Hunderttausende bei Trauerkundgebung für verstorbenen Comandante in Havanna. Asche wird nach Santiago de Cuba überführt.
Hunderttausende Menschen haben am Dienstag abend (Ortszeit) auf der Plaza de la Revolución in Havanna mit einer Großkundgebung Abschied von ihrem am Freitag verstorbenen Comandante en Jefe Fidel Castro genommen. Auf der Tribüne unter dem Denkmal des Nationalhelden José Martí saßen zahlreiche Staats- und Regierungschefs, ranghohe Politiker sowie Vertreter von Weltreligionen und sozialen Bewegungen. Nachdem 17 Staatschefs und Regierungsvertreter aus aller Welt das Wirken Fidel Castros im Namen ihrer Länder gewürdigt hatten, beendete dessen jüngerer Bruder, der kubanische Präsident Raúl Castro, die Kundgebung nach fast vier Stunden mit dem Versprechen, dass Kuba den Weg zum Sozialismus konsequent weiterverfolgen werde. »Lieber Fidel«, schloss Raúl Castro vor den Fassaden mit den erleuchteten Porträts der Guerillaführer Ernesto Che Guevara und Camilo Cienfuegos, »genau hier, wo wir unserer Siege gedenken, sagen wir dir gemeinsam mit unserem selbstlosen, kämpferischen und heldenhaften Volk: ¡Hasta la victoria siempre!«
Die Menschen auf dem Platz der Revolution hatten dies auf ihre Weise zuvor bereits ähnlich ausgedrückt. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega trat an das Mikrofon, blickte suchend in die Menschenmenge und fragte mit leiser Stimme: »Wo ist Fidel?« Tausendfach schallte es zurück: »Hier!« Jedesmal, wenn Ortega seine Frage wiederholte, riefen mehr Menschen »Hier!«, bis schließlich Zehntausende auf dem Revolutionsplatz skandierten: »Yo soy Fidel!« (Ich bin Fidel!) Auch die kämpferische Rede des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro, der an den von den Comandantes Fidel Castro und Hugo Chávez gemeinsam eingeleiteten Prozess zur Integration und Einheit der lateinamerikanischen Staaten erinnerte, wurde später immer wieder von diesem Zwischenruf begleitet. Die Präsidenten Jacob Zuma aus Südafrika und Hage Geingob aus Namibia betonten, dass Fidel nicht nur die Geschichte Lateinamerikas, sondern auch die ihres Kontinents verändert habe. Während die westlichen Nationen in Afrika als Kolonialisten, Imperialisten und Räuber aufgetreten seien, habe Kuba die afrikanischen Völker im Kampf für ihre Unabhängigkeit unterstützt.
Als einziger Vertreter einer westeuropäischen Regierung würdigte Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras unter anderem Kubas Erfolge im Bildungs- und Gesundheitswesen, die auch für viele Europäer vorbildlich seien. Berlin hatte statt offizieller Regierungsvertreter Altkanzler Gerhard Schröder nach Havanna geschickt, Washington ließ sich durch ihren Botschafter und Obamas Sicherheitsberater Benjamin Rhodes vertreten. Im Vorfeld hatten die USA die Zeremonie behindert, indem sie die Anreise anderer Gäste erschwerten. So durfte Arnaldo Otegi, der Vorsitzende der linken baskischen Unabhängigkeitspartei Sortu, in Biarritz (Frankreich) nicht in das Flugzeug nach Havanna steigen, weil der Airline sonst der Flug durch den US-Luftraum verweigert worden wäre.
Am Mittwoch morgen begann dann die Überführung der Asche Fidel Castros nach Santiago de Cuba. Die Route folgt dabei in umgekehrter Richtung dem Weg, den die siegreichen Revolutionäre im Januar 1959 vom Osten der Insel in die Hauptstadt genommen hatten. In Santiago soll die Urne am Sonntag auf dem Santa-Ifigenia-Friedhof beigesetzt werden. Dort befindet sich auch das Grab von José Martí.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 01.12.2016