitieren, etwa wenn diese dazu beitragen, kleine Löcher in die von den USA verhängte Wirtschaftsblockade zu brechen. Als erstes Beispiel dafür bietet die auf den Warenaustausch mit der Insel spezialisierte Washingtoner Firma Coabana Trading LLC ab Mittwoch kubanische Holzkohle auf dem US-Markt an. Der Vertrag mit dem kubanischen Unternehmen Cubaexport war Anfang Januar unterzeichnet worden, und die ersten beiden Container mit 40 Tonnen sind auf dem Weg. Noch hat der Vorgang mehr symbolische als ökonomische Bedeutung, denn kubanische Waren werden in den USA mit den höchsten Zöllen belegt. Doch immerhin ist es seit 50 Jahren das erste Produkt, das Kuba in die Vereinigten Staaten exportieren darf.
Coabana-Direktor Scott Gilbert erklärte bei der Vertragsunterzeichnung in Havanna, dass seine Firma künftig gern auch weitere Artikel wie Kaffee und Honig auf dem US-Markt anbieten würde. Er appellierte an die künftige Administration, den beginnenden Handelsaustausch zwischen beiden Ländern nicht erneut zu behindern. Das richtete sich unter anderem an das Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums, in dem Trump mit Mauricio Claver-Carone einen Pro-Blockade-Lobbyisten plaziert hat. Das OFAC kann Wirtschaftssanktionen gegen Länder, Organisationen, Unternehmen und Personen verhängen. Erst in der letzten Woche hatte es weltweit 17 Firmen und elf Einzelpersonen von einer »schwarzen Liste« gestrichen, auf der diese wegen wirtschaftlicher Beziehungen zu Kuba standen. Doch künftig könnten konservative Hardliner auch solche kleinen Fortschritte in Frage stellen.
Folglich arbeiteten Havannas Chefdiplomatin Josefina Vidal und ihr Team in den letzten Wochen rund um die Uhr, um möglichst viel in den sicheren Hafen zu bringen, bevor sich das Wetter ändert. Ihr spektakulärster Erfolg war ein am Donnerstag in Havanna unterzeichnetes Abkommen, das eine »geregelte, sichere und geordnete Migration« garantieren soll. Nach dieser Vereinbarung wurde ein Teil der Anreize gestrichen, mit denen die USA seit Jahrzehnten kubanische Staatsbürger zum Verlassen ihres Landes bewegen wollen. Weniger spektakulär, doch ebenfalls zukunftsweisend, ist ein anderer Vertrag, der bereits am Montag zuvor im Hotel Nacional der kubanischen Hauptstadt unterzeichnet wurde. Danach vereinbarten beide Länder Regelungen zur Zusammenarbeit bei Maßnahmen gegen Ölverseuchungen und andere Meeresverunreinigungen im Golf von Mexiko und der Meerenge von Florida. Für Kuba hat das nicht nur eine ökologische, sondern angesichts seiner Pläne zur Förderung der großen Vorkommen an Erdöl und Gas in diesen Zonen auch eine strategische Bedeutung.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 16.01.2017