Kuba weint um den Comandante. Hunderttausende bei Gedenkveranstaltungen. Staatstrauer in vielen Ländern. Peinlichkeiten aus Berlin und Washington.
In Kuba haben am Montag die offiziellen Trauerfeiern zum Tod des langjährigen Präsidenten Fidel Castro begonnen. Auf der Plaza de la Revolución, dem Platz der Revolution im Zentrum der Hauptstadt Havanna, bildeten sich lange Schlangen von Menschen, die im José-Martí-Memorial Abschied vom Comandante en Jefe nehmen wollten. In den Hallen unter dem Denkmal für den Nationalhelden José Martí zogen sie schweigend an der Ehrenwache vorbei, die sich neben einem blumengeschmückten historischen Foto von Fidel postiert hatte. Das Bild des Fotografen Alberto Korda zeigt den Comandante 1962 mit Rucksack und Gewehr in der Sierra Maestra. Veteranen der Kubanischen Revolution oder des Einsatzes in Angola trugen ihre im Kampf erworbenen Orden und Medaillen und salutierten vor dem Bildnis.
Ähnliche Szenen gab es überall auf der Insel, denn in mehr als 1.000 Städten und Gemeinden waren Gedenkorte eingerichtet worden, an denen die Menschen noch bis zum heutigen Dienstag Abschied nehmen können. Überall lagen Unterschriftenlisten bereit, auf denen die Kubaner ihre Treue zu der von Fidel auf der Kundgebung am 1. Mai 2000 verkündeten Definition ihrer Revolution bekunden können: »Revolution bedeutet, alles zu ändern, was zu ändern ist; bedeutet Gleichheit und vollkommene Freiheit; bedeutet, uns aus eigener Kraft selbst zu befreien. Revolution bedeutet Einheit, bedeutet Unabhängigkeit, bedeutet zu kämpfen für unseren eigenen Traum von Gerechtigkeit für Kuba und die Welt.«
Das von Fidel einst als Guerillasender gegründete Radio Rebelde strahlte gemeinsam mit den anderen großen Rundfunkstationen des Karibikstaates ein Sonderprogramm aus, das revolutionäre Lieder von Silvio Rodríguez und Sara González, Berichte über Solidaritätsbekundungen in aller Welt und Zitate des verstorbenen Comandante enthielt. Das Fernsehen übertrug die Bilder vom Gedenken in der Hauptstadt und interviewte Trauernde. Für den heutigen Dienstag ist ab 19 Uhr Ortszeit eine Großkundgebung in Havanna geplant, bevor die Asche des Verstorbenen nach Santiago de Cuba überführt wird. Die Route des Trauerzuges folgt dabei dem Weg, den die Kolonne Fidels nach dem Sturz des Diktators Fulgencio Batista im Januar 1959 nach Havanna genommen hatte.
International rissen auch am Montag die Respektbekundungen nicht ab. In zahlreichen Ländern wurde Staatstrauer angeordnet, so in Algerien, der Westsahara, Bolivien, Venezuela, Uruguay, Nordkorea und Vietnam. Moskau kündigte an, eine Straße nach Fidel Castro zu benennen. Die deutsche Bundesregierung hielt es dagegen auch am Montag nicht für nötig, dem kubanischen Volk zu kondolieren. Erst auf Nachfrage von Journalisten ließ sich Regierungssprecher Steffen Seibert bei der regulären Pressekonferenz in Berlin zu einem Statement bewegen: »Die Meinungsfreiheit, die Menschenrechte jedes einzelnen, die Demokratie – das kam in Fidel Castros Denken nicht vor.« Damit stellte sich das Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier an die Seite des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Dieser kündigte am Montag per Twitter an: Wenn Kuba nicht bereit sei, »ein besseres Abkommen« abzuschließen, »werde ich das Abkommen beenden«. Auch wenn wohl klar ist, was er damit meint – einen umfassenden Vertrag, den er kündigen könnte, haben Havanna und Washington bislang nicht abgeschlossen.
Veröffentlichung |
André Scheer
Junge Welt, 29.11.2016